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Knackfrosch gegen den Lärm


Wo immer Maschinen arbeiten oder Strömung stattfindet, erzeugt Bewegung Schwingungen, die sich als Schall in die Umgebung fortsetzen. Gegenmittel sind bislang Dämpfungsmaterialien wie Mineralwolle, die auf die Schallschnelle – die Geschwindigkeit der hin- und herschwingenden Luftteilchen –, wirken indem sie diese durch Reibung abbremsen. Man bringt solche Materialien beispielsweise in Lüftungskanäle ein oder umkleidet damit Maschinen. Ihr großes Bauvolumen, der durch das Verengen des freien Kanalquerschnitts hervorgerufene Druckverlust und das nur mit hohem Aufwand vermeidbare Freisetzen von Partikeln sind jedoch sowohl wirtschaftlich wie auch ökologisch von Nachteil.

Doch Schall läßt sich auch durch eine Wechselwirkung mit der sich fortpflanzenden Druckwelle dämpfen. Der Physiker und Physiologe Hermann von Helmholtz (1821 bis 1894) entwickelte die nach ihm benannten flaschenförmigen Resonatoren, die Schallspektren analysieren helfen: Die Luftsäule gerät bei einer geometrieabhängigen Eigenfrequenz in Resonanz und schwingt mit, unterliegt also ebenfalls periodischen Druckschwankungen. Die Schallwelle verliert dabei Energie aufgrund innerer Reibung im Flaschenhals.

Dieses Prinzip läßt sich aber nur bei wenigen technischen Anwendungen wirtschaftlich umsetzen, weil Helmholtz- Resonatoren für den lärmtypischen Frequenzbereich von einigen hundert Hertz zu groß bauen würden. Die theoretischen Grundlagen einer Alternative entwickelte vor wenigen Jahren Oskar Bschorr, damals Leiter der Abteilung Aeroakustik der Firma Messerschmitt-Bölkow-Blohm, heute in der gleichnamigen Abteilung der Daimler-Forschung. Sein Ziel war es damals, die U-Boot-Tarnung durch Luftblasenschleier auf die Verhältnisse an Land zu übertragen. Luft ist für Ultraschall sozusagen weicher als Wasser und streut darum die Schallenergie eines Sonars, statt sie zum Empfänger zu reflektieren; eine vergleichbare Wirkung sollte eine Vakuum-Blase in Luft haben.

Diese Idee wurde jedoch vor dem Ende des Kalten Krieges technisch nicht umgesetzt. Mittlerweile hat aber die Abteilung "Innovative Lärmbekämpfung" im Bereich "Verteidigung und Zivile Systeme" der Deutschen Aerospace (Dasa) in München sie aufgegriffen und erste Prototypen der "Silator" genannten Elemente in Lüftungskanälen und als schalldämmendes Gitter vor einem Lastwagen-Kühler erfolgreich erprobt.

Ein Silator besteht aus zwei dünnen Blechkalotten von wenigen Zentimetern Durchmesser, die luftdicht miteinander verschweißt sind; der Innenraum ist weitgehend evakuiert. Geometrie und Druckverhältnisse ermöglichen Resonanzfrequenzen von wenigen hundert Hertz unabhängig von der Baugröße.

Jede Blechkalotte entspricht vom Prinzip her einer Tellerfeder, deren einfachster Vertreter der blecherne Knackfrosch ist, dessen Wölbung auf leichten Druck unter hörbarem Knacken in die entgegengesetzte Richtung umschlägt. Während ein normales Stück Blech bei zunehmender Kraft eine proportional größere Auslenkung zeigt, ist diese Abhängigkeit bei der Tellerfeder nicht konstant. Indem man die Vorspannung des Federsystems über den Innendruck und die Prägehöhe entsprechend einstellt, erreicht man einen Zustand, in dem die Federkonstante extrem klein wird; die Eigenfrequenz wird dadurch sehr niedrig, und schon geringe Druckschwankungen haben große Auslenkungen zur Folge. Diese Empfindlichkeit gegenüber der Druckamplitude läßt das System auf kleinste Kräfte wie eben den Schalldruck reagieren. Während das einfache Stück Blech aufgrund seiner Steifigkeit erst bei einigen Kilohertz in Resonanz kommt, wurden mit verschiedenen Silatoren schon Bereiche von 200 bis 1500 Hertz abgedeckt.

In einem Experiment wurde mit 16 Silatoren die Wandung eines Schallkanals ausgekleidet. Obwohl der 120 Quadratzentimeter große Strömungsquerschnitt praktisch unbeeinträchtigt blieb, ergaben sich in einigen Frequenzbereichen Pegelminderungen von mehr als 20 Dezibel. Allerdings kam es dabei auch auf die Anordnung an, denn Silatoren wirken kaum in Druckknoten einer Schallwelle.

Kurzfristig können solche Systeme zur Lärmbekämpfung in Lüftungs- und Klimaanlagen interessant werden, weil ihre glatte Stahloberfläche keine Partikel absondert und sehr beständig gegen Umgebungseinflüsse ist; das ist beispielsweise für Reinräume oder Gießereien sehr wichtig. Um Silatoren zu reinigen, muß man sie nur abspritzen. Sie verursachen zudem keinen Sondermüll – zur Entsorgung werden sie eingeschmolzen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1994, Seite 106
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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