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Kognition: Schlaue Köpfe

Zwei entscheidende Merkmale begründen die Sonderstellung des Menschen: Er kann im Geist komplexe Szenarien entwickeln und diese mit anderen austauschen.
Sokrates Statue vor der Universität von Athen

Warum halten Menschen im Zoo Gorillas und nicht umgekehrt? Während andere Primaten sich mit schrumpfenden Lebensräumen begnügen müssen, haben wir den unseren erstaunlich ausgeweitet und verändert. Unsere dominierende Stellung beruht wohl kaum auf körperlichen Fähigkeiten: Andere Tiere sind stärker, schneller und mit schärferen Sinnesorganen ausgestattet. Der Schlüssel liegt in unseren geistigen Eigenschaften. Aber herauszufinden, welche kognitiven Merkmale den Menschen zu etwas Besonderem machen, hat sich als außerordentlich verzwickt erwiesen – und zudem scheinen immer wieder neue Studien zu belegen, dass zahlreiche Tiere von Vögeln bis zu Schimpansen uns kognitiv kaum nachstehen.

Um nur ein Beispiel zu nennen: 2017 stellten zwei schwedische Wissenschaftler die kühne These auf, Raben könnten genau wie Menschen die Zukunft planen. Fünf Vögel lernten, einen Stein aufzuheben und in eine Schachtel fallen zu lassen, um sich so eine Belohnung zu verdienen. Später wählten die Tiere den Stein unter mehreren Gegenständen aus – und zwar schon Minuten bis Stunden bevor sie mit der Schachtel konfrontiert wurden. Eine ähnliche Aufgabe mit Flaschenverschlüssen als Tauschware meisterten die Raben ebenfalls. Die Forscher schlossen daraus, die Vögel könnten tatsächlich flexibel »vorausdenken«.

Allerdings lässt sich die Leistung der Raben und die bei anderen Studien beobachteten kognitiven Fähigkeiten etwa von Menschenaffen auch einfacher erklären. Es hat sich herausgestellt, dass sich die Kognition von Mensch und Tier zwar in vielen Aspekten ähnelt, in zweierlei Hinsicht aber tief greifend unterscheidet: Erstens können wir uns dank unserer unbändigen Imaginationskraft auf einer geistigen Bühne viele mögliche Situationen ausmalen und mental verschiedene Folgen durchspielen. Und zweitens haben wir den Drang, unsere Gedanken mit anderen auszutauschen. Diese beiden neu hinzugekommenen Merkmale gestalteten gemeinsam den menschlichen Geist ...

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Spektrum der Wissenschaft – Vögel - Gefiederte Vielfalt

Die kognitiven Fähigkeiten von Vögeln erstaunen selbst Fachleute immer wieder. Wie schaffen es Vögel, trotz ihres winzigen Gehirns, Werkzeuge zu benutzen oder sich im Spiegel zu erkennen? Wie kam es zum Gesang der Vögel und was verbirgt sich dahinter? Wie kommt es zu den vielfältigen Farben und Mustern des Federkleids? Studien zur Embryonalentwicklung zeigen, auf welchen theoretischen Grundlagen die Farb- und Formenfülle im Tierreich beruhen. Und die Vorfahren der Vögel, die Dinosaurier, erwiesen sich als fürsorgliche Eltern.

Spektrum Kompakt – Verhaltensbiologie – Tierisch sozial

Vor allem in Haustieren sehen wir Persönlichkeitsmerkmale wie Mut und Neugier oder Verschlossenheit. Doch nicht nur Hund und Katze haben eine Persönlichkeit, auch im Aquarium und im Ozean verhält man sich gemäß Charakter. Denn eine Persönlichkeit zu besitzen ist keine menschliche Eigenheit.

Gehirn&Geist – Völlig verwirrt?

Sind Sie manchmal völlig verwirrt und haben keinen Durchblick? Gut so, Konfusion motiviert, macht produktiv und beschleunigt den Lernprozess. Außerdem: Manche Menschen werden von einem lästigen Pfeifen geplagt. Die Suche nach den Hirnmechanismen, denen Tinnitus entspringt, deckt zugleich mögliche Wege zu seiner Linderung auf. Lachgas hat den Ruf einer relativ ungefährlichen Substanz. Warum entwickeln trotzdem immer mehr Konsumenten gesundheitliche Schäden bei Einnahme der Trenddroge? Lange hielt man den Thalamus für eine simple Zwischenstation auf dem Verarbeitungsweg der Sinnesinformationen. Doch vermutlich wären viele Denkprozesse ohne ihn gar nicht möglich.

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  • Literaturtipps und Quellen

Literaturtipps

Suddendorf, T.: Der Unterschied. Was den Mensch zum Menschen macht. Berlin Verlag, Berlin 2014
Thomas Suddendorf erklärt die Sonderstellung des Menschen.

Tomasello, M.: Eine Naturgeschichte des menschlichen Denkens. Suhrkamp, Berlin 2014


Quellen

Kabadayi, C., Osvath, M.: Ravens Parallel Great Apes in Flexible Planning for Tool-Use and Bartering. In: Science 357, S. 202-204, 2017

Redshaw, J., Suddendorf, T.: Children's and Apes' Preparatory Responses to Two Mutually Exclusive Possibilities. In: Current Biology 26, S. 1758-1762, 2016

Redshaw, J. et al.: Flexible Planning in Ravens? In: Trends in Cognitive Sciences 21, S. 821-822, 2017

Suddendorf, T. et al.: Children's Capacity to Remember a Novel Problem and to Secure Its Future Solution. In: Developmental Science 14, S. 26-33, 2011

Suddendorf, T. et al.: Prospection and Natural Selection. In: Current Opinion in Behavioral Sciences 24, S. 26-31, 2018

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