Kognition: Wie das Gehirn die Welt konstruiert
Als ich als junger Wissenschaftler meine ersten Seminare an der Universität leitete, erzählte ich den Studentinnen und Studenten, was ich in den Neurophysiologiebüchern gelesen hatte. Ich erklärte überzeugt, wie das Gehirn Informationen aus der Umwelt nutzt, um den Körper zu steuern: Spezielle Neurone in Augen, Ohren und anderen Sinnesorganen wandeln sensorische Reize in elektrische Signale um und leiten sie dann an die entsprechenden Teile der Hirnrinde weiter. Diese verarbeitet die eingehenden Daten und löst die Wahrnehmung aus. Um eine passende Bewegung einzuleiten, weisen Impulse aus dem motorischen Kortex die Nerven des Rückenmarks an, bestimmte Muskeln zu kontrahieren.
Die meisten Studierenden waren mit meinen Erklärungen zufrieden. Doch einige besonders schlaue stellten mir unangenehme Fragen: »Wo genau im Gehirn findet die Wahrnehmung statt?« Oder: »Was löst eine Fingerbewegung aus, bevor Zellen im motorischen Kortex feuern?« Meine Standardantwort lautete: Das passiert alles im Neokortex! Dann wechselte ich geschickt das Thema oder streute ein paar obskure lateinische Begriffe ein, die ihnen wissenschaftlich genug erschienen, um sie vorübergehend zufrieden zu stellen.
Ich hatte mit der Erforschung des Gehirns begonnen, ohne mir viele Gedanken darüber zu machen, ob die Theorie zur Kopplung von Wahrnehmung und Handlung plausibel war. Zu Beginn meiner Karriere beschäftigten mich andere Entdeckungen und Erkenntnisse, die sich nach und nach zu dem entwickelten, was in den 1960er Jahren als »Neurowissenschaften« bekannt wurde. Doch meine Unfähigkeit, diese berechtigten Fragen zu beantworten, hat mich seither nicht mehr losgelassen. Ich musste mir eingestehen, dass ich versuchte, etwas zu erklären, was ich nicht wirklich verstand.
Ein großes Problem für mich und andere Fachleute liegt schon darin, dass niemand so genau sagen kann, was eigentlich der »Geist« (im Englischen »mind«) ist …
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