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Autismus: Kontaktscheue Neurone

Aktuelle Forschung bringt es an den Tag: Viele Fälle von Autismus beruhen auf einer erblichen Beeinträchtigung der Kommunikation zwischen Nervenzellen.
"Die Ursache von frühkindlichem Autismus ist der Wunsch der Eltern, ihr Kind solle nicht existieren." Für den Kinderpsychologen Bruno Bettelheim (1903-1990) war klar: Schuld an einer autistischen Erkrankung ihrer Kinder haben die Eltern. Damit stand er nicht allein. Bereits 20 Jahre zuvor meinte der Psychiater Leo Kanner (1896-1981) bei seiner Erstbeschreibung des frühkindlichen Autismus einen "genuinen Mangel elterlicher Wärme" bei Müttern und Vätern beobachtet zu haben. Die Eltern "tauten gerade genug auf, um ein Kind zu produzieren", sagte er einmal in einem Interview. Kanner, Bettelheim und andere Psychoanalytiker prägten den Begriff der "Kühlschrankmutter", deren Gefühlskälte ihr Kind regelrecht krank mache.
Heute stehen die Eltern autistischer Kinder nicht mehr unter Generalverdacht: Die Theorien von Kanner und Bettelheim sind längst überholt und vielfach widerlegt worden. Ähnliches gilt auch für den immer wieder erhobenen Vorwurf, die Masern-Mumps-Röteln-Impfung könne Autismus auslösen – es gibt keinerlei wissenschaftliche Belege für diese Behauptung ...

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Gehirn&Geist – Neurodiversität: Eine neue Sicht auf die Vielfalt unseres Denkens

Mit dem Begriff Neurodiversität beschreibt die Wissenschaft die natürliche Vielfalt unseres Denkens – und eröffnet neue Perspektiven auf Autismus, ADHS & Co. Aber warum ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Diagnosen so deutlich gestiegen? Unsere Titelgeschichten gehen dieser Frage nach und beleuchten medizinische Ursachen ebenso wie gesellschaftliche Einflüsse und geschlechterspezifische Unterschiede. Erfahren Sie zudem im Interview mit Molekularbiologe Prof. Thomas Bourgeron, welche Rolle genetische Faktoren bei der Ausprägung und Diagnostik neurodiverser Eigenschaften spielen. Auch soziale Ungleichheit steht im Fokus dieser Ausgabe, denn neue Studien zeigen, wie sie politische Einstellungen beeinflusst und was Menschen dazu bringt, autoritäre Persönlichkeiten zu wählen. Daneben erklärt Maren Urner im Interview, was die ständige digitale Reizflut mit unserem Gehirn macht – und weshalb Langeweile gut für die mentale Gesundheit ist. Zudem berichten wir, warum Antidepressiva oft nicht wirken und welcher Weg zu einer maßgeschneiderten Therapie führen kann.

Spektrum der Wissenschaft – Präzision statt Zufall – Genomeditierung revolutioniert Pflanzenzucht

Seit der Mensch Pflanzen anbaut, versucht er auch, Erträge und/oder Widerstandskraft durch Zucht gezielt zu optimieren. Was zunächst als simple Auslese begann, hat sich unter anderem dank der Fortschritte in der Molekularbiologie längst deutlich erweitert. Doch Methoden, bei denen ins Erbgut der Gewächse eingegriffen wird, wecken bei vielen Menschen Bedenken und stellen auch die Gesetzgebung vor Herausforderungen. Wie präzise die neueren Verfahren sind und welche Regelungen derzeit gelten oder diskutiert werden, erfahren Sie in unserem Titelthema. Weitere Themen: Im Notfall kann die Wasserversorgung schnell an ihre Grenzen kommen – eine große Aufgabe für den Katastrophenschutz. Was können Klimaforschende aus historischen Daten zur Weinqualität in Europa über die Vergangenheit lernen, und warum schmeckt alkoholfreier Wein so anders als solcher mit Alkohol? Außerdem gehen wir der Frage nach, was Fischschwärme, Hirnströme und Supraleitung gemeinsam haben und wie Emergenz diese Komplexität erklären könnte.

Spektrum Kompakt – Paläogenetik

Uralte DNA auf Fossilien kann längst vergessene Geheimnisse und Verhältnisse lüften. Durch die Paläogenetik weiß man beispielsweise, wann Neandertaler und Homo sapiens erste gemeinsame Nachkommen zeugten. Neue Analyseverfahren genetischer Überreste erzählen so die Menschheitsgeschichte im Detail.

  • Infos
Literaturtipps

Brose, N.:Autismus - wenn Nervenzellen kontaktscheu sind. In: Biospektrum 6/2007, S. 614-616.
Weiterführende Informationen über die an Autismus beteiligten Gene

Hambrook, D. et al.:Empathy, Systemizing, and Autistic Traits in Anorexia Nervosa: A Pilot Study. In: British Journal of Clinical Psychology 47(3), S. 335-339, 2008.

Jamain, S. et al.:Reduced Social Interaction and Ultrasonic Communication in a Mouse Model of Monogenic Heritable Autism. In: Proceedings of the National Academy of Sciences USA 105(5), S. 1710-1715, 2008.

Persico, A. M, Bourgeron, T.:Searching for Ways Out of the Autism Maze: Genetic, Epigenetic and Environmental Clues. In: Trends in Neurosciences 29(7), 2006, S. 349-358.

Sutcliffe, J. S.:Insights Into the Pathogenesis of Autism. In: Science 321(5886), S. 208-209, 2008.
Derzeit aktuellster Überblick über die an Autismus beteiligten Gene

Tabuchi, K. et al.:A Neuroligin-3 Mutation Implicated in Autism Increases Inhibitory Synaptic Transmission in Mice. In: Science 318(5847), S. 71-76, 2007.

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