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Lebensspuren vom Mars?

Ein in der Antarktis gefundener Meteorit vom Mars birgt merkwürdige Strukturen, die sich als Überbleibsel winziger Lebensformen auf unserem Nachbarplaneten interpretieren lassen. Trotz kritischer Einwände gibt es weiterhin gute Gründe für diese Deutung.

Kaum ein wissenschaftliches Thema hat die Menschen so dauerhaft fasziniert wie die Idee, es gebe Leben auf dem Mars. Diese Vorstellung entstand schon bald nach der Erfindung des Fernrohrs und gab in den gut 300 Jahren seither Anlaß zu unzähligen Untersuchungen und Spekulationen. Einig war man sich dabei nur in einem: Wenn überhaupt ein anderer Planet unseres Sonnensystems als die Erde Leben beherberge, sei Mars der aussichtsreichste Kandidat.

Entdeckungen über die geheimnisvolle rote Welt belebten das Interesse immer von neuem. Meist wurden sie nach einer der periodischen Annäherungen gemacht: Alle 15 Jahre kommt der Planet bis auf 56 Millionen Kilometer an die Erde heran (das nächste Mal im Sommer 2003). Üblicherweise dachte man sich die Marsbewohner als mindestens so hochentwickelte und intelligente Lebewesen wie den Homo sapiens. (Noch phantasievoller ist die populäre Darstellung der Marsianer als kleine grüne Männchen.)

Nach einer Annäherung des Nachbarplaneten gegen Ende des 19. Jahrhunderts verkündete der italienische Astronom Giovanni V. Schiaparelli (1835 bis 1910), er habe feine Linien entdeckt, die sich über die gesamte Oberfläche erstreckten und die er canali nannte. Um die Jahrhundertwende behauptete der amerikanische Astronom Percival Lowell (1855 bis 1916), es handle sich tatsächlich um Kanäle, die eine fortgeschrittene Zivilisation angelegt habe. Doch nachdem die USA und die Sowjetunion in den sechziger und siebziger Jahren die ersten Raumsonden zum Mars geschickt hatten, mußten alle derartigen Theorien endgültig aufgegeben werden. Den Planeten umkreisende Sonden fanden keine künstlichen Kanäle, sondern nur lange, riesige Canyons. Und auch Landegeräte entdeckten keinerlei Lebensspuren, geschweige denn Hinweise auf intelligente Wesen.

Doch damit war die Frage nicht erledigt, ob es nicht früher – insbesondere vor Milliarden Jahren, als das Klima noch wärmer und feuchter war – wenigstens primitive Organismenformen gegeben habe. Im August 1996 machte das Thema Schlagzeilen, als wir und einige Mitarbeiter am Johnson-Raumfahrtzentrum der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA in Houston (Texas) und an der Stanford-Universität in Kalifornien bekanntgaben, daß ungewöhnliche Merkmale eines vom Mars stammenden Meteoriten mit der Kennziffer ALH84001 – der 1,9 Kilogramm schwere, kartoffelgroße Brocken war 1984 in der Antarktis gefunden worden – als fossile Spuren urtümlicher Bakterien interpretierbar seien.

Unsere Theorie wurde keineswegs allgemein akzeptiert. Manche Forscher beharren bis heute auf nichtbiologischen Erklärungen für die Eigenheiten des Meteoriten. Doch wir sind überzeugt, daß die Fakten und Analysen, die wir in diesem Artikel darlegen werden, auf eine primitive Form von Leben hinweisen. Außerdem existieren solche Mikroben vielleicht sogar noch jetzt, falls – wie einige Forscher vermuten – Poren und Risse in Felsen unter der Mars-Oberfläche flüssiges Wasser bergen.

Warum interessiert man sich überhaupt dafür, ob es vor Milliarden Jahren auf dem roten Planeten eine derart primitive Lebensform gegeben hat? Zweifellos ist die Frage nach der Verbreitung von Leben im Universum eines der fundamentalen wissenschaftlichen Rätsel; nur gibt es dazu kaum harte Fakten. Der Nachweis, daß einstmals primitives Leben auf dem Mars gedieh, gäbe äußerst nützliche Hinweise auf die Bedingungen, unter denen ein Planet die komplexen chemischen Vorstufen für Leben zu erzeugen vermag. Zudem würden wir dadurch den Ursprung des Lebens auf der Erde besser verstehen. Und schließlich könnten solche Erkenntnisse die noch äußerst vagen Hypothesen über die Häufigkeit von Leben im Universum konkretisieren.


Ein unwirtlicher Planet

Gegenwärtig herrschen auf dem Mars ungünstige Bedingungen für Leben, wie wir es kennen. Die Atmosphäre besteht zu 95 Prozent aus Kohlendioxid; sie enthält außerdem 2,7 Prozent Stickstoff, 1,6 Prozent Argon und geringe Spuren von Sauerstoff und Wasserdampf. An der Oberfläche herrscht weniger als 1 Prozent des irdischen Luftdrucks, und die Sommertemperaturen überschreiten selbst in den wärmsten Gegenden selten null Grad Celsius. Vor allem aber scheint an der Oberfläche eine der wichtigsten Voraussetzungen für Leben zu fehlen, nämlich Wasser in flüssiger Form.

Darum mag es nicht überraschen, daß die beiden Viking-Raumsonden, die im Juli und September 1976 auf dem Planeten landeten, keinerlei Indizien für Leben finden konnten – weder an der Oberfläche noch in mehreren Zentimetern Tiefe. Die Landestufen hätten organische Verbindungen noch in einer Konzentration von einem ppb (parts per billion, einem Teil pro Milliarde) nachzuweisen vermocht. Auch drei andere Experimente fanden keine Hinweise

auf Mikroben. Letztlich zog man den Schluß, Leben auf dem Mars sei extrem unwahrscheinlich; eine endgültige Aussage erhoffte man sich von weiteren Analysen durch künftige Bodensonden – oder von der Bergung einiger Proben zur detaillierten Untersuchung auf der Erde.

Immerhin lieferten Photographien, welche die Viking-Sonde aus der Umlaufbahn aufnahm, sowie frühere Bilder der Sonde Mariner-9 starke Indizien dafür, daß vor einigen Milliarden Jahren große Wassermassen die Oberfläche des Planeten geformt haben – vielleicht sogar noch bis vor einigen hundert Millionen Jahren (siehe "Die Klimageschichte des Mars" von Jeffrey S. Kargel und Robert G. Strom, Spektrum der Wissenschaft, Januar 1997, Seite 50).

Zudem beweisen verschiedene vom Mars stammende Meteoriten – unter anderem ALH84001 –, daß der Planet eine wasserreiche Vergangenheit gehabt haben muß, denn sie zeigen eindeutige Spuren der Veränderung durch Wasser. Insbesondere enthalten einige Meteoriten Carbonate, Sulfate, Hydrate und Tonminerale, die nach heutiger Kenntnis der Planetenforscher nur dann entstehen können, wenn Wasser mit Gesteinen in Berührung kommt.

Selbstverständlich steht und fällt

die ganze Argumentation damit, ob ALH84001 wirklich vom Roten Planeten stammt. Wenigstens dessen können wir aber sicher sein. Der Meteorit ist einer von mehreren, die seit Mitte der siebziger Jahre in der Antarktis gefunden worden sind (siehe Kasten auf Seite 74). Anfang der achtziger Jahre begannen Donald D. Bogard und Pratt Johnson am Johnson-Raumfahrtzentrum der NASA, eine Gruppe von Meteoriten zu untersuchen, die winzige Gaseinschlüsse in verglastem Material enthielten. Das Glas hat sich vermutlich noch auf der Mars-Oberfläche durch dort einschlagende Meteoriten oder Kometen gebildet. Manche Einschläge waren offenbar so energiereich, daß sie Bruchstücke in den Weltraum katapultierten, und einige Brocken gerieten schließlich unter den Einfluß der Erdanziehung. Dieses Szenario vermag nach Meinung der Planetenforscher zu erklären, daß Fragmente des Nachbarplaneten zur Erde gelangt sind.

Wie Bogard und Johnson herausfanden, haben die winzigen Gaseinschlüsse in einigen Meteoriten genau dieselbe chemische Zusammensetzung und Isotopenverteilung wie die Mars-Atmosphäre, die 1976 von den Viking-Landestufen analysiert worden war. Die exakt übereinstimmende Gaszusammensetzung – auf neun Größenordnungen genau – läßt kaum einen Zweifel daran, daß die Steine vom Mars stammen. Insgesamt hat man in fünf Meteoriten Spuren von Mars-Atmosphäre nachgewiesen. Obwohl ALH84001 nicht zu den fünf derart analysierten gehört, läßt sich der Meteorit aufgrund der Verteilung der Sauerstoff-Isotope, der mineralogischen Beschaffenheit und anderer Charakteristika derselben Gruppe zuordnen.

Das überzeugendste Indiz dafür war die Verteilung der Sauerstoff-Isotope. Anfang der siebziger Jahre wiesen Robert N. Clayton und seine Mitarbeiter an der Universität von Chicago (Illinois) nach, daß die Isotope O-16, O-17 und O-18 in den Silicaten verschiedener Meteorit-Typen mit jeweils charakteristischen relativen Häufigkeiten auftreten. Diese wichtige Entdeckung zeigt, daß die Himmelskörper unseres Sonnensystems aus unterschiedlichen Regionen des solaren Urnebels hervorgegangen sind. Mittels des Isotopen-Steckbriefs trug Clayton zu dem Nachweis bei, daß ALH84001 und elf weitere Meteoriten tatsächlich eng verwandt sind. Kombiniert man diese Tatsache mit der Übereinstimmung der Gaseinschlüsse mit der Mars-Atmosphäre, so drängt sich der Schluß auf, daß die Meteoriten vom Mars stammen müssen.

Vor allem durch die Analyse radioaktiver Isotope vermag man das Schicksal von ALH84001 von seinem Ursprung auf dem roten Planeten bis zum heutigen Tag zu rekonstruieren. Die drei interessantesten Zeitspannen – das Alter des Gesteins, die Dauer der Irrfahrt durchs All und schließlich die Zeit seit dem Einschlag auf der Erde – lassen sich damit feststellen (Bild 1).


Die Geschichte des Mars-Boten

Das Kristallisationsalter – die Zeit, die verstrichen ist, seit das Gestein aus geschmolzenem Material erstarrte – hat man mit drei verschiedenen Datierungsmethoden bestimmt; die eine nutzt Rubidium und Strontium, eine andere Neodym und Samarium, die dritte Argon. Alle drei ergaben, daß das Gestein mit 4,5 Milliarden Jahren außerordentlich alt ist: Es kristallisierte innerhalb des ersten Hundertstels der Geschichte des Mars. Hingegen sind die anderen elf untersuchten Mars-Meteoriten nur zwischen 1,3 Milliarden und 165 Millionen Jahre alt. Es ist bemerkenswert, daß derart urtümliches – auf dem Mars und im Eis der Antarktis kaum verändertes – Gestein nun der Forschung zur Verfügung steht.

Über die Dauer der Weltraum-Odyssee geben andere Isotope Auskunft: Helium-3, Neon-21 und Argon-38. Im All wird ein Meteorit mit kosmischer Strahlung und anderen energiereichen Teilchen bombardiert, die durch Wechselwirkung mit bestimmten Atomkernen des Meteoriten die drei genannten Isotope erzeugen. Aus deren Häufigkeiten und Entstehungsraten läßt sich bestimmen, wie lange der Meteorit dem kosmischen Beschuß ausgesetzt war. Demnach hat ALH84001 zwischen der Trennung vom Mars und dem Sturz in die Antarktis 16 Millionen Jahre im Weltraum verbracht.

Wie lange der Meteorit im antarktischen Eis lag, ermittelte A.J. Timothy Jull von der Universität von Arizona in Tucson durch Kohlenstoff-14-Datierung. Sind Silicate im Weltraum kosmischer Strahlung ausgesetzt, bildet sich Kohlenstoff-14. Mit der Zeit halten sich Bildung und Zerfall des Isotops die Waage, und der Meteorit ist gleichsam damit gesättigt. Doch wenn nach dem Sturz auf die Erde kein Kohlenstoff-14 mehr produziert wird, setzt sich nur noch der Zerfall fort; dadurch sinkt die Menge des Isotops in 5700 Jahren jeweils um die Hälfte. Aus dem Unterschied zwischen dem Sättigungsniveau und der in den Silicaten gemessenen Menge konnte Jull ermitteln, daß ALH84001 vor 13||000 Jahren auf der Erde einschlug.

Vom Augenblick seiner Entdeckung an erwies sich der Meteorit als außergewöhnlich. Die amerikanische Geologin Roberta Score fand ihn 1984 im Far-Western-Eisfeld der Allan-Hills-Region. An der seltsam blassen, grünlichgrauen Farbe erkannte sie, daß das Gestein eigenartig war. Wie sich herausstellte, besteht es zu 98 Prozent aus grobkörnigem Ortho-Pyroxen, einem Silicat der Zusammensetzung (Mg,Fe)SiO3. Auch sind kleinere Mengen von Maskelynit (NaAlSi3O8) vorhanden, einem glasigen Feldspat, Olivin mit der Formel (Mg,Fe)2SiO4, Chromit (FeCr2O4), Pyrit (FeS2) sowie Carbonat-Phasen und Schichtsilicate.


Die Bedeutung der Carbonate

Am interessantesten sind die Carbonate; sie bilden winzige Scheibchen mit 20 bis 250 Mikrometern Durchmesser und bedecken gleich plattgedrückten Kügelchen die Innenwände von Rissen im Meteoriten (Bild 2). Offenbar haben sie sich aus einer mit Kohlendioxid gesättigten Flüssigkeit abgeschieden, die durch die Risse in den Silicaten sickerte. Keiner der übrigen elf Mars-Meteoriten enthält solche Kügelchen.

Innerhalb der Carbonat-Scheibchen fanden wir mehrere einzigartige Merkmale, aus denen wir folgern, daß vor langer Zeit mikrobielle Organismen mit dem Gestein in Berührung kamen. Einzeln betrachtet ist keines dieser Merkmale ein starkes Indiz dafür. Doch ihr Zusammentreffen – noch dazu auf engstem Raum – läßt sie als Hinweis auf urtümliches Leben erscheinen.

Bei einer Gruppe von Indizien handelt es sich um winzige Eisenoxid- und Eisensulfid-Körnchen, die den von irdischen Bakterien gebildeten ähneln. Die zweite Gruppe besteht aus den organischen Kohlenstoffverbindungen in und auf den Kügelchen. Und schließlich sehen gewisse auffällige Strukturen innerhalb der Kügelchen fossilen Bakterien auf der Erde verblüffend ähnlich. Ein zusätzliches Indiz ist, daß die Kügelchen sich aus einer wasserreichen Flüssigkeit bei weniger als 100 Grad Celsius gebildet haben.

Zusammen mit Monica Grady vom British Museum of Natural History in London und Mitarbeitern der britischen Open University in Milton Keynes

haben Forscher vom Johnson-Raumfahrtzentrum der NASA erste Sauerstoff- und Kohlenstoff-Isotopenanalysen durchgeführt. Letztere ergaben, daß die Kügelchen deutlich mehr Kohlenstoff-13 enthalten als irdische Carbonate, aber gerade die richtige Menge für eine Herkunft vom Mars.

Irdischer Kohlenstoff besteht in der Regel zu 98,9 Prozent aus C-12 und zu 1,1 Prozent aus C-13. Doch verschiedene Reaktionen können dieses Verhältnis ändern. Zum Beispiel ist eine Kohlenstoffprobe, die einst – etwa in Pflanzen – biochemischen Prozessen unterworfen war, etwas reicher an C-12, während Kohlenstoff in Kalkstein eher mit C-13 angereichert ist. Der Kohlenstoff der Kügelchen in ALH84001 enthält jedoch merklich mehr C-13 als alle natürlichen irdischen Substanzen. Außerdem ist der Anreicherungsgrad verschieden von dem der übrigen elf Mars-Meteoriten. Daraus darf man schließen, daß der Kohlenstoff in den Kügelchen – im Unterschied zu den Spuren in den anderen Meteoriten – aus der Mars-Atmosphäre stammt.

Die Verteilung der Sauerstoff-Isotope in den Carbonaten gibt Aufschluß über die Temperatur, bei der diese Minerale sich einst gebildet haben. Das führt direkt auf die Frage, ob diese Temperatur mikrobielles Leben zuließ, denn irdische Organismen sind nur bis etwa 115 Grad lebensfähig. Den erwähnten Analysen zufolge sind die Kügelchen bei höchstens 100 Grad entstanden. Anfang 1997 erhärtete John W. Valley von der Universität von Wisconsin in Madison dieses Resultat anhand einer Ionenstrahl-Mikroanalyse.

Allerdings behauptet eine andere Arbeitsgruppe unter Ralph P. Harvey von der Case-Western-Reserve-Universität in Cleveland (Ohio) ebenfalls aufgrund einer Elektronenstrahl-Mikroanalyse, die Carbonate hätten sich bei einer viel höheren Temperatur von rund 700 Grad gebildet. Unserer Meinung nach stehen Harveys Ergebnisse in Widerspruch zu einer wachsenden Anzahl von Indizien für eine relativ niedrige Entstehungstemperatur.

Uns interessiert vor allem das Alter der Carbonate, denn damit ließe sich abschätzen, wann mikrobielles Leben in dem Gestein, das später zur Erde gelangte, vielleicht Spuren hinterließ. Doch wir wissen nur, daß die Carbonate in den Rissen des Meteoriten jedenfalls später als das Gestein selbst kristallisierten. Die bisherigen Schätzungen schwanken zwischen 1,3 und 3,6 Milliarden Jahren; für eine schlüssige Datierung der Kügelchen reichen die bisher gesammelten Daten nicht aus.




Vergleich mit irdischen Biomineralen

Die erste Indiziengruppe betrifft bestimmte Minerale, die in Art und Anordnung gewissen irdischen Biomineralen ähneln. Das Innere der Carbonat-Kügelchen ist reich an Magnesit (MgCO3) und Siderit (Spateisenstein, FeCO3) sowie geringen Anteilen an Calcium- und Mangancarbonaten. Doch außerdem findet man winzige Körnchen aus Magnetit (Fe3O4) und Sulfiden mit Seitenlängen von nur 10 bis 100 Nanometern (millionstel Millimetern). Die Magnetitkristalle sind würfel- oder tropfenförmig, aber teils auch von unregelmäßiger Gestalt. Einzelne Kristalle zeichnen sich durch eine gut erhaltene Struktur mit wenig Defekten oder Unreinheiten aus.

Eine kombinierte Analyse mittels hochauflösender Transmissions-Elektronenmikroskopie und energiedispersiver Röntgenspektroskopie zeigt, daß all diese Magnetite hinsichtlich Größe, Reinheit, Morphologie und Kristallstruktur mit den von irdischen Bakterien produzierten übereinstimmen.

Sogenannte Magnetofossilien – Magnetitpartikel, die zu fossilen Bakterien gehören – finden sich auf der Erde in unterschiedlichen Sedimenten und Böden; je nach ihrer Größe klassifiziert man sie als superparamagnetisch (bei weniger als 20 Nanometer Kantenlänge) oder ferromagnetisch mit nur einer Domäne (20 bis 100 Nanometer). Die Magnetite in ALH84001 sind zwischen 40 und 60 Nanometer groß.

Auf der Erde hat man Einzeldomänen-Magnetit in geologisch altem Kalkstein nachgewiesen und vermutet einen bakteriellen Ursprung. Seltsamerweise sind in ALH84001 manche Magnetite wie Perlen auf einer Kette angeordnet. Irdische Bakterien erzeugen oft genau dieses Muster, wenn sie aus Eisen und Sauerstoff, die sie aus dem Wasser aufgenommen haben, winzige Kristalle produzieren, die sich nach dem Magnetfeld der Erde ausrichten.


Organische Kohlenstoffverbindungen

Die zweite Indiziengruppe sind organische Kohlenstoffverbindungen. In den vergangenen Jahren hat man solche Moleküle nicht nur in den Mars-Meteoriten gefunden, sondern auch in Stücken, die nachweislich aus dem interplanetaren Asteroidengürtel stammen – und dort kann schwerlich Leben existiert haben. Dennoch lassen Art und relative Häufigkeit bestimmter organischer Moleküle in ALH84001 auf Lebensvorgänge schließen. Jedenfalls sind sie der erste Beweis, daß solche Moleküle zumindest früher einmal auf dem Mars vorkamen.

Wenn irdische Lebewesen sterben und sich zersetzen, entstehen Kohlenwasserstoffe, die innerhalb geologischer Zeiträume Kohle, Torf und Erdöl bilden. Viele gehören zur Klasse der polyzyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs), von denen es eine Unmenge verschiedener Verbindungen gibt. Ihr bloßes Vorhandensein ist noch kein Beweis für einstige biologische Vorgänge. Erst ihre Konzentration in den Carbonatkügelchen macht ihre Entdeckung so interessant.

In ALH84001 findet man die PAKs stets in Bereichen mit hohem Anteil an Carbonaten. Unserer Meinung nach sind die relativ einfachen Vertreter die Zersetzungsprodukte von Organismen, die in einer Flüssigkeit schwammen und bei der Bildung der Kügelchen eingeschlossen wurden. Im Jahre 1996 zeigte eine Arbeitsgruppe an der Open University, daß die Isotopenzusammensetzung des Kohlenstoffs in den Kügelchen auf Mikroben hinweist, die Methan verzehrten. Wenn sich das bestätigen sollte, wäre es eines der stärksten Indizien für biologische Aktivität, die der Stein vom Mars bisher zu bieten hat.

Im Rahmen unserer 1996 veröffentlichten Untersuchung hatten Richard N. Zare und Simon J. Clemett von der Stanford-Universität in Kalifornien mit einer extrem empfindlichen Analysenmethode gezeigt, daß ALH84001 nur relativ wenig unterschiedliche PAKs enthält, die samt und sonders auch in mikrobiellen Zersetzungsprodukten identifiziert worden sind. Vor allem fand man die PAKs tief im Meteoriten, und deswegen können sie kaum nachträgliche Verunreinigungen sein. Dies stützt die These, daß die Carbonate vom Mars stammen und Spuren urtümlichen Lebens enthalten.

Polyzyclische Kohlenwasserstoffe kommen in Autoabgasen vor, und man hat sie auch in Meteoriten, planetaren Staubpartikeln und sogar im interstellaren Raum nachgewiesen. Doch eine genaue Analyse der relativen Häufigkeit bestimmter PAKs in ALH84001 weist auf den Mars als Quelle hin.

Die optisch überzeugendsten Indizien dafür, daß zumindest Relikte von Mikroben mit dem Gestein in Berührung kamen, sind Objekte, die versteinerten Überresten von Mikroorganismen gleichen. Bei genauer Untersuchung der Carbonat-Kügelchen mit dem hochauflösenden Rasterelektronenmikroskop haben wir darin auffällig ovale oder röhrenförmige Körperchen gefunden (Bild 4). Mit rund 380 Nanometern Länge könnten sie versteinerte Überreste von Bakterien sein. Damit sich in einer normalen irdischen Bakterie alle erforderlichen Komponenten unterbringen lassen, muß sie offenbar mindestens 250 Nanometer lang sein. Weitere gekrümmte fädige Strukturen in den Kügelchen sind sogar 500 bis 700 Nanometer lang.


Umstrittene Nanofossilien

Doch andere Objekte sind zehnmal kleiner als irdische Bakterien – ovale Formen mit nur 40 bis 80 Nanometern Länge sowie Röhrchen, die 30 bis 170 Nanometer lang sind und 20 bis 40 Nanometer Durchmesser haben. Da normale Zellen oft winzige Fortsätze oder Anhängsel haben, sind einige dieser Strukturen möglicherweise Bruchstücke oder Bestandteile größerer Lebensformen.

Die zahlreichen ovalen und länglichen Strukturen im Marsstück stimmen morphologisch gut mit irdischen Nanobakterien überein. Diese nur 20 bis 400 Nanometer messenden Kleinstlebewesen sind bisher kaum erforscht. Doch versteinerte Bakterien, die man in Basaltproben aus einer Tiefbohrung im Becken des Columbia-Flusses im US-Bundesstaat Washington gefunden hat, gleichen den ovalen Strukturen im Meteorit (siehe "Leben im Tiefengestein" von James K. Fredrickson und Tullis C. Onstott, Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1996, Seite 66).

(Unterdessen ist die Kontroverse, ob es sich hier um Nanofossilien biologischen Ursprungs handelt, neu aufgeflammt. Auf Seite 454 der "Nature" vom 4. Dezember 1997 behaupten John P. Bradley vom Georgia Institute of Technology in Atlanta, Ralph P. Harvey von der Case-Western-Reserve-Universität und andere, die winzigsten länglichen Strukturen seien bloße Artefakte, die entstünden, wenn die Proben für elektronenmikroskopische Aufnahmen mit rund 10 Nanometer dicken Goldschichten bedampft werden. In einer Stellungnahme räumen David S. McKay und andere zwar ein, daß dieser Einwand für die kleinsten Strukturen zutreffen könnte, nicht aber für die größeren, gekrümmten Gebilde. Die Redaktion.)

Vor 4,5 Milliarden Jahren, als sich ALH84001 noch auf dem Mars befand, hatte der Planet eine dichtere Atmosphäre als heute und war feuchter und wärmer. Dennoch zeigt der Meteorit kaum Anzeichen für die Einwirkung von Wasser; ein Indiz wären Tonminerale, wie sie üblicherweise bei der Auslaugung des Bodens durch Regenwasser entstehen. Der Stein enthält aber nur winzige Spuren von Schichtsilicat-Tonen, die sich ebensogut in der Antarktis gebildet haben könnten.


Heutiges Leben auf dem Mars?

In früher Zeit gab es auf der Mars-Oberfläche Wasser in flüssiger Form, und vielleicht existiert noch heute unter dem Permafrost der Kryosphäre ein aktives Grundwassersystem (Bild 5). Falls seinerzeit tatsächlich an der Oberfläche Mikroorganismen entstanden sind, könnten sie sich später, als es dort für sie zu kalt und trocken wurde, in tiefere Regionen zurückgezogen haben. Auf dem Mars gibt es reichlich Basalte, die in den ersten 600 Millionen Jahren des Planeten durch das heftige Bombardement mit Meteoriten zweifellos Sprünge bekamen. Durch solche Risse mag flüssiges Wasser gesickert sein und Lebensformen beherbergt haben, die sich an die veränderten Bedingungen auf dem Planeten anpaßten; auch auf der Erde dienen dünne Spalten zwischen aufeinanderfolgenden Lavaströmen als Aquifere für Grundwasser, in dem Bakterien leben. Vielleicht haben sich zudem an heißen Quellen oder in Hydrothermalsystemen unter dem Marsboden – in Milieus, die den mineralreichen sogenannten Schwarzen Rauchern auf dem Meeresboden ähneln – Organismen entwickelt.

Falls die 3,6 Milliarden Jahre alten Carbonate in ALH84001 biologischen Ursprungs sind, ist es also durchaus möglich, daß auf dem Mars noch immer Leben existiert – vorausgesetzt, es findet unter der Oberfläche in den Poren eines Reservoirs Wasser vor (Bild 3).

Die bisherigen Analysen lassen sich jedenfalls mit der Hypothese vereinbaren, daß die Carbonat-Kügelchen Spuren urzeitlichen mikrobiellen Lebens enthalten. Wir hoffen, daß im Jahre 2005 eine Mars-Mission zustande kommen wird, bei der Roboter Steine und Bodenproben einsammeln und zweieinhalb Jahre später zur Erde zurückbringen sollen. Für den Start von der Mars-Oberfläche und die Rückkehr zur Erde wird diese revolutionäre Mission möglicherweise Sauerstoff nutzen, der zuvor aus dem Kohlendioxid der Mars-Atmosphäre gewonnen wurde. Vielleicht werden wir dann endlich erfahren, ob auf dem Mars wirklich einst Organismen entstanden sind. Damit wiederum kämen wir der Lösung der großen Frage näher: Wie verbreitet ist Leben im Universum?


Literaturhinweise

Spezial: Leben und Kosmos. Spektrum der Wissenschaft, Heidelberg 1994.

Mars. Herausgegeben von Hugh H. Kieffer, Bruce M. Jakosky, Conway W. Snyder und Mildred S. Matthews. University of Arizona Press, 1992.

What We Have Learned about Mars from SNC Meteorites. Von Harry Y. McSween, Jr., in: Meteorites, Band 29, Heft 6, Seiten 757 bis 779, November 1994.

Search for Past Life on Mars: Possible Relic Biogenic Activity in Martian Meteorite ALH84001. Von David S. McKay und anderen in: Science, Band 273, Seiten 924 bis 930, 16. August 1996.

Water on Mars. Von Michael H. Carr. Oxford University Press, 1996.

Destination Mars: In Art, Myth and Science. Von Jay Barbree, Martin Caidin und Susan Wright. Penguin Studio, 1997.

Informationen über ALH84001 und andere SNC-Meteoriten sind im Internet unter

http://wwwcurator.jsc.nasa.gov/curator/antmet/antmet.htm zu finden.


Kasten S. 74:

Im Jahre 1969 entdeckten japanische Gletscherforscher nahe den Yamamoto-Bergen in der Antarktis acht Meteoriten in einem mehr als 10000 Jahre alten Eisfeld. Die Funde waren so verschieden, daß sie nicht Bruchstücke ein und desselben Einschlagkörpers sein konnten.

Seither hat man mehr als 17000 Meteoriten geborgen. Die allermeisten stammen aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter, doch für 14 von ihnen hat man den Mond und für sechs den Mars als Ursprungsort identifiziert.

Da Meteoriten gewissermaßen gratis geliefert werden, hat man sie gelegentlich die Raumsonden des armen Mannes genannt. Vor der Entdeckung der antarktischen Lagerstätten wa- ren auf der ganzen Welt nur 2000 bis 2500 Exemplare gefunden worden.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1998, Seite 70
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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