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Legalisierte Drittmittel oder Korruption?

Warum ein Bonner Mediziner wegen Bestechlichkeit verklagt wurde


Wer an einer deutschen Universität sehr Gutes oder gar Außergewöhnliches leistet, wobei ihm Sponsoren mit Stipendien oder anderen liquiden Mitteln geholfen haben, kann sehr schnell akademisches und staatliches Verdikt auf sich ziehen. Wo kämen wir denn auch hin, wenn wir die Förderung einer Elite auch noch belohnten? Die soll gefälligst bei Stellenbesetzungen ganz hinten anstehen, darf keineswegs mit dem akademischen Renommee und der guten Geräteausstattung glänzen, die sie – igitt! – mit Drittmitteln, also mit fremder Hilfe erwarb.

Es ist zwar schon einige Jahre her, aber typisch für universitären Futterneid, was eine junge ostdeutsche Postdoktorandin erlebte: Mit dem Stipendium einer Stiftung hatte sie sich in Westdeutschland auf eine Professur an ihrer Heimathochschule vorbereitet. Diese sah sie zwar als hoch qualifiziert an, berief sie aber trotzdem nicht. Der Grund: Sie bringe von ihrem Westaufenthalt bessere Voraussetzungen mit als die anderen Bewerber. Um diesen gleiche Chancen zu eröffnen, müsse man die ehemalige Stipendiatin eben aus dem Berufungsprozess herausnehmen.

Mit ähnlichen Argumenten geht seit der Neufassung der Korruptionsparagrafen des Strafgesetzbuches im Jahre 1997 die Staatsanwaltschaft in ganz Deutschland gegen Medizinprofessoren vor, deren Klinik für ihre Forschung Mittel von der Industrie erhält. In Bonn wollte sie kürzlich den Direktor der Klinik für Nuklearmedizin, Hans-Jürgen Biersack, wegen Bestechlichkeit anklagen.

Was war geschehen? Biersack hatte zwischen 1991 und 1999 bei mehreren Pharmafirmen rund zwei Millionen Mark eingeworben. Sie wurden auf dem Drittmittelkonto der Medizinischen Einrichtungen Bonn gutgeschrieben. Dort konnte er sie für Forschungsvorhaben abrufen. Die Staatsanwaltschaft folgerte daraus, Biersack habe "durch die Verbesserung der Ausstattung seiner Klinik" mit Hilfe von Drittmitteln aus der Industrie seinen persönlichen Ruf als Wissenschaftler und Klinikchef verbessert. Damit habe er sich einen unzulässigen Vorteil erwirtschaftet. Das ist von ähnlicher Qualität wie das missgünstige Verhalten der ostdeutschen wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät gegenüber der im Westen weitergebildeten Postdoktorandin.

Freilich ging die Bonner Affäre letzten Februar positiver aus: Die große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts nahm die Klage in diesem Punkt nicht an, weil "angesichts der den Klinikleitern durch die Hochschulgesetze auferlegten Pflichten zur Einwerbung von privaten Mitteln zum Zwecke der Forschung der so genannte mittelbare Vorteil des Klinikleiters keine strafrechtliche Bedeutung haben kann". Er hatte auch nicht – wie andernorts etwa im so genannten "Herzklappenskandal" geschehen – mit den Firmen Geschäfte zu überhöhten Preisen gemacht.

Der Widerspruch zwischen den Bestechungsparagrafen und dem Hochschulgesetz ist offenkundig: Nach dem Strafgesetzbuch ist bestechlich und kann zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, wer ganz generell "für die Dienstausübung" einen Vorteil annimmt. Hochschulrechtlich aber gehört die Forschung mit Mitteln Dritter zu den dienstlichen Aufgaben der Hochschullehrer.

Verzweifelt versuchen jetzt die Beteiligten, die Diskrepanz aufzulösen. Ein Runderlass des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministeriums soll klinische Forschung mit Regelungen ermöglichen, die das bundesweit gültige Strafgesetzbuch erheblich aufweichen: Forschungsverträge mit Dritten müssen die Hochschule als Vertragspartner ausweisen, dem Sponsoring muss der Rektor zustimmen, Beschaffungen dürfen nicht davon abhängen, ob die Klinik vom Lieferanten Drittmittel erhält.

Überzeugender wäre es allerdings, folgte man einem Vorschlag der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften und des Hochschulverbandes und änderte das Strafgesetzbuch selbst in diesem Sinne. Diese Einrichtungen haben auch in einem "gemeinsamen Standpunkt zur strafrechtlichen Bewertung der Zusammenarbeit zwischen Industrie, medizinischen Einrichtungen und deren Mitarbeitern" im Oktober 2000 die gesamte Problematik ausführlich dargestellt. Denn ohne Drittmittel der Wirtschaft wäre klinische Forschung in Deutschland kaum möglich.

Transparenz und Öffentlichkeit im Drittmittelbereich verlangt auch die sehr kritische Organisation "Transparency International". Sie geht noch einen Schritt weiter: Staat und Hochschulen sollen eine von der Pharmaindustrie unabhängige klinisch-therapeutische Forschung aufbauen, in den medizinischen Fachpublikationen dürften Werbung und Wissenschaft künftig nicht mehr vermischt werden. Im Gesundheitswesen sei es die "Gesamtstruktur, deren Intransparenz möglicherweise Einfallstore für Korruption bietet".

Freilich geht es nicht nur um die strafrechtliche Bewertung von Bestechung und Bestechlichkeit. Wie der Fall der ostdeutschen Wirtschaftswissenschaftlerin und die Argumentation der Bonner Staatsanwaltschaft im Fall Biersack deutlich machen, steckt dahinter auch eine gehörige Portion Missgunst und Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den Erfolgreichen – keine gute Basis für die allenthalben gewünschte Förderung innovationsfähiger Eliten.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2001, Seite 105
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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