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Leitfähige Kunststoffe: Spannung im Labor - zögerlicher Markt

Polymere gehören mittlerweile zu den meistverwendeten Werkstoffen. Sie sind kostengünstig in fast beliebigen Formen zu fertigen und lassen sich hinsichtlich ihrer Zusammensetzung auf unterschiedliche Anwendungen hin optimieren. Wäre es möglich, ihnen auch die Fähigkeit zu geben, elektrischen Strom zu leiten, könnten sie mit Metallen und anorganischen Halbleitern in der Elektronik und anderen industriellen Bereichen konkurieren. Doch die anfängliche Euphorie Ende der siebziger Jahre ist nüchterner Forschung gewichen. Zwar gibt es nun schon erste Produkte und eine ganze Reihe von Prototypen weiterer, doch sind es keineswegs spektakuläre Anwendungen wie der wandfüllende oder der aufrollbare Bildschirm, sondern Antikorrosionsbeschichtungen und Lechtdioden, die bald oder in naher Zukunft auf den Markt kommen. Auch die Mechanismen der Stromleitung sind teilweise noch nicht geklärt.

Daß auch manche Polymere Strom zu leiten vermögen, entdeckte der japanische Wissenschaftler Hideki Shirakawa am Technologie-Institut von Tokio per Zufall Anfang der siebziger Jahre. Bei der Herstellung von Polyacetylen mischte er versehentlich etwa tausendmal mehr Katalysator zur Rezeptur als vorgesehen. Es entstand ein silbrig glänzender Film, im Aussehen einer Aluminiumfolie ähnlich, dabei aber dehnbar.

Shirakawa ging 1977 nach Philadelphia an die Universität von Pennsylvania, um gemeinsam mit Alan G. MacDiarmid und Alan J. Heeger zu untersuchen, ob sich das Material zur Herstellung von intrinsisch – von sich aus – elektrisch leitfähigem Kunststoff eigne (bis dahin hatte man zu diesem Zweck Rußteilchen untergemischt, die nach allgemeiner Vorstellung das Polymer selbst nicht veränderten). Tatsächlich gelang es dem Team, die Leitfähigkeit des Polyacetylens durch Zugabe von Iod sprunghaft um einen Faktor von mehreren Millionen zu steigern.

Daß es damit möglich schien, eine Art flexibler synthetischer Metalle in Massen kostengünstig zu produzieren, inspirierte Zukunftsvisionen von transparenten elektrischen Schaltkreisen, künstlichen Muskeln und aufrollbaren Displays. Mittlerweile gibt es Prototypen solcher Materialien und Anwendungen, etwa Leuchtdioden (light emitting diodes, LEDss) und Korrosionsschutzbeschichtungen für Karosserieteile sowie Transistoren aus Kunststoff. Günstige Vermarktungschancen sehen Fachleute insbesondere für alltägliche Anwendungen wie antistatische Beschichtungen, elektromagnetische Abschirmungen oder Lichtquellen für Spielzeuge und Anzeigen für Mikrowellenöfen (Bild 1). Die neuartigen Materialien scheinen so vielsprechend, daß zu ihrer weiteren Entwicklung und der Integration in Produkte Unternehmen mit Hochschulen kooperieren und Wissenschaftler bereits eigene Firmen gründen.

Allerdings werden sich auch bei dieser Innovation Investitionen nur dann lohnen, wenn die Leistungsfähigkeit der Erzeugnisse deutlich besser als die bereits existierender ist. Flachbildschirme und Leuchtdioden aus organischem Material müssen den Wettbewerb mit bewährten Baugruppen aus anorganischen Flüssigkristallen und Halbleitern bestehen. Weil aber Kunststoffe und Elektronik integrale Komponenten moderner Technik sind, scheint Optimismus durchaus angebracht.


Dotierte Polymere

Aus Polymeren bestehen all die vertrauten Kunststoffteile und Synthesefasern: aus großen organischen Molekülen, die aus kleineren Einheiten zu langen Ketten verknüpft werden. Normalerweise wirken sie elektrisch isolierend, weil anders als bei Metallen keine freien Elektronen für den Transport elektrischer Ladung zur Verfügung stehen; vielmehr befinden sich gebundene Elektronen in recht niedrigen Energieniveaus. Um diese Stoffe leitend zu machen, muß man sie – wie bei Halbleitern üblich – mit Fremdatomen dotieren.

Der Mechanismus, nach dem dabei Leitfähigkeit entsteht, ist aber komplexer und nicht einfach durch das Einbringen zusätzlicher Valenzelektronen oder das Erzeugen positiver Ladungen (sogenannter Löcher) im Material zu erklären. Wichtig sind vor allem die Bindungsverhältnisse in der Polymerkette, in der benachbarte Kohlenstoffatome abwechselnd durch Einfach- und Doppelbindungen verknüpft sind. Nach einem sehr einfachen theoretischen Modell wird durch die Dotierung der Kette ein (negativ geladenes) Elektron entnommen, so daß eine positive Ladung entsteht, die bei Anlegen einer äußeren Spannung als elektrischer Strom schnell die Kette entlangwandert.

Mittlerweile hat man weitere Polymere gefunden, die bei entsprechender Dotierung elektrisch leitend werden; vor allem Polypyrrol, Polythiophen und Polyanilin werden intensiv untersucht. Zwar kennt man die genauen physikalischen Leitungsmechanismen noch nicht, doch scheinen die Reinheit und insbesondere die Anordnung der Polymerketten entscheidend zu sein. So läßt sich heute die Leitfähigkeit von Polyacetylen routinemäßig durch Strecken von ursprünglich 60 auf 50000 Siemens pro Zentimeter steigern. Einigen Forschergruppen ist es sogar gelungen, etwa ein Viertel der Leitfähigkeit von Kupfer (596 Millionen Siemens pro Zentimeter) zu erreichen. Interessanter als Rekordwerte ist freilich, daß man diesen Parameter gezielt einzuzustellen vermag.

Obwohl andere Polymere leitfähiger sind, dürfte Polyanilin für viele Anwendungen das Material der Wahl sein. Es ist eine der ältesten synthetischen Substanzen dieser Art; deshalb sind seine Eigenschaften bereits sehr gut bekannt. Es läßt sich leicht und in verschiedenen Formen produzieren, so als dünner Film oder mit strukturierten Oberflächen, und ist an der Luft stabil sowie in seinen elektrischen Eigenschaften einfach zu kontrollieren; vor allem aber ist es derzeit der preiswerteste unter den verfügbaren leitfähigen Kunststoffen (Bild 2).

Polyanilin wird bei einer maximalen Leitfähigkeit von 500 Siemens pro Zentimeter sicherlich keine Kupferverdrahtungen ersetzen können, zumal diese nur halb soviel kosten. Trotzdem sind die elektrischen Charakteristika für einige Anwendungen mehr als ausreichend und lassen Konkurrenzfähigkeit bei Produkten erwarten, die schwierig herzustellen sind. Ein Koaxialkabel beispielsweise, erläutert Andy Monkman von der Universität Durham (England), erhält seine Flexibilität durch die den Leiter umschließende Litze, die aus Kupfer zu weben sehr zeitintensiv ist; würde man sie statt dessen aus Kunststoff strangpressen und gleichzeitig die Isolierung über das Kabel legen, wäre die Herstellung zehnmal so schnell und entsprechend kostengünstiger. Monkmans Team prüft nun dieses Konzept im Auftrag eines Kabelherstellers. Erweist es sich innerhalb der nächsten drei Jahre als praktikabel, soll die Produktion anlaufen – wenn nicht, wird die Untersuchung eingestellt.

Schutz vor elektrostatischer Aufladung

Obwohl leitende organische Materialien im Prinzip für fast alle elektrischen Anwendungen eingesetzt werden könnten, bietet die Festkörper-Elektronik wahrscheinlich die meisten Möglichkeiten. Marie Angelopoulos, Wissenschaftlerin am Thomas-J.-Watson-Forschungszentrum der IBM in Yorktown Heights (New York), sieht die größten Marktchancen insbesondere für Beschichtungen und Gehäuse zum Schutz vor hohen Spannungen durch elektrostatische Aufladung.

Derzeit verwendet man dazu Materialien, die ionische Salze oder mit Kohlenstoff beziehungsweise Metallen angereicherte Kunstharze enthalten. Doch ist die Leitfähigkeit ionischer Substanzen häufig gering und nicht stabil, Metalle sind teuer und schwer; Kohlenstoff zu verwenden ist wiederum riskant, weil er beim Transport abgerieben werden und die Schaltungen kontaminieren kann. Polymere wären einfacher zu handhaben und könnten elektrische Ladungen wirksamer ableiten. Beschichtungen aus Polyanilin wären zudem hochtransparent; IBM plant, ein entsprechendes Produkt – PanAquas genannt – noch vor Jahres-ende auf den Markt zu bringen.

Leitfähige Polymere sind auch für elektromagnetische Abschirmungen optimal geeignet, die ein Übersprechen elektrischer Signale zwischen benachbarten Geräten verhindern sollen (etwa die Störung der Datenübertragung in Flugzeugen durch Handtelephone und tragbare Computer). Herkömmlich nutzt man dazu imprägnierte Kohlenstoff- oder Metallteile, die das Basismaterial an Biegestellen aber eventuell beschädigen. Eingebaut in die Kunststoffgehäuse elektronischer Geräte, könnten elektrisch leitende Polymere ohne solche mechanischen Probleme vor Störsignalen schützen. Gegenwärtig wäre das zwar noch teurer als in konventioneller Bauweise, doch lassen sich die Polymere vermutlich mit preiswerteren Substanzen wie etwa Nylon mischen und somit die erforderlichen Mengen reduzieren.

Des weiteren ist das Polyanilin von IBM wasserlöslich und damit umweltverträglich zu verarbeiten. Sofern es gelänge, die Leitfähigkeit um das Vierfache zu steigern, könnte es bleihaltigen Lötzinn ersetzen, der schon in vielen Ländern beim Verschrotten oder Recyceln ausgedienter Schaltungsplatinen aufwendig entfernt werden muß.


Transistoren aus Kunststoff

Ideal für Anwendungen in der Elektronik wären gänzlich aus Polymeren bestehende Bauelemente. Mittels herkömmlicher Produktionsverfahren für gedruckte Schaltungen gelang es Francis Garnier am Laboratorium für molekulare Werkstoffe des französischen Nationalen Zentrums für wissenschaftliche Forschung in Thiais, erstmals einen solchen Transistor herzustellen. Aus dem Basismaterial Sexithiophen, das aus nur sechs Thiopen-Einheiten besteht, fertigte er einen vollkommen biegsamen Dünnfilm-Feldeffekt-Transistor (also einen unipolaren Transistor, aufgebaut aus einer dünnen, normalerweise aus Halbleitermaterial bestehenden Schicht auf einem isolierenden Substrat und mit einer aufgedampften metallischen Steuerelektrode). Verdrillen, Rollen oder sogar rechtwinkliges Biegen hatten keinen Einfluß auf die elektrischen Eigenschaften des Bauelements.

Allerdings eignet sich dieser Transistor nicht – alternativ zu solchen aus Silicium – für die Konstruktion von Computern: Sie wären etwa tausendfach langsamer als herkömmliche, da sich Elektronen in kristallinem Silicium um ein Vielfaches schneller zu bewegen vermögen. Hingegen ist hohe Schaltgeschwindigkeit etwa für Flachbildschirme an Videokameras keine entscheidende Forderung; derzeit verwendet man für deren Schaltkreise amorphes Silicium, weil es deutlich preisgünstiger zu verarbeiten ist als kristallines und sich damit unterschiedliche Träger – wie Glas – beschichten lassen. Damit kann Garniers Polymer-Transistor fast schon konkurrieren.

Ein solches Bauelement aus organischem Halbleitermaterial würde auch manche Probleme von Flüssigkristall-Anzeigen (liquid crystal displays, LCDs) lösen, der dominierenden Technik bei der Entwicklung von Flachbildschirmen. Gegenwärtig schließt man kristallin wirkende Flüssigkeiten, also stäbchenförmige und parallel orientierbare Moleküle, zwischen zwei Glasplatten ein und beleuchtet sie von der Rückseite des Bildschirms. Die zunächst wahllos angeordneten Stäbchen beeinflussen das polarisierte Licht nicht; es kann einen entsprechend orientierten Polarisationsfilter passieren. Legt man nun eine ausreichend hohe Spannung an, richten sich die länglichen und damit ungleich geladenen Moleküle im Feld aus und drehen die Polarisationsebene – an dieser Stelle dringt kein Licht durch den Filter, und der Bildpunkt bleibt dunkel.

Bei sogenannten Passiv-Matrixdisplays erzeugt man die Steuerspannungen der Pixel (einzelner Zellen mit Flüssigkristallen) mittels eines Netzes von Drähten: An ihren Kreuzungspunkten überschreitet die Spannung den Schwellenwert zur Orientierungsänderung der Stäbchen. Genauer und deshalb besser auflösend sowie kontrastreicher arbeiten hingegen Aktiv-Matrixanzeigen, die jedes Pixel mittels eines integrierten Dünnschicht-Transistors ansteuern. Ein derart aufgebauter Farbbildschirm mit einer Größe von 20 Zoll (entsprechend 50,8 Zentimetern) in der Diagonalen umfaßt freilich mehr als zwei Millionen Pixel; dementsprechend aufwendig und teuer ist die Herstellung. Zudem genügen bereits wenige nicht-funktionierende Transistoren, um das empfindliche menschliche Auge zu stören. Die resultierende hohe Ausschußquote erhöht den Preis solcher Bildschirme weiter.

Derartige Steuerschaltkreise aus organischem Material sollten kostengünstiger und zudem in größeren geometrischen Ausmaßen zu produzieren sein. Sie ließen sich bei niedrigeren Temperaturen herstellen und wären weniger empfindlich gegen Verunreinigungen bei der Verarbeitung. Zudem dürfte man aus leitenden Polymeren ganz neuartige Displays entwickeln können, weil man ihre Eigenschaften wie Flexibilität und Transparenz auf die Anwendung abzustimmen vermag. Durchsichtige Elektronik würde Anzeigen direkt im Blickfeld beispielsweise auf Windschutzscheiben oder Schutzhelmvisieren ermöglichen.


Leuchtende Polymere

Leichte und robuste Bildschirme sind die am häufigsten propagierte Anwendung. Doch könnte auch ein bescheidenerer Zwischenschritt sehr lukrativ werden – die Entwicklung von Leuchtdioden aus Polymeren.

Derzeit werden sie aus unterschiedlich dotierten Schichten von anorganischem Halbleitermaterial, zumeist Galliumarsenid, hergestellt. Bei Anlegen einer Spannung wandern entsprechend ihrer Dotierung in der einen Elektronen, in der anderen Löcher (unbesetzte Elektronenplätze). Die Ladungsträger treffen in der Grenzschicht aufeinander und rekombinieren, wobei Energie in Form von Licht frei wird. Dessen Farbe hängt von dem Halbleitermaterial und der Art der Dotierung ab (genauer gesagt von der Energielücke zwischen dem Leitungsband der freien Elektronen und dem Energieniveau der Löcher; je größer sie ist, desto kurzwelliger ist das emittierte Licht). Am einfachsten lassen sich grün oder rot leuchtende LEDs verfertigen (Bild 3). Von organischen Werkstoffen verspricht man sich wiederum eine deutliche Kostensenkung in der Produktion, vor allem durch eine Verringerung der erforderlichen Kontakte und Verbindungsleitungen.

So muß man etwa für Digitalanzeigen von Mikrowellenöfen, Uhren oder Videogeräten mehrere herkömmliche LEDs zu Gruppenbausteinen zusammenfassen, da man einzelne lediglich so groß herstellen kann, wie sich Galliumarsenidkristalle ziehen lassen – bis zu einem Durchmesser von ungefähr 15 Zentimetern. Deshalb benötigt man oft relativ komplexe Schaltungen; so sind für die Darstellung eines gut lesbaren Buchstabens typischerweise 35 Leuchtdioden erforderlich. Demgegenüber ließen sich organische Polymerfilme in beliebiger Größe auslegen; und zudem kostete das Rohmaterial deutlich weniger. Gelänge es, entsprechende polymere Filme zu hochauflösenden Matrizen zu strukturieren, wären solche LED-Displays eine Alternative zum Flüssigkristall-Bildschirm.

Der Arbeitsgruppe von Ching W. Tang bei dem amerikanischen Unternehmen Eastman Kodak berichtete bereits 1987, daß ein Film aus Aluminium-8-hydroxychinolin (Alq), einem kleineren organischen Molekül mit kristallinem statt langkettigem Aufbau, grünes und oranges Licht ausstrahlt. Seither ließen sich praktisch alle Farben des sichtbaren Spektrums durch Variation der organischen Dünnfilmschicht erzeugen. Der Wirkungsgrad ist mittlerweile dem gewöhnlicher Glühbirnen vergleichbar, die Einsatzdauer hingegen mit mehr als 10000 Stunden etwa zehnmal so groß. Gegenwärtig ist die Leistung für die Verwendung anstatt von Flüssigkristall-Komponenten in Bildschirmen noch zu gering, aber für Punktmatrixanzeigen beispielsweise in Taschenrechnern oder Mikrowellenöfen wäre sie schon ausreichend und – nach Einschätzung der Entwickler – marktreif.

Derartige Lichtquellen könnten auch zur Hintergrundbeleuchtung von Flüssigkristall-Anzeigen verwendet werden. Im März dieses Jahres präsentierten Junji Kido und seine Kollegen von der Universität Yamagata (Japan) eine aus diesem Material hergestellte Diode, die aus drei verschiedenen Schichten aufgebaut ist; sie emittieren rotes, grünes beziehungsweise blaues und in der Summe weißes Licht. Die Intensität beträgt derzeit ein Viertel der von gewöhnlichen Leuchtstofflampen, der Wirkungsgrad nur etwa 0,5 Lumen pro Watt gegenüber 15 bis 20 bei typischen Hintergrundlichtquellen von Bildschirmen.

Verbesserungen könnte die von Ananth Dodabalapur und seinen Kollegen im letzten Jahr bei den amerikanischen Bell Laboratorien entwickelte Architektur bringen: Schichten von Alq und passivem Material zwischen zwei reflektierenden Oberflächen. Auf diese Weise erhält man einen Fabry-Perot-Resonator, die grundlegende Struktur der meisten Laser (die französischen Physiker Charles Fabry (1867 bis 1945) und Alfred Pérot (1863 bis 1925) hatten ein nach ihnen benanntes Interferometer entwickelt, das scharfe Interferenzen durch mehrfache Reflexion des einfallenden Lichts an parallelen Glasplatten erzeugt). Das vom Alq emittierte Licht wird hin und her reflektiert und dabei verstärkt, bis es schließlich an einem Resonatorende die Spiegelschicht durchdringt; echte Laser-Emission findet allerdings bislang nicht statt.

Das Material emittiert in allen Farben, am intensivsten im grünen Spektralbereich. Durch Variation der Dicke einer der beiden passiven Schichten vermag man Wellenlängen zu unterdrücken oder alle Farben bis zum Weiß hervorzubringen. Weil das Licht nur auf einer Seite austritt, erreicht den Betrachter ein größerer Anteil als bei den konventionellen Diodenkonstruktionen, die es in alle Richtungen aussenden.

Die potentiell höhere Effizienz verbessert möglicherweise gleichzeitig die Gebrauchsdauer der LEDs. Der nicht in Licht umgesetzte elektrische Leistungsanteil wird nämlich in Wärme umgewandelt, die das allmähliche Versagen der Diode beschleunigt. Eine Mikroresonator-LED verbraucht weniger Strom für die gleiche Lichtmenge und sollte mithin länger halten.

Andere Forschungsgruppen sind dabei, Leuchtdioden aus größeren organischen Molekülen zu entwickeln. Meistens verwendet man dabei Poly-p-phenylen-vinylen (PPV) oder dessen Derivate. Richard H. Friend vom Cavendish-Laboratorium in Cambridge (England) entdeckte 1990 dessen grün-gelblichen Schein, als er das Material mit Metallelektroden verband. Mittlerweile nutzen Wissenschaftler auch andere Polymere und flexible Metallträger; die Bestmarke liegt bei einer Strahlungsleistung von 2,5 Lumen pro Watt und 10 Volt Betriebsspannung – damit sind solche LEDs etwa so hell wie die Leuchtstofflampen von Flüssigkristall-Anzeigen. Durch Manipulation der chemischen Zusammensetzung von PPV lassen sich sämtliche Farben erzeugen.

Allerdings wandeln die meisten Polymer-LEDs derzeit nicht mehr als vier Prozent der elektrischen Energie in Licht um, der Rest geht als Wärme verloren. Ein Grund dafür könnten unerwünschte Nebenreaktionen während der Herstellung sein, welche die Polymerkette schädigen und somit das Leuchtvermögen beeinträchtigen. Außerdem ist die Materialauswahl entscheidend, denn die Energiebänder der Elektroden müssen zu denen des Kunststoffs passen, sollen freie Elektronen in dessen Leitungsband injiziert werden. Den genannten Wirkungsgrad erreichten die Wissenschaftler aus Cambridge durch zwei Schichten verschiedener Kunststoffe: Der eine ist energetisch ähnlich strukturiert wie viele Metalle, der andere paßt gut zu einem Indium-Zinn-Kontakt, der die positiven Ladungsträger beisteuert.

Wegen der hohen Verlustwärme und der entsprechend hohen erforderlichen Spannung ist die Haltbarkeit sehr begrenzt – die meisten PPV-Dioden leuchten nur einige hundert Stunden, während 2000 bis 10000 erwünscht wären. Auch ist ihre Lagerfähigkeit auf wenige Monate begrenzt, weil das organische Material mit dem Sauerstoff und Wasserdampf der Luft reagiert; dem könnten bessere Umhüllungen abhelfen. Trotzdem reichen Helligkeit und Wirkungsgrad der Polymer-LEDs schon fast für einige Anwendungen aus; wie die aus Alq werden auch sie wahrscheinlich zunächst in Leuchten für Spielzeuge, Uhren und Werbeartikel zum Einsatz kommen.

In Japan konzentriert man sich weitgehend auf die aus kleinen organischen Molekülen aufgebauten Emitter. Allerdings dürfte es einfacher sein, in Lösungen mit den entsprechenden Grundsubstanzen LEDs direkt zu polymerisieren, als Trägersubstanzen unter Vakuum mit Alq zu beschichten.


Perspektiven

Ob es künftig Kunststoff-LEDs geben wird, hängt davon ab, wie kostengünstig sie sich herstellen lassen, denn die herkömmliche Technik hat einen sehr hohen Stand erreicht: Als Anzeigeleuchten kosten anorganische LEDs nur Pfennige, als Hintergrundleuchten sind Standard-Leuchtstofflampen hervorragende Lichtquellen. Die Farbpalette der organischen Komponenten könnte sich als ebenso unwichtig herausstellen wie ihre Flexibilität, sofern entsprechende Anwendungen nicht gefragt oder zu teuer sind.

Es gibt genug Grund, skeptisch zu sein. Die ersten kommerziellen Produkte mit elektrisch leitenden Polymeren taten noch keine neue Marktnische auf. So boten die japanischen Firmen Bridgestone und Seiko Ende der achtziger Jahre eine wiederaufladbare Knopfzelle mit einer Polyanilin- und einer Lithiumelektrode an; doch obwohl sie länger lagerfähig waren als solche mit Blei oder Nickelcadmium, schien der technische Vorteil nicht deutlich genug, um Investitionen in Produktionsanlagen zu begründen.

Sogar elektrisch leitende Polymere, die regional Abnehmer finden, sind unter Umständen für die Massenfertigung finanziell nicht interessant genug. Bevor IBM seine antistatische Sprühbeschichtung ankündigte, lieferte das Unternehmen Allied-Signal schon ein entsprechendes Produkt, allerdings als Dispersivpulver. Zwar verwendeten es einige Firmen als Zusatz etwa in Farben oder Beschichtungen, doch blieb das Verkaufsvolumen insgesamt zu gering, und die Produktion wurde mittlerweile wieder eingestellt.

Die Pioniere auf dem Gebiet der elektrisch leitenden Kunststoffe entmutigt das nicht, zumal sie auch Möglichkeiten jenseits der Elektronik sehen. So ließen sich mit pulverförmigem Polyanilin andere Kunststoffe verbinden: Das elektrisch leitende Polymer absorbiert die Strahlungsenergie eines gewöhnlichen Mikrowellenofens und schmilzt, wodurch es die Teile wie aus einem Guß zusammenfügt. Des weiteren sind mikromechanische Aktoren aus Kunststoff denkbar. Zwei miteinander verbundene Polymere unterschiedlicher Leitfähigkeiten biegen sich bei Stromfluß ähnlich wie Bimetallstreifen in Thermostaten bei Temperaturänderung, und zwar wesentlich stärker unter weit geringerem Strom als herkömmliche piezoelektrische oder elektrostatische Elemente.

Es mangelt gewiß nicht an Phantasie, und unmittelbare Anwendungen sind realisierbar. Aber im Wettbewerb mit bewährten herkömmlichen Verfahren könnten sich Visionen wie die von großen Bildschirmanzeigen, die man wie eine Zeitung zusammenrollen und unter den Arm zu klemmen vermag, einstweilen als Illusion erweisen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1995, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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