Direkt zum Inhalt

Luftfahrt: Lichtleiter geben Sicherheit

Elektronische Systeme machen das Fliegen sicherer, doch mit ihrer Anzahl wächst auch die der elektrischen Steckverbindungen. Da lohnt ein Umweg über Lichtleiter.


Es ist dunkel und neblig, die Sichtweite beträgt keine hundert Meter, trotzdem findet der Pilot mittels Funkfeuer und anderer Elemente moderner Navigationstechnik seinen Weg durch die Nacht. Diverse Instrumente zeigen den Zustand der Triebwerke an, den Kabinendruck, die Treibstoffversorgung und vieles mehr. Ein Routineflug. Plötzlich sackt die Maschine ab und wird von einer heftigen Böe geschüttelt. Der erfahrene Pilot kann das Flugzeug zwar unter Kontrolle halten, doch einige Instrumente sind ausgefallen, die Position ist plötzlich unklar.

In diesem Szenario war vielleicht eine gelockerte Steckverbindung die Ursache. Denn all die elektronischen Systeme, die das Fliegen sicherer machen sollen, müssen miteinander kommunizieren. Das geschieht nach wie vor über mechanisch vermittelte Kontakte.

Von denen gibt es nicht wenige, allein jeder Computer an Bord bedingt eine Vielzahl davon, um die hohen Datenraten zu bewältigen. Denn wenn ein Prozessor in absehbarer Zukunft – wie sein Kollege in einem heute üblichen PC – Befehle mit einer Taktrate von einem Gigahertz abarbeitet, erfolgt die An- und Abfuhr der Bits und Bytes sehr viel langsamer, nämlich mit 33 oder 40 Megahertz (nach der so genannten PCI- beziehungsweise VME-Norm für Datenbusse). Insbesondere die Länge der Leitungen und die dielektrischen Eigenschaften der verwendeten Materialien setzen unüberwindbare Grenzen. Um dennoch hohe Datenraten zu erreichen, werden gleichzeitig mehrere Leitungen verwendet: 32 PCI-Verbindungen schaffen 1,056 Gigabit pro Sekunde.

Bordrechner in Flugzeugen bestehen wie die meisten Hochleistungsrechner aus mehreren Prozessorkarten, die über die Rückwandverdrahtungsplatte beziehungsweise "Backplane" miteinander kommunizieren. Die besteht aus einer Leiterkarte mit vielen Steckplätzen und einer großen Zahl elektrischer Verbindungen; sie entspricht dem motherboard bei Computern, hat aber keine aktiven Komponenten. Dabei fallen leicht mehrere tausend elektrische Kontakte an. Vom Platzbedarf abgesehen wachsen damit auch die bei Erschütterungen auf die Steckverbinder einwirkenden Kräfte, ebenso die Genauigkeitsanforderungen bei der Montage.

Wünschenswert wäre deshalb der Übergang zu einer Technologie, die mit weniger Kontakten auskommt. Die optische Datenübertragung bietet sich an: Schon über eine einzige Glasfaser können pro Sekunde vierzig Gigabit reisen (entsprechend 1200 parallelen elektrischen PCI-Leitungen). Hinzu kommt, dass Lichtsignale kaum auf Blitzschlag und andere elektromagnetische Störungen reagieren, und dass Glasfasern deutlich leichter und kompakter als elektrische Leitungen sind.

Leider gibt es auch einen großen Nachteil: Die elektronischen Komponenten senden ihre Daten als elektrische Sig-nale, die Laserdioden in optische umwandeln müssen, Fotodioden machen daraus nach der Übertragung wieder elektrische Bit-Folgen (vergleiche Spektrum der Wissenschaft 6/2001, S. 80). Je kürzer die zu überbrückende Entfernung, desto teurer wird so ein Unterfangen – was sich auf eine Distanz von zehn Kilometern in der Telekommunikation rentiert, erscheint bei wenigen Zentimetern zu aufwändig.

Die wünschenswerte "optische Backplane" für die verschiedenen Einheiten von Bordcomputern lässt sich deshalb nur dann realisieren, wenn die Kosten der optischen Datenübertragung drastisch fallen. Dazu gehören preiswertere Laserdioden, vor allem aber Polymerwellenleiter statt Glasfasern. Zwar verschmieren die Lichtsignale darin stärker, doch bis zu einer Datenrate von zehn Gigabit pro Sekunde und einer Strecke von nicht mehr als einem Meter ist das kein Problem (Spektrum der Wissenschaft 6/2001, S. 89). Weil diese Wellenleiter deutlich dicker sind als Glasfasern, verringern sich auch die Anforderungen an Herstellung und Montage: Statt weniger als ein Mikrometer Genauigkeit reicht das Hundertfache.

Für die kostengünstige Herstellung der Wellenleiter haben wir am DaimlerChrysler Forschungszentrum in Ulm das so genannte Direktschreiben entwickelt: Ein Strahl kurzwelligen Lichts bewegt sich über einen flüssigen, lichtempfindlichen Kunststofffilm, die belichtete Spur härtet aus. Durch Verschieben des Brennpunkts lassen sich so am Compu-ter entworfene Wellenleiter-Schaltungen schreiben. Strukturen bis zu einen Meter Länge und dreißig Zentimetern Breite sowie komplexe, beispielsweise sternförmige Anordnungen sind möglich. In die Wellenleiter eingebettete Mikrospiegel koppeln das Licht in die Wellenleiter ein und wieder aus.

Allein diese Leitungstechnik senkt bereits die erforderliche Justage-Genauigkeit. Uns gelang noch ein weiterer Schritt: Das aus einem Wellenleiter austretende Licht divergiert, würde also auseinander laufen. Es wird in einem Stecker – der Schnittstelle zwischen optischer Backplane und einer elektronischen Komponente – von einer Linse zu einem Strahl von einigen Millimetern Durchmesser gebündelt. Auf der Leiterkarte befindet sich das Pendant, um das Signal auf eine Fotodiode zu fokussieren, die dieses in elektrische Bits und Bytes umwandelt. Ungenauigkeiten in der Steckerjustage von bis zu einem halben Millimeter schwächen das Signal dank dieser Vorrichtung nur geringfügig. Zum Vergleich: Bei den in der Telekommunikation üblichen Glasfasern bewirken schon einige tausendstel Millimeter Fehler den Totalausfall der Leitung.

Mittlerweile absolvieren Prototypen optischer Backplanes diverse Funktions- und Zuverlässigkeitstests. Bis zu einer Zulassung in der zivilen Luftfahrt werden freilich noch Jahre vergehen. Vorher könnten schon andere Anwendungen Serienreife erlangen, etwa in den Vermittlungsstellen der Telekommunikations-Glasfasernetze. Das Direktschreiben erwies sich zudem als ein sehr universelles Verfahren: Es kann Wellenleiterstrukturen auf fast allen Grundmaterialien herstellen, auch auf elektrischen Folienschaltungen für Automobile.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2001, Seite 81
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Klimaschutz - Herausforderung für die Wirtschaft

Superwahljahr, Wasserstoff und Konsum verbindet allesamt der Klimaschutz - denn welche Entscheidungen hier getroffen werden, beeinflusst Leben sowie Umweltbedingungen zukünftiger Jahre. Wo lassen sich Treibhausgasemissionen senken und welche Einsparungen haben die Konsumenten selbst in der Hand?

Spektrum - Die Woche – Gegen die Regeln

Dass das Standardmodell der Teilchenphysik Lücken aufweist, ist in der Fachwelt mittlerweile kein Geheimnis mehr, die Gründe für die häufigen Messabweichungen aber schon. Ursache könnten noch unbekannte Teilchen und Kräfte sein. Außerdem in der »Woche«: Bald schon Wasserstoffantrieb für Flugzeuge?

Spektrum - Die Woche – Tai Chi: Hirntraining aus dem fernen Osten

Selbstverteidigungskunst als Mittel gegen Bluthochdruck? Ja, der Kampfsport »Tai Chi« hat ungeahnte Wirkungen auf sämtliche Organe. Welche Effekte das Schattenboxen sogar auf Hirnvolumen und Kognition haben kann, lesen Sie in der aktuellen »Woche«. Außerdem: wie kann klimaneutrales Fliegen gelingen?

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.