Lipid-Antigene auf dem Präsentierteller
Spezielle Abwehrzellen unseres Körpers machen die eigentlichen Eingreiftruppen des Immunsystems auf eingedrungene Mikroben aufmerksam, indem sie winzige aufbereitete Bruchstücke davon auf einer Art molekularem Präsentierteller an ihrer Oberfläche darbieten. Bei den bisher untersuchten Fragmenten handelte es sich stets um Peptide, also um sehr kurze Teilstücke von Proteinen. Nun hat ein Forscherteam in Boston für ein anderes Oberflächenmolekül solcher antigen-präsentierenden Zellen jedoch festgestellt, daß es offensichtlich spezielle Lipid-Antigene vorzeigt, auf die dann Killerzellen ansprechen („Nature“, Band 372, Seite 691, 15. Dezember 1994).
Interessanterweise handelt es sich bei diesen Antigenen um Mykolsäuren – verzweigte langkettige Fettsäuren, die Bestandteile der Zellwand von Mykobakterien (und verwandten Gattungen) wie dem Tuberkulose-Erreger sind. In welcher Form sie dargeboten werden ist noch ungeklärt.
Das präsentierende Molekül, CD1b, gehört zwar zu den MHC-Molekülen der Klasse I, ist aber in seiner schweren Kette deutlich verschieden. Diese wird auch nicht von einem Gen des Haupt-Histokompatibilitätskomplexes (MHC, nach englisch major histocompatibility complex) auf Chromosom 6 codiert, sondern von einem der CD1-Gene auf Chromosom 1. Nur auf Antigen-Präsentation spezialisierte Zellen prägen CD1b aus.
Ungewöhnlich wie dieser Präsentierteller und sein Lipid-Antigen sind auch die darauf ansprechenden Immunzellen. Sie gehören zwar zu den sogenannten T-Zellen, prägen jedoch nicht die für T-Helferzellen und T-Killerzellen typischen Hilfsrezeptoren aus; dennoch wirken sie wie letztere zellzerstörend.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1995, Seite 34
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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