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Maßgefertigte Sensoren für Rastersondenmikroskope

Rastersonden und ihre Sensoren messen auch Temperaturverteilungen oder hochfrequente Spannungssignale, sofern ihr Design dem jeweiligen Phänomen entspricht.


Nach den großen Erfolgen der Rastersondenmikroskopie (RSM) in der Oberflächenphysik soll das enorme Potential dieser Technik auch in anderen Bereichen zum Tragen kommen: Materialwissenschaftler wollen ihre Werkstoffe auf atomarer Ebene optimieren, Chipdesigner die Funktionsweise der inzwischen nur einige zehn Nanometer großen Bauteile prüfen, Biologen die molekularen Vorgänge in Zellen besser verstehen lernen und dergleichen mehr. Vieles davon ist bereits machbar, denn die RSM-Systeme ermitteln nicht nur die Topographie und die mechanischen Eigenschaften von Oberflächen, sondern – wie die voranstehenden Artikel ausgeführt haben – aufgrund von Wechselwirkungen mit der Probe auch deren Charakteristika.

Allerdings nur unter einer Voraussetzung: Sonden und Sensoren müssen dem jeweiligen Problem angepaßt sein. Diesem Aufgabenbereich hat sich unsere Arbeitsgruppe verschrieben.

Noch einmal das Grundprinzip der RSM: Ein an einer Seite eingespannter Balken, der Cantilever, trägt eine Spitze mit einem Krümmungsradius von wenigen Nanometern, die als Sensor dicht über das zu untersuchende Objekt geführt wird und mit ihm interagiert. Diese Wechselwirkung äußert sich als Kraft, die den Balken auslenkt. Hat die Spitze dabei Kontakt mit der Probe, spricht man von statischer Kraftmikroskopie. Um mögliche Veränderungen der Oberfläche zu vermeiden, führt man sie dynamisch, das heißt schwingend, im Abstand von wenigen Nanometern über die Oberfläche und bestimmt die aus der Wechselwirkung resultierende Verschiebung der mechanischen Resonanzkurve des Biegebalkens.

Dazu müssen natürlich die mechanischen Eigenschaften des Cantilevers bekannt sein. So hängen seine Federkonstante und Resonanzfrequenz einerseits vom verwendeten Material (Dichte, Elastizitätsmodul), andererseits von seinen geometrischen Abmessungen (Flächenträgheitsmoment) ab. Bisher wurden vor allem Silicium, Siliciumnitrid und III/V-Halbleiter wie Galliumarsenid benutzt, denn sie lassen sich mit etablierten Verfahren der Mikrosystemtechnik bearbeiten. Neueste Entwicklungen etwa zur Manipulation von Oberflächen im Nanometer-Maßstab oder zur Untersuchung der Härte dünner Schichten verwenden inzwischen auch superharte Materialien wie polykristallinen Diamant.

Bisher wurde die Cantilever-Auslenkung optisch, beispielsweise durch Triangulation vermessen. Insbesondere für die künftige Parallelschaltung vieler Biegebalken haben wir ein kompakteres Meßprinzip entwickelt, das keine Justagearbeiten erfordert, da der Detektor gleich im Sensor untergebracht ist. Eine Anordnung von zehn Silicium-Kraftsensoren wurde dazu mit vier piezoresistiven Widerständen im Bereich der Cantilever-Einspannungen ausgestattet. Biegt sich ein solcher Balken, entsteht dort nämlich eine mechanische Spannung, die den Wert des jeweils betroffenen elektrischen Widerstands ändert. Indem alle vier geeignet verschaltet sind (Wheatstonesche Brücke), ergibt sich eine Änderung der insgesamt daran abfallenden elektrischen Spannung als Maß der Durchbiegung, und zwar mit einer Genauigkeit von 10-11 Metern. Dieses Meßprinzip läßt sich erweitern, beispielsweise vermag ein zweiarmiger Sensor auf diese Weise auch die Torsion der beiden Arme als Maß für die mechanische Reibung zwischen Spitze und Probenoberfläche zu detektieren.

Zwar lassen sich in dieser Weise die mechanischen Eigenschaften der untersuchten Oberfläche aus der Auslenkung beziehungsweise Torsion des Balkens ablesen. Die Messung anderer Oberflächeneigenschaften erfordert dagegen den Einsatz von in der Spitze integrierten Sensoren.

So weist eine Spitze, die aus einem Metall/Halbleiterkontakt besteht (Schottkydiode), bei gegebener Steuerspannung eine exponentielle Abhängigkeit des Stroms von der Temperatur auf (siehe Bild gegenüberliegende Seite). Diese hohe Empfindlichkeit eines solchen Thermoelements erlaubt es nun, die Temperaturverteilung von beispielsweise elektronischen Bauelementen sehr genau zu untersuchen: eine Meßaufgabe, die insbesondere bei der Entwicklung moderner hochintegrierter ICs ständig an Bedeutung gewinnt.

Der Sperrstrom dieser Diode hängt von der Anzahl der Ladungsträger im Bereich des Metall/Halbleiter-Kontaktes ab. Diese läßt sich aber durch die Einstrahlung von Licht erhöhen. Bei konstanter Temperatur reagiert daher eine solche Sonde auch auf die lokale optische Emission einer Oberfläche, sie wirkt also wie eine herkömmliche Photodiode jedoch mit einer enormen Ortsauflösung in bezug auf die Probenebene. Dies führt uns zu dem äußerst attraktiven Gebiet der optischen Nahfeldmikroskopie (scanning near-field optical microscopy, SNOM). Die Auflösung von konventionellen Mikroskopen wird durch die Beugung auf etwa die halbe Wellenlänge des verwendeten Lichts begrenzt.

Optik jenseits lambda/2


Mit der SNOM erzielt man inzwischen im sichtbaren Wellenlängenbereich eine Auflösung besser als etwa lambda/10. Der Trick: Die jetzt metallische Spitze des Cantilevers ist hohl und weist an ihrem vorderen Ende eine Öffnung von weniger als 80 Nanometer auf. Wird die Spitze also von der Rückseite beleuchtet und diese Sonde im geringen Abstand weniger Nanometer über die Oberfläche gerastert, so bestimmt jetzt nur die Aperturgröße und nicht mehr die Wellenlänge des Lichtes die erzielbare Auflösung. Allerdings tritt auf Grund des sogenannten Cut-Off -Effektes dieser als Wellenleitung geformten Spitze nur sehr wenig Lichtleistung aus der Apertur aus, so daß hohe Anforderungen an die Meßtechnik zu stellen sind.

Wir produzieren solche Sonden in größerer Stückzahl auf einem Siliciumwafer. Das Problem dabei ist, die Aperturen der insgesamt 250 Sonden auf einem solchen Wafer zuverlässig bei einer Aperturgröße von 80 Nanometer zu öffnen. Das erreichen wir bei diesen Dimensionen nur durch einen selbstbegrenzenden Mechanismus: Wegen des äußerst komplexen Oxidationsverhaltens entsteht an spitzenförmigen Strukturen ein dünnerer Siliciumdioxidfilm, der beim Ätzen zuerst durchtrennt wird. Darüber hinaus ermöglicht uns sogar die Vorgabe einer entsprechenden Geometrie der Spitzenöffnung, die Polarisation des austretenden Lichtes einzustellen und so Polarisationseffekte der untersuchten Materialien zu beobachten.

Das oben bereits angedeutete Problem der geringen Transmission auf Grund des Cut-Off-Effektes dieser Apertursonden kann durch Verwendung einer Koaxialsonde vermieden werden, da diese keinen Cut-Off-Effekt aufweist. Die Koaxialsonde geht aus der Apertursonde durch das Einbringen eines metallischen Mittelleiters hervor (siehe Bild vorige Seite). Allerdings stellt die Herstellung einer solchen Sonde auf Grund der kleinen Dimensionen eine echte Herausforderung dar. Wir lösten dieses Problem, indem als Ausgangsstruktur eine mit einem 100 Nanometer dünnen Titanfilm bedeckte Siliciumspitze benutzt wurde. Nach dem Öffnen des Films am vorderen Ende der Spitze haben wir den Halbleiter aus der Spitze durch einen Trockenätzprozeß entfernt. Auf das in der nun hohlen Spitze verbleibende Silicium wuchs dann ein 200 Nanometer dicker Wolframstift auf; dazu wurde eine gasförmige wolframhaltige Verbindung durch Ionenbeschuß gezielt zerlegt.

Schließlich haben wir auch die Lichtquelle selbst – einen Halbleiterlaser – gleich mit in die Spitze einer Sonde integriert (siehe Bild vorige Seite). Der Cantilever besteht dazu aus Galliumarsenid, einem optisch aktiven Material. Eine solche Anordnung weist eine äußerst kompakte Geometrie auf und wäre ideal für die optische Lithographie oder die optische Datenspeicherung mit höchster Auflösung.

Ein ganz anderes Anwendungsfeld bietet die chemische Analytik. Dafür wurde ein Cantilever mit einem Polymer beschichtet, das beispielsweise Wasser oder bestimmte Gase bindet. Mit seiner Resonanzfrequenz angeregt, verzeichnet er Feuchtigkeits- oder Gasbelegung und den entsprechenden Gewichtszuwachs durch Änderungen der Resonanzkurve.

Messen in weniger als einer billionstel Sekunde


Alle bislang beschriebenen Sensoren erzielen eine hohe Ortsauflösung. Um gleichzeitig auch die zeitliche Entwicklung eines Prozesses zu analysieren, ist zusätzlicher Aufwand erforderlich. Insbesondere elektronische Bauelemente in der Kommunikationstechnik erreichen Arbeitsgeschwindigkeiten und Taktfrequenzen, die mit konventionellen Meßgeräten wie Abtastoszilloskopen nicht mehr analysiert werden können. RSM ist derzeit das einzige Verfahren, das eine zeitliche Auflösung geringer als Pikosekunden (billionstel Sekunden) erreicht bei gleichzeitig hoher Ortsauflösung. Dabei gibt es die Möglichkeit, entweder im Frequenz- oder im Zeitbereich zu messen.

Dazu ein wichtiges Beispiel aus dem Bereich der Kommunikationselektronik. Zu messen ist die lokale Spannung eines Bauelements bei hohen Signalfrequenzen. Dazu tastet ein Cantilever dessen Anschlußleitung ab. Er selbst trägt ebenfalls eine Leitung, auf der ein Referenzsignal läuft. Entspricht der Frequenzunterschied zwischen beiden annähernd der mechanischen Resonanzfrequenz des Cantilevers, beginnt dieser aufgrund der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen Spitze und Probe zu schwingen. Die Schwingungsamplitude ist dann ein Maß für die lokale Spannung des Bauelementes. Dieses Meßprinzip wurde in Kooperation mit der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg bis zu einer Frequenz von 40 Gigahertz erfolgreich getestet. Ein Nachteil ist jedoch, daß man damit keine digitalen Schaltungen testen kann, weil diese pulsförmige Signale aufweisen.

Um das Problem zu lösen, haben wir einen extrem schnellen, photoleitenden Schalter in eine Leitung in einem Galliumarsenid-Cantilever integriert, der zur Abtastung des Potentials der Probe dient. Dieser Schalter wird durch ultraschnelle optische Laserpulse von etwa 100 Femtosekunden (billiardstel Sekunden) Dauer geschlossen. Mit dieser Anordnung ist es möglich, das Potential des Bauelementes lokal mit einer Zeitauflösung von etwa einer Pikosekunde abzutasten (siehe Bild oben).

Eine Weiterentwicklung des Verfahrens ermöglicht, auch Pulse mit etwa konstanter Dauer zu erzeugen. Verwendet man dann jeweils einen Cantilever, einen zur Pulserzeugung und einen zur -detektion, lassen sich die elektrischen Eigenschaften von Leitungen und Materialien bei zeitlich höchster Auflösung testen. In Analogie zum SNOM-Prinzip kann man mit solchen Sonden sogar ein Mikrowellenmikroskop aufbauen: Ein Photoschalter erzeugt einen elektrischen Puls, der lokal mit der Probenoberfläche wechselwirkt und von ihr zu einem zweiten reflektiert wird. Dabei lassen sich Informationen über das lokale dielektrische, aber auch chemische Verhalten der Probe gewinnen. Wir sind gespannt darauf, welche Optionen uns diese Technologie in Zukunft noch bieten wird.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1999, Seite 102
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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