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Angemerkt!: Bewusst vorsorgen

Für immer im Koma zu liegen, erscheint den meisten Menschen so erschreckend, dass sie lieber tot wären. Doch bei manchen Wachkomapatienten kommen Bewusstseinsreste zurück. Patientenverfügungen sollten das berücksichtigen.
Frank Erbguth

Was passiert, wenn ich unheilbar krank in der Klinik liege und nicht mehr Herr ­meiner Sinne bin? Darüber machen sich viele Menschen Gedanken. Sie wollen nicht, dass ihr Leben – und somit auch ihr Leiden – künstlich verlängert wird. In einer solch aus­weglosen Si­tuation erscheint es ihnen besser zu sterben. ­Jeder fünfte Deutsche hat daher eine Patientenverfügung verfasst, in der er den Abbruch lebens­verlängernder Maßnahmen für schwere Krankheitszustände fordert.

In den verbreiteten Vorlagen wie dem des ­Bayerischen Justizministeriums werden meist mehrere Situationen beschrieben, für welche die Patientenverfügung gelten soll. Befindet sich der Betroffene "im unmittelbaren Sterbeprozess" oder "im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit" wie etwa einer voranschreitenden Krebserkrankung, ist eine Verfügung eigentlich überflüssig, weil sich schon aus ärztlicher Sicht eine unethische Verlängerung des Sterbeprozesses verbietet. Da die Betroffe­nen meist noch entscheidungsfähig sind, dient hier die Patientenverfügung nur der Rückversicherung, falls es ausnahmsweise einmal nicht so kommen sollte.

Anders sieht das bei Hirnerkrankungen aus. Sie führen nicht zwangsläufig zum Tod, und der Betroffene kann in der entscheidenden Krankheitsphase in der Regel keine Entscheidungen mehr fällen. So fordern die Musterverfügungen den Verzicht auf eine lebensverlängernde Therapie einschließlich künstlicher Ernährung, "wenn infolge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu ­treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, nach Einschätzung zweier erfahrener Ärzte aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich erloschen ist, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist".

Gemeint sind hier Fälle wie beim so genannten Wachkoma ...

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  • Quellen und Literaturtipp

Literaturtipp

Putz, W., Steldinger, B.: Patientenrechte am Ende des Lebens. Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Selbstbestimmtes Sterben. Beck, München 2014
Ein Ratgeber der Medizinjuristen Wolfgang Putz und Beate Steldinger


Quellen

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Erbguth, F, Dietrich, W.: Gibt es bewusste Wahrnehmung beim apallischen Syndrom? In: Aktuelle Neurologie 40, S. 424-432, 2013

Erbguth, F, Dietrich, W.: Therapieziel Hirntod? Soll ein potenzieller Organspender mit aussichtsloser Prognose zugunsten einer möglichen Transplantation lebensverlängernd behandelt werden? In: Bayerisches Ärzteblatt 3/2014, S. 116-119

Giacino, J. T. et al.: The Minimally Conscious State: Definition and Dagnostic Criteria. In: Neurology 58, S. 349-353, 2002

Katz, D. I. et al.: Natural History of Recovery from Brain Injury after Prolonged Disorders of Consciousness: Outcome of Patients Admitted to Inpatient Rehabilitation with 1-4 Year Follow-Up. In: Progress in Brain Research 177, S. 73-88, 2009

Klinkhammer, G., et al.: Pro und Kontra: Patientenverfügungen. In: Deutsches Ärzteblatt 112, S. A-716-717, 2015

Laureys, S. et al.: The Unresponsive Wakefulness Syndrome: A New Name for the Vegetative State or Apallic Syndrome. In: BMC Medicine 8, 68, 2010

Monti, M. M. et al.: Willful Modulation of Brain Activity in Disorders of Consciousness. In: New England Journal of Medicine 362, S. 579-589, 2010

The Multi-Society Task Force on PVS: Medical Aspects of the Persistent Vegetative State. In: New England Journal of Medicine 330, S. 1499-1508, 1994

Owen, A. M. et al.: Detecting Awareness in the Vegetative State. In Science 313, S. 1402, 2006

Vogel, D. et al.: Can Mental Imagery Functional Magnetic Resonance Imaging Predict Recovery in Patients With Disorders of Consciousness? In: Archives of Physical Medicine and Rehabilitation 94, S. 1891-1898, 2013

von Wild, K. et al.: Syndrom Reaktionsloser Wachheit. Zur Begriffsbestimmung "Apallisches Syndrom" -"Wachkoma"- "permanenter vegetativer Zustand". In: Neurologie & Rehabilitation 17, S. 209-215, 2011

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