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Ich-Bewusstsein: Mein Körper und Ich

Wenn Menschen berichten, sie könnten den eigenen Körper verlassen und sich selbst von außen betrachten, klingt das nach Esoterik. Doch solche "Out-of-Body"-Erlebnisse treten bei bestimmten Hirnerkrankungen in der Tat auf und lassen sich sogar künstlich im Labor herbei­führen. Schweizer Forscher um den Neurologen Olaf Blanke wollen mit derlei Experimenten ergründen, wie Ich-Bewusstsein im subjektiven Erleben des Körpers verankert ist.
Völlig losgelöst
Was ist das Ich? Diese zentrale Frage der Philosophie erschien Neurowissenschaftlern lange suspekt: Das Wesen von subjektivem Erleben und Ich-Bewusstsein dürfte kaum zum Gegenstand naturwissenschaftlicher Betrachtungen taugen. Doch in den letzten Jahren vollzog sich ein entscheidender Sinneswandel. Verschiedene interdisziplinäre Forschungsgruppen begannen, subjektives Erleben systematisch zu untersuchen. Daraus resultierende Studienergebnisse weisen darauf hin, dass die Basis unseres Ich-Bewusstseins in Hirnmechanismen gründen könnte, welche verschiedene Signale unserer Sinnesorgane zu einer stabilen, globalen Körperrepräsentation zusammenfügen.
Die Rolle solcher multisensorischen körperlichen Signale für das Ich-Bewusstsein analy­sieren auch wir am Labor für Kognitive Neurowissenschaften an der Eidgenössischen Techni­schen Hochschule in Lausanne (Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne). Unter Einsatz verschiedener Methoden der Neurowissenschaften wie der Elektroenzephalografie (EEG), der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) sowie Techniken der virtuellen Realität arbeiten hier Biologen, Psychologen, Mediziner, Physiker, Ingenieure und Informatiker Hand in Hand. Sowohl gesunde Probanden als auch neurologische Patienten, die beispielsweise an einer gestörten Körperwahrnehmung leiden, dienen als Testpersonen bei der Suche nach der körperlichen Verankerung des Ich-Bewusstseins ...

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Gehirn&Geist – Wer entscheidet? Wie das Gehirn unseren freien Willen beeinflusst

Was bedeutet es, ein Bewusstsein zu haben? Haben wir einen freien Willen? Diese Fragen beschäftigt Neurowissenschaft, Philosophie und Theologie gleichermaßen. Der erste Artikel zum Titelthema zeichnet die Entwicklung der neurowissenschaftlichen Forschung nach und zeigt, wie das Gehirn das subjektive Erleben formt. Anschließend geht es im Interview mit dem Neurophilosophen Michael Plauen um die Frage, ob wir frei und selbstbestimmt handeln, oder nur Marionetten unseres Gehirns sind. Die Antwort hat Konsequenzen für unser Selbstbild, die Rechtsprechung und unseren Umgang mit KI. Daneben berichten wir, wie virtuelle Szenarien die traditionelle Psychotherapie erfolgreich ergänzen und vor allem Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen lindern können. Ein weiterer Artikel beleuchtet neue Therapieansätze bei Suchterkrankungen, die die Traumata, die viele Suchterkrankte in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben, berücksichtigen. Zudem beschäftigen wir uns mit der Theorienkrise in der Psychologie: Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer erklärt, warum die Psychologie dringend wieder lernen muss, ihre Theorien zu präzisieren.

Spektrum Kompakt – Das Unbewusste

Viele unserer Denkprozesse laufen auf Autopilot ab. Untersucht wurden sie schon von Sigmund Freud, C. G. Jung und Alfred Adler. Heute arbeitet man daran, das Zusammenspiel von Unbewusstem und Bewusstem neuronal sichtbar zu machen oder psychische Abwehrmechanismen durch bestimmte Tests zu ergründen.

Gehirn&Geist – Gehirn und KI im Dialog: Was uns künstliche Intelligenz über menschliches Denken lehrt

Ist künstliche Intelligenz in der Lage, echtes Bewusstsein zu simulieren? Neue Ansätze in der KI-Forschung versuchen KI-Systeme menschenähnlicher zu machen, indem sie den modularen Aufbau des Gehirns nachahmen. Mit diesem Artikel startet die neue Serie »Wechselspiel der Intelligenzen«, in der wir beleuchten, wie sich künstliche und menschliche Intelligenz gegenseitig beeinflussen. Im Schwerpunktthema »Demokratie in Gefahr?« klären wir im Interview, ob sich wissenschaftlich fassen lässt, wie eine Demokratie in eine Autokratie abgleitet. Ein weiterer Artikel zu diesem Thema erklärt, wie sich trotz zunehmend kontroverser Gesellschaftsdebatten ein kühler Kopf bewahren lässt. Daneben berichten wir, warum noch Jahre nach Konsum von Psychedelika visuelle Störungen auftreten können, ob Hirnstimulation gegen Depressionen hilft, oder Eisbaden und Kältekammern wirklich gesund sind.

  • Quellen
Aspell, J. E. et al.:Keeping in Touch with One's Self: Multisensory Mechanisms of Self-Consciousness. In: Public Library of Sciences One 4(8), e6488, 2009.

Blanke, O. et al.:Stimulating Illusory Own-Body Perceptions. In: Nature 419(6904), S. 269-270, 2002.

Blanke, O. et al.:Out-of-Body Experience and Autoscopy of Neurological Origin. In: Brain 127(2), S. 243-258, 2004.

Blanke, O., Metzinger, T.:Full-Body Illusions and Minimal Phenomenal Selfhood. In: Trends in Cognitive Sciences 13(1), S. 7-13, 2009.

Damasio, A.: Descartes' Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. List, Berlin 2004.

De Ridder, D. et al.:Visualizing Out-of-Body Experience in the Brain. In: New England Journal of Medicine 357(18), S. 1829-1833, 2007.

Gallagher, S.:Philosophical Conceptions of the Self: Implications for Cognitive Science. In: Trends in Cognitive Sciences 4(1), S. 14-21, 2000.

Hécaen, H., Ajuriaguerra, J.: Méconnaissances et halucinations corporelles. Masson, Paris 1952.

Lenggenhager, B. et al.:Video Ergo Sum: Manipulating Bodily Self-Consciousness. In: Science 317(5841), S. 1096-1099, 2007.

Stratton, G. M.: The Spatial Harmony of Touch and Sight. In: Mind 8(4), S. 492-505, 1899.

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