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Lebensmitteltechnik: Mikroben im Fluss

Ohne Bakterien wäre der Frühstückstisch nicht so reich gedeckt. Ob die kleinen Helfer in den Fermentern der Lebensmittelindustrie auch gut arbeiten, zeigt eine neue Methode.


Der Genuss einer Baguette mit Rotwein und Käse wäre undenkbar, wären hier nicht zuvor Mikroorganismen am Werk gewesen – jene winzigen Lebewesen, die Nahrungsrohstoffe zu kulinarischen Köstlichkeiten veredeln. So verwandeln Hefen Teig zu Brot und Saft zu Wein. Milch wird erst durch die Arbeit verschiedener Milchsäurebakterien zu Käse – die spezifische Zusammensetzung und Aktivität der kleinen Helfer entscheidet dabei über Geschmack und Qualität des Endprodukts. Deswegen kontrollieren die Produzenten ständig ihre Bakterien im Käse.

Diese wandeln als so genannte Starterkultur am Anfang des Fermentationsprozesses den Milchzucker in Milchsäure um; im sauren Milieu ballen sich dann die Milchproteine zu einem mehr oder weniger festen Käse zusammen. Das Aroma des Endprodukts entsteht hauptsächlich durch die Stoffwechselprodukte der Bakterien. Für eine gelungene Veredelung ist eine effektiv arbeitende Starterkultur besonders wichtig. Dazu müssen sich die Mikroben vermehren können und vor allem aktive Enzyme haben.

Um in der Käseproduktion die Lebensfähigkeit der Winzlinge zu testen, werden sie vereinzelt und dann auf Platten mit Nährmedium ausgebracht, wo sie dann innerhalb der folgenden zwei Tage zu Kulturen heranwachsen. Dieser Test ist umständlich und zeigt nur an, wie viele Mikroben in der Lage waren, sich zu vermehren. Wichtiger als die Teilungsfähigkeit ist aber ihre Enzymaktivität, und die ist manchmal durch ungeeignete Umgebungsbedingungen geschwächt. Diese Zellen erfasst der Plattentest jedoch nicht.

Ein schnelleres und differenziertes Verfahren dagegen detektiert auch diese Mikroben. Es wurde von Christine Bunthof und ihren Kollegen vom Laboratory for Food Microbiology der Universität Wageningen (Niederlande) in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen NIZO Food Research entwickelt.

Bei der dazu eingesetzten Durchflusszytometrie werden die zu untersuchenden Zellen mit fluoreszierenden Farbstoffen markiert. Diese sind derartig konzipiert, dass sie sich jeweils an spezielle Strukturen binden und so Rückschlüsse auf bestimmte Zelleigenschaften ermöglichen. So gibt es Farbstoffe, die sich nur außen an lebenden Mikroben mit vollständiger Zellmembran heften. Oder solche, die ausschließlich tote Zellen markieren können, weil sie die geschädigte Zellhülle durchdringen müssen. Wieder andere Substanzen zeigen an, dass ein bestimmtes Enzym aktiv ist.

Die gefärbten Bakterien werden in eine geeignete Pufferlösung gebracht und in eine Messzelle geleitet. Dort zieht ein so genannter Hüllstrom die Lösung zu einem schmalen Flüssigkeitsstrom aus, in dem sich die Zellen wie auf einer Perlenkette aufreihen; dabei fließen sie einzeln an einer Lichtquelle, meist einem Laserstrahl, vorbei. Das Licht wird von den Zellen teils gestreut, teils von den Farbstoffen absorbiert, die daraufhin fluoreszieren. Zahlreiche Blenden und Filter leiten das gestreute beziehungsweise abgestrahlte Licht dann zu Detektoren, die ein elektrisches Signal erzeugen. Da auch Verunreinigungen in der Probe ein Signal auslösen, wird der Impuls nur dann ausgelöst, wenn das Signal eine bestimmte Schwelle überschreitet.

Das Ergebnis der Duchflusszytometrie ist aber nicht eine Abbildung einzelner Zellen, sondern eine Statistik. Der integrierte Computer stellt die gezählten Mikroben als Kurven oder Punkte(Histogramme) in unterschiedlichen Diagrammen dar. Auf dem Bildschirm können zur Datenanalyse einzelne Punktwolken eingekreist und danach ausgewertet werden. Der Computer gibt mit statistischen Werten wie Mittelwert und Standardabweichung den Anteil der Bakterien mit bestimmten Eigenschaften an der Gesamtpopulation an.

Einige Geräte bieten zusätzlich die Möglichkeit, zur weiteren Analyse oder Verarbeitung die Zellen entsprechend den mit Farbstoff markierten Eigenschaften zu trennen. Dazu werden zunächst auf dem Bildschirm die Mikroorganismen durch Einkreisen aus den Daten ausgewählt, die gesammelt werden sollen; der Computer identifiziert dann die gesuchten Zellen im Flüssigkeitsstrom der Messzelle und sortiert nach zwei Methoden: Einmal wird die Messzelle geschüttelt, sodass der Flüssigkeitsstrom mit den darin enthaltenen Zellen in einzelne Tröpfchen zerfällt, von denen – bei entsprechender Verdünnung – etwa jedes zehnte eine Zelle enthält. Tröpfchen mit den gesuchten Mikroben werden elektrisch aufgeladen und in einem elektrischen Feld entsprechend ihrer Ladung abgelenkt und in getrennten Behältern aufgefangen. Bei der zweiten Sortier methode werden nach Anweisung des Computers die gewünschten Zellen mit einem Röhrchen gesondert ausgeleitet und gesammelt.

So können in wenigen Minuten Tausende von Einzelzellen gemessen, gezählt und bei Bedarf zur Weiterverarbeitung sortiert werden. Für die Analyse der Milchsäurebakterien in der Käse- und Joghurtproduktion bedeutet das eine Verkürzung der Untersuchungszeit von zwei Tagen auf etwa eine Stunde. Der zeitaufwendigste und schwierigste Schritt ist dabei die Klärung der Milch. Denn für eine Analyse mit dem Durchflusszytometer müssen die Mikroben in absolut klarer Lösung vorliegen, da Verunreinigungen wie Milchproteine oder Fetttröpfchen das Ergebnis verschlechtern.

Ungeahntes Leben im Joghurt

Mit der von ihr entwickelten Methode entdeckte Bunthof in Starterkulturen zu jeweils etwa 50 Prozent tote und lebende Bakterien. Von den lebenden Individuen waren immerhin 35 bis 60 Prozent nicht vermehrungsfähig; diese greifen mit ihrer Enzymaktivität aber auch in den Fermentationsprozess ein. Da sie vom Plattentest nicht erfasst werden, ermöglicht die Durchflusszytometrie eine bessere Prognose über den Veredlungserfolg.

Das Verfahren hat zudem eine weitere Anwendung: Probiotische Joghurtbakterien sollen eine gesundheitsfördernde Wirkung haben – die optimale Dosierung ist aber noch nicht bekannt. Mittels Durchflusszytometrie konnten Bunthof und Kollegen zeigen, dass auch probiotische Kulturen in drei Aktivitätszuständen eine – je nach Produkt – unterschiedliche Zusammensetzung aufweisen.

Die Methode könnte dahin gehend weiterentwickelt werden, die Auswirkungen längerer Lagerzeiten auf die Aktivität probiotischer Mikroorganismen zu ermitteln. Auch die Passage durch den Darm hat Einfluss auf die Vitalität der Winzlinge, und die Zusammensetzung einer Mischkultur aus verschiedenen Bakterienstämmen kann sich dadurch verändern. Auch für die genaue Analyse dieser bisher wenig verstandenen Vorgänge bietet sich die Durchflusszytometrie an.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2002, Seite 82
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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