Blutige Geschichte: Millionenfache Tragödien
Hoher Anteil von Zivilisten unter den Opfern
Krieg sei die "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln", meinte einst der preußische General Carl von Clausewitz. Doch welche Motive zum Ausbruch eines Krieges führen, das verliert sich oft im Chaos der nachfolgenden Zerstörungen. Wenngleich sich das Leid der Menschen nicht quantifizieren lässt, haben wir die relative Härte der schwersten internationalen Konflikte der letzten zwei Jahrhunderte anhand der Zahl der Opfer abgeschätzt.
Die beiden Weltkriege stellen mit weitem Abstand die verheerendsten militärischen Konflikte der Menschheitsgeschichte dar – sowohl, was die Anzahl der Gefallenen im engeren Sinne angeht (Soldaten, die im Kampf getötet wurden) als auch, was die Gesamtzahl der Todesfälle betrifft. (Letztere schließt neben den zivilen Opfern auch diejenigen Soldaten ein, die ihren Verletzungen erlagen beziehungsweise an Unfällen oder Krankheiten starben.) Allerdings bedürfen die Daten einiger Interpretation. Erstens beruhen die Todeszahlangaben nur auf groben Schätzungen; zweitens spiegeln sie die Folgen eines Krieges für ein Land oder eine Region nicht so treffend wider wie die Todesfallrate pro Einwohner – und über die Auswirkungen auf Angehörige und Freunde sagen sie fast gar nichts.
Während des Zeitraums vom Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 bis zur Französischen Revolution 1789 bekämpften sich die europäischen Fürsten mit relativ kleinen Söldnerheeren. Erst der französische Umbruch brachte den Gedanken der "Nation unter Waffen" hervor. Die industrielle Revolution machte dann Städte und Fabriken zu wichtigen Kriegszielen. In den Konflikten des 20. Jahrhunderts schließlich übertraf die Anzahl der zivilen Opfer zumeist die der militärischen. Manche Staaten verloren in einem einzigen Krieg mehr als zehn Prozent ihrer Bevölkerung – so etwa die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg.
Nach 1945 verlagerten sich die Kriegsschauplätze nach Asien, Afrika und in den Mittleren Osten. Weil viele der internationalen Konflikte – wie etwa in Korea, Vietnam und Afghanistan – aus Bürgerkriegen hervorgingen, stieg der Anteil ziviler Opfer stark an. In Angola und Mosambik waren mehr als 75 Prozent der Opfer Zivilisten. Auch Kinder trifft es immer häufiger: Zwischen 1985 und 1995 starben rund zwei Millionen Minderjährige in Folge von Kriegshandlungen; weitere 10 bis 15 Millionen wurden verstümmelt oder traumatisiert.
Die jüngsten Konflikte wie etwa in Jugoslawien wurden zunehmend von irregulären Einheiten ausgetragen, die aus Loyalität, Beutegier oder Rachedurst zur Waffe griffen. Unterdessen verbuchten reguläre Streitkräfte weniger Kampf-, aber mehr Friedenseinsätze. Im Golfkrieg 1991 und im Kosovokrieg 1999 verstanden es die Alliierten, eigene Verluste zu minimieren. Ob dies auch in künftigen Einsätzen möglich sein wird, steht dahin. Selbst Clausewitz kannte das Risiko kampfbedingter "Reibungsverluste" – sein Euphemismus für all das, was bei der "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" auf fatale Weise fehlschlagen kann.

Kriegstote
Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2000, Seite 44
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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