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Umweltüberwachung: Mit transgenen Pflanzen Schwermetallen auf der Spur

Ein neuer Biotest spürt Schwermetalle in Böden und Gewässern schon in äußerst geringer Konzentration auf. Dabei nutzt er aus, dass die Umweltgifte nicht nur die Erbsubstanz schädigen, sondern manchmal auch defekte Gene reparieren.


Der industriell bedingte Eintrag von Schwermetallen in Böden und Gewässer ist noch immer ein gravierendes Umweltproblem. Die meisten dieser Schadstoffe spielen zwar in niedrigen Konzentrationen als Spurenelemente ei-ne wichtige Rolle beim Aufbau zahlreicher Enzyme. Größere Mengen wirken allerdings toxisch und können viele Erkrankungen bis hin zu Krebs auslösen. Aus diesem Grund sind ständige Gewässer- und Bodenkontrollen unerlässlich.

Exakte chemische Analysen müssen für jedes zu untersuchende Element gesondert durchgeführt werden. Sie sind deshalb aufwendig und teuer. Für regelmäßige Kontrollen im Rahmen des Umweltschutzes braucht man einfachere Alternativen.

Seit einiger Zeit stehen verschiedene so genannte Biotests zur Verfügung, die erhöhte Schwermetallkonzentrationen indirekt über ihre schädliche Wirkung auf Organismen oder kultivierte Zellen nachweisen. Diese Verfahren sind aber oft nicht empfindlich genug und sprechen erst bei Werten an, die oberhalb der für den Menschen gefährlichen Grenze liegen.

Nun haben Olga Kovalchuk und ihre Kollegen am Friedrich-Miescher-Institut in Basel und an der Staatlichen Medizi-nischen Akademie in Ivano-Frankivsk (Ukraine) einen relativ einfachen und trotzdem sehr empfindlichen Biotest entwickelt, der mit transgenen Pflanzen ar-beitet (Nature Biotechnology, Bd. 19, S. 568). Schwermetalle schädigen ab einer gewissen Konzentration das Erbgut: Sie lassen die DNA-Doppelhelix brechen und verursachen den Austausch einzelner "Buchstaben" (Basen) im genetischen Text – so genannte Punktmutationen. In der Regel macht das die betreffenden Gene unbrauchbar.

Für das neue Testverfahren wird nun sozusagen der Spieß umgedreht: Schwermetalle verraten sich dadurch, dass sie über ihre DNA-verändernden Effekte ein künstlich eingebautes defektes Gen per Zufall reparieren. Als Testpflanze verwendeten Kovalchuk und ihre Kollegen die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). In deren Erbgut schleusten sie jeweils eine von zwei fehlerhaften Versionen des Gens für das Enzym b-Glucuronidase ein, das normalerweise nur in Tieren und Bakterien vorkommt.

Bei der einen Variante bestand der Defekt in einer ausgetauschten Base. Wird sie im Verlauf einer Punktmutation durch das richtige Exemplar ersetzt, kann das Gen wieder abgelesen werden. Im anderen Fall besaßen alle Abschnitte des b-Glucuronidase-Gens zwar die richtige Sequenz, waren aber in der falschen Reihenfolge und teilweise doppelt vorhanden. Ein Bruch im DNA-Doppelstrang setzt dann komplizierte Umlagerungsprozesse in Gang, die dazu führen, dass die Gen-regionen wieder korrekt miteinander verknüpft und überflüssige Anteile ausgeschnitten werden. Auf diese Weise entsteht letztendlich gleichfalls ein funktionsfähiges Gen.

Je mehr Schwermetalle nun eine Testpflanze aufnimmt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass in einzelnen Zellen solche Rückmutationen stattfinden. Diese Zellen und ihre Abkömmlinge können dann wieder b-Glucuronidase synthetisieren. Nach einem spezifischen Färbeprozess erscheinen sie als blaue Punkte auf den Blättern der Pflanze.

Um dieses Testsystem zu prüfen, ließen Kovalchuk und ihre Kollegen die mutierten Pflanzen sowohl auf Nährmedien, die sie mit schwermetallhaltigem Wasser angesetzt hatten, als auch auf Bodenproben aus der Umgebung einer Ölraffinerie wachsen. Die Auswertung nach 35 Tagen zeigte einen deutlichen Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Anzahl blauer Punkte auf den Blättern und dem Schwermetallgehalt des Substrats. Interessanterweise ließ sich neben Cadmium, Kupfer, Blei, Zink und Nickel auch Arsen nachweisen. Dieses Element ist zwar kein Schwermetall, aber gleichwohl ein starkes Umweltgift mit DNA-schädigender Wirkung.

Wie die Experimente ergaben, spricht das Arabidopsis-Testsystem schon bei äußerst niedrigen Schadstoffkonzentrationen an. So ließen nur 0,001 Milligramm Cadmium pro Liter Medium die Punktmutationsrate bereits auf das Dreifache ansteigen. Mit dieser Empfindlichkeit schlägt die neue Methode die anderen verfügbaren Biotests um Längen.

Das hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Ein Vorteil ist sicher die Verwendung von Pflanzen als Testorganismen. Sie haben einen festen Standort und nehmen die zu untersuchenden Stoffe daher kontinuierlich auf. So kommt es zu einer im Vergleich zu anderen Biotests relativ langen Einwirkdauer. Außerdem reagieren die Pflanzen im Unterschied zu Bakterien, die bei manchen Verfahren benutzt werden, ähnlich empfindlich auf Schwermetalle wie der Mensch. Und schließlich registriert die geschilderte Methode die Rückmutationen im b-Glucuronidase-Gen in voller Anzahl. Dagegen bleiben bei anderen Methoden, welche die schädliche Wirkung von Schwermetallen auf die DNA ausnutzen, viele Defekte unbemerkt, weil sie keine sichtbaren Auswirkungen haben.

Die transgenen Arabidopsis-Pflanzen haben somit das Zeug für einen hoch empfindlichen und trotzdem einfach durchzuführenden Biotest zum Nachweis von Schwermetallbelastungen in Wasser- und Bodenproben. Das Beispiel zeigt, dass Umweltschutz und Gentechnik durchaus an einem Strang ziehen können.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2001, Seite 21
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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