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Neurowissenschaft: Musikerhirne arbeiten je nach Stilrichtung verschieden

Nicht nur die Gehirne von Musikern und von Nichtmusikern unterscheiden sich voneinander: Offenbar passieren auch bei individuellen Pianisten ganz verschiedene Dinge im Kopf – und zwar je nachdem, in welcher Stilrichtung die betreffenden Personen bevorzugt musizieren.

Forscher um Daniela Sammler vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig rekrutierten für ihr Experiment 30 professionelle Klavierspieler, die sich entweder auf Jazz oder auf klassische Musik spezialisiert hatten. Die Forscher baten ihre Probanden, ein Musikstück nachzuspielen, das ihnen am Computerbildschirm von einer Hand auf einem Piano vorgeführt wurde. Dabei bauten sie zwei Arten von Stolpersteinen ein: Mal schlich sich ein Akkord ein, den man dort auf Grund der Harmonie nicht erwartet hätte, ein anderes Mal sollten die Teilnehmer einzelne Noten mit einem ungewöhnlichen Fingersatz spielen. Parallel dazu maßen die Wissenschaftler die Hirnströme der Versuchspersonen per EEG-Haube.

Dabei entdeckten sie, dass das Gehirn von Jazzprofis schneller reagierte, wenn diese mit unerwarteten Akkorden konfrontiert waren: Es begann früher damit, die Handbewegungen umzuplanen, was sich in deutlichen Aktivitätsspitzen im EEG äußerte. Entsprechend schnitten jene Probanden bei dieser Aufgabe besser ab als die klassischen Pianisten. Diese kamen hingegen eher als die Jazzpianisten damit zurecht, ungewöhnliche Fingersätze beim Spielen einzusetzen. Hierbei zeigte ihr Gehirn vermehrt Aufmerksamkeitsspitzen.

"Der Grund dafür könnte in den unterschiedlichen Fähigkeiten liegen, die die beiden Musikstile von den Musikern fordern – sei es, ein klassisches Stück einfühlsam zu interpretieren oder eine Jazzmelodie einfallsreich zu variieren", sagt Sammler. Jazzmusiker seien dabei stärker darauf fokussiert, was sie spielen, während klassische Pianisten sich mehr auf das Wie und die entsprechende Technik konzentrieren würden. Die Ergebnisse zeigten, dass es nicht ausreiche, bei wissenschaftlichen Studien nur Vertreter eines einzigen Musikstils einzubeziehen, so die Neurowissenschaftlerin. Wenn man wirklich verstehen wolle, was beim Musizieren im Gehirn passiert, müsse man den kleinsten gemeinsamen Nenner unterschiedlicher Stilrichtungen finden.

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  • Quelle
Neuroimage 169, S. 383-394, 2018
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