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Der Markt entscheidet über Leben und Tod im Weltozean.: Nachgehakt: Das Geschäft mit dem Fisch



Das Bild der Meere hat sich gewandelt. Die 1,3 Milliarden Kubikkilometer Wasser bergen zwar viel Unbekanntes, zu Respekt und Zurückhaltung in der Bewirtschaftung trug dies aber nicht bei. Im Gegenteil: Wir haben in das fremde Ökosystem eingegriffen und es ausgebeutet. Die Vernichtung zahlreicher Tierarten ist kaum mit Unwissen zu entschuldigen oder gar mit dem Räuber-Beute-Mechanismus, mit dem wir Menschen uns zum Herrscher über alles Lebens erklären. Weltweit sind die Fischbestände rückläufig. Selbst die 1996 von der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO (Food and Agricultural Organisation) ausgesprochene Warnung, dass in neun der 17 weltgrößten Fanggründe die Bestände "ernsthaft zurückgehen", vier "wirtschaftlich erschöpft" seien und die restlichen bereits "voll ausgebeutet", erbrachte keine Wendung. Paradoxerweise subventionierten wir weitere Fangflotten, verbesserten die Fischereitechnik, umgingen Gesetze, um auch den letzten der Letzten nachstellen zu können. Nur ein Umdenken auf allen Ebenen – vom Verbraucher über Politiker bis zu den Wirtschaftsbossen – könnte die Gefahr abwenden. Das jüngste Beispiel, die kommerzielle Ausrottung des Kabeljaus in der Nordsee (SdW, 4/2003, S. 95), zeigte jedoch, wie gering die Einsicht in unser Fehlverhalten ist.

Trägt die Wissenschaft eine Mitschuld? Das Reproduktionsverhalten wirtschaftlich nutzbarer Arten ist unzureichend bekannt. Bestandsabschätzungen, die den Fischereiquoten zugrunde liegen, sind zu ungenau. Ein spezielles Wahrscheinlichkeitsmodell, das so genannte Bayes-Theorem, soll nun helfen, auf Stichproben beruhende Vorhersagen mit Erfahrungen aus früheren Fängen zu koppeln (New Scientist, 22. 3. 2003, S. 44). Doch selbst mit genauerem Datenmaterial bleiben die daraus abgeleiteten Fangquoten und Schonzeiten nur Empfehlungen. Den tatsächlichen Maßnahmenkatalog beschließt die Europäische Kommission, die ihre eigenen nationalen Experten zu Rate zieht. Dass dabei wirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden, versteht sich von selbst. Letztlich ist es der Markt, der entscheidet. Ohnehin sind es vor allem die Subventionen, die den Wirtschaftszweig Fischerei in den Ruin treiben. Die FAO schätzt, dass pro Jahr rund 71 Milliarden Dollar ausgegeben und Fische im Wert von nur 54 Milliarden Dollar aus dem Meer gezogen werden – ein unrentables Geschäft. Ebenso unwirtschaftlich verhält es sich mit dem Beifang: Durchschnittlich 27 Millionen Tonnen nicht marktfähiger Fische werden pro Jahr gefangen. Tot oder langfristig nicht lebensfähig werden sie wieder über Bord geworfen und gehen in keine Statistik ein. Sollte es wirklich zu spät sein, diesen Irrsinn aufzuhalten? Längst etabliert sich ein neuer Zweig: die Aquakultur. Mit einer jährlichen Produktivitätssteigerung von 12,5 Prozent gehört die kontrollierte Fisch- und Muschelzucht zu den weltweit größten Wachstumsmärkten. Vielleicht werden einige arbeitslose Fischer den Sprung ins neue Wasser wagen. Für Verbraucher und Wirtschaft wäre in jedem Fall gesorgt. Und eventuell erhielte die "nachwachsende Ressource Meeresfisch" wieder eine Chance. Doch was hätten wir gelernt?

Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 2003, Seite 108
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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