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Interview: Neues Wohlstandsmodell für eine intakte Umwelt?

Über "ökologische Realpolitik an der Schwelle zum Jahrhundert der Umwelt" sprach mit Ernst Ulrich von Weizsäcker, dem Präsidenten des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Ilka Renneberg.

Sie haben Ihrem Buch „Erdpolitik“ den im Vorspann genannten Untertitel gegeben. Die Sorge, daß der Mensch mittlerweile die Lebensgrundlagen global gefährdet, teilen viele; einsichtig ist auch, daß wir künftigen Generationen damit immense Probleme aufbürden. Insofern haben Sie kaum Widerspruch zu erwarten. Verblüffend ist in diesem Zusammenhang der Begriff „Realpolitik“. Worauf hat sie die Gesellschaft führend auszurichten?



Wenn wir die weltweite ökologische Krise meistern wollen, dann müssen die Technologien im 21. Jahrhundert ganz anders aussehen als in diesem. Technologie heißt nicht mehr „möglichst viel Mechanik und möglichst wenig Mensch“.

Ich habe in „Erdpolitik“ sieben Kriterien künftiger Technik genannt: Sauberkeit, Rohstoffeffizienz, Energieproduktivität, ökologische Flächennutzung, hohe Informationsintensität, Fehlerfreundlichkeit und Eignung für Eigenarbeit. Davon sind ungefähr die Hälfte konventionell. Die andere Hälfte ist nicht so trivial.



Der Energieproduktivität schreiben Sie ein überraschend großes Entwicklungspotential zu.



Ja, denn ich meine nicht bloß die konventionelle Erhöhung der Energieeffizienz einzelner Prozesse; da vermag man nur etwa 30 bis 70 Prozent Steigerung zu erreichen. Energieproduktivität ist die Menge Wohlstand pro eingesetztem Gigajoule. Die läßt sich im Laufe von 100 Jahren verfünffachen, vielleicht sogar verzehnfachen. Das heißt, daß sich ein zweieinhalbfacher Wohlstand mit einem Viertel des heutigen Weltenergieverbrauchs erreichen ließe.

Erhöhung der Energieproduktivität bedeutet auch die Substitution von rohstoff- und energieverschwendenden Prozessen durch elegantere, etwa im Ernährungsbereich, beim Verkehr, beim Materialeinsatz. Wir haben es schließlich in 150 Jahren Technologie- und Industriegeschichte auch geschafft, die Arbeitsproduktivität etwa zu verzwanzigfachen. Die Energieproduktivität ist hingegen völlig vernachlässigt worden und die längste Zeit gar nicht gestiegen – aus dem einfachen Grunde, weil Energie relativ zur Kaufkraft von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer billiger geworden ist.



Als ein anderes neues Kriterium ökologisch verträglicher Technik nennen Sie die Fehlerfreundlichkeit. Das ist, da man gerade uns Deutschen Perfektionismus nachsagt, erläuterungsbedürftig.



Da völlige Fehlervermeidung utopisch und einfach unmenschlich ist, muß das Konstruktions- und Nutzungsprinzip der Technik ebenso wie das Augenmerk der Politik die Fehlerbegrenzung sein. Der große publizistische Erfolg von Hans Jonas insbesondere mit „Das Prinzip Verantwortung – Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“, Joseph Weizenbaum mit „Kurs auf den Eisberg – Die Verantwortung des Einzelnen und die Diktatur der Technik“, Ulrich Beck mit „Gegengifte – Politik im Atomzeitalter“ und „Die Risikogesellschaft“ sowie anderen bei den deutschen Lesern zeigt, daß der Boden dafür vorbereitet ist.

Unter Fehlerfreundlichkeit versteht meine Frau Christine, die den Begriff eingeführt hat, nicht einfach Fehlertoleranz – das wäre ja gleichzusetzen mit Robustheit. Der Sicherheitsbehälter eines Kernreaktors beispielsweise ist in gewissen Grenzen fehlertolerant, aber überhaupt nicht fehlerfreundlich, denn er hat gar keine Reaktionsvielfalt. Hingegen sind alle biologischen Systeme fehlerfreundlich; sie können es sich gar nicht leisten, nur robust zu sein, weil das evolutive Stagnation bedeuten würde. Sie müssen auf verschiedene Arten von Umwelt und von Überraschungen aus der Umwelt eingehen können, ohne empfindlichen Schaden zu nehmen. Das ist die faszinierende Eigenschaft der Fehlerfreundlichkeit.



Das ist für die biologischen Systeme sofort einzusehen. Aber wie soll sich Fehlerfreundlichkeit in der von herkömmlicher Technik geprägten und darauf eingestellten Gesellschaft entwickeln und durchsetzen? Welche förderlichen Instrumente gibt es dafür?



Auch in der realen menschlichen Welt wird sich Fehlerfreundlichkeit durchsetzen. Staatliche Instrumente wären zum Beispiel die Verschärfung des Verursacherprinzips und die obligatorische Einführung von Haftpflichtversicherungen für schädliche Technikfolgen. Dann werden die Akteure sich Mühe geben, Unfälle und Nebenwirkungen unter Kontrolle zu halten, sonst finden sie keinen Versicherer. Die Einsicht, daß Schadensrisiken wie etwa ein Klimawandel oder Artenvernichtungskatastrophen unbeherrschbar sein werden, beginnt sich ja durchzusetzen, und auch, daß solche Folgen unseres Handelns Rückwirkungen auf unsere Daseinsbedingungen haben werden. Fehlerfreundlichkeit markiert das Terrain der Versicherungswirtschaft, hat also auch ökonomische Vernunft für sich.

Ein weiteres Beispiel für Fehlerfreundlichkeit in der Gesellschaft gibt uns die Pädagogik. Man kann nur wirklich lernen, wenn auch Fehler gemacht werden dürfen – man soll sie zu vermeiden trachten, aber nicht meinen, perfekt sein zu können.

Ein dritter Bereich gesellschaftlicher Fehlerfreundlichkeit – beziehungsweise deren Notwendigkeit – ist mit Humanität oder auch gesundem Menschenverstand bezeichnet. Eine Welt, in der man Fehler nicht überleben kann, ist eine inhumane, entsetzliche Welt. Fehlerfreundlichkeit markiert die gesunde Mitte.



Die hochentwickelte biologische Fehlerfreundlichkeit hat nicht verhindern können, daß infolge von Zivilisations-effekten immer mehr Organismen aussterben. Dabei kennen wir bei weitem noch nicht einmal alle auf der Erde existierenden Arten. Gibt es zu wenige Zoologen und Botaniker? Kam deren Alarm rechtzeitig, und war er deutlich genug?



Dazu eine Aussage des amerikanischen Evolutionsbiologen Edward 0. Wilson: Für Biologen ist der Verlust der Artenvielfalt so, wie wenn ein Kunsthistoriker den Louvre brennen sieht. Nun kann man sich fragen: Wenn der Louvre brennt, ist es dann am wichtigsten, die Bilder zu katalogisieren oder den Brand zu bekämpfen? Dringlicher, als daß Heerscharen von Biologen durch die Welt ziehen und Tiere und Pflanzen bestimmen, ist doch wohl, die Ökosysteme zu entlasten. Auch dieses Argument habe ich übrigens von meiner Frau.



Das ist ja gerade die Frage; kommt die Konvention zur Artenvielfalt des sogenannten Erdgipfels von Rio de Janeiro im letzten Jahr nicht eigentlich schon viel zu spät?



Diese Konvention ist recht vernünftig. Sie schafft bei den Entwicklungsländern zum ersten Mal einen deutlichen Anreiz, ihre biologische Vielfalt zu schützen. Der größte Teil der noch existierenden tierischen, pflanzlichen und anderen Arten findet sich in deren Weltregionen. Deshalb ist es auch viel wichtiger gewesen, daß Brasilien, Malaysia und Indonesien die Artenvielfalt-Konvention unterschrieben haben, als die USA. Deren Blockade halte ich gleichwohl für skandalös; ich kenne aber bedeutende amerikanische Biologen, die das ebenso sehen.



Was wäre Ihrer Meinung nach also praktisch zu tun, um das Artensterben zumindest zu verlangsamen?

Man muß zum einen Biosphärenreservate überall auf der Welt, in den verschiedenen Klimaten haben. Und man muß des weiteren versuchen, die Zunahme des atmosphärischen Treibhauseffekts zu vermindern. Steigt er dramatisch an, wird den Vegetationszonen eine derartige Wanderungsgeschwindigkeit aufgenötigt, daß Hunderttausende von Arten gefährdet wären. Drittens muß man dafür sorgen, daß unsere Landnutzung vielfaltsfreundlicher wird; man muß weg vom Geist der Monokulturen und wieder hin zu Mischkulturen kommen, zu lokalem Nährstoff-Recycling, zu kleinräumiger Abwechslung. Auch ein überdimensioniertes Weizenfeld ist ökologisch verheerend, nicht nur die Fabrik mit defektem Rauchfilter.



Das sind wissenschaftliche Empfehlungen. Kann man den Erhalt biologischer Vielfalt ökonomisch stimulieren?



Ja, man sollte für deren Nutzung und Minderung Prämien erheben, die dann denjenigen zugute kommen, die Biodiversität bewahren. Das ist einer der Grundgedanken der Artenvielfalt-Konvention von Rio de Janeiro.



Was tut Deutschland dabei, oder was müßte es tun?

Man muß sicherlich zu Hause anfangen. Ein wichtiger Punkt ist, die Raumordnung zu verändern. Die neue EG-Agrarreform läßt Spielraum für ökologische Flächennutzung. Die seit langem geforderten Naturkorridore, die 10 Prozent der Fläche ausmachen, sollten endlich her. Ostdeutschland ist noch reich an Naturflächen; die sollten wir schützen.



Die gesamte Landwirtschaft müßte naturschonender praktiziert werden?



Auf einem ökologisch bewirtschafteten Hof kann man etwa 60 bis 80 Vogelarten antreffen, auf konventionell bewirtschafteten Höfen nur zehn oder zwölf – ein Beweis dafür, daß den Methoden der Düngung und Schädlingsbekämpfung sowie den Feldgrößen immense Bedeutung zukommt. Eine vielfaltsfreundliche Landwirtschaft ist demnach möglich und müßte nur ökonomisch interessant gemacht werden.



„Müßte nur“ ist leicht gesagt.



Nun, einiges geschieht bereits heute: Es gibt Flächenstillegungen, ein Wiesenbrüter-Programm in Bayern und auch Feuchtwiesen- und Ackerstreifen-Programme in Nordrhein-Westfalen. In Baden-Württemberg, Bayern und Hessen wurde außerdem der „Wasserpfennig“ eingeführt, der Zurückhaltung bei der Düngung belohnt aufgrund der Erkenntnis, daß ungedüngtes Land viel artenreicher ist als gedüngtes.



Das sind doch aber verordnete Ansätze. Wie sehen Sie das Wechselspiel zwischen staatlicher Regulierung und privater Marktwirtschaft?



Wenn Umweltpolitik nur mit immer mehr Staatseingriffen gestaltet würde, bestünde die Gefahr, daß das Ganze in einer Ökodiktatur endet, die eigentlich keiner wollen kann. Die heutige Umweltpolitik hat eher den Juristen als Adressaten als den Verschmutzer. Deshalb muß man sich nicht wundern, daß insbesondere in Ländern, die nicht reich genug sind, um sich Heerscharen von Juristen und Verwaltungsbeamten zu leisten, diese Art von Umweltpolitik der Natur wenig Erleichterung schafft.

Man sollte viel eher den Markt zum ökologischen Zuchtmeister machen. Das geht aber nur, wenn man dafür sorgt, daß die Preise als hauptsächliches Marktregulans die ökologische Wahrheit vermitteln. Solange sie sozusagen ökologisch lügen, sieht es immer so aus, als wäre es ökonomisch vernünftig, die Natur zu zerstören. Das ist – wie sich nicht länger leugnen läßt – langfristig auch ökonomisch unvernünftig.



Würden aber bei der zunehmenden internationalen Konkurrenz nicht ökologisch progressive Produktionsstandorte zunächst unattraktiv?



Da möchte ich widersprechen. Wenn es nur um die Verschmutzung, um die Schadstoffkontrolle am Ende der Prozesse ginge, dann hätten Sie recht, denn das ist in der Tat meistens teuer. Diejenigen Länder, die diesen Kostenfaktor unterlaufen, hätten zeitweilig einen kleinen ökonomischen Vorteil.

Die Verdoppelung, die Vervielfachung der Ressourcenproduktivität hingegen bringt den Ländern, die sie als erste praktizieren, ökonomische Vorteile und nicht etwa Nachteile. Wenn wir in Deutschland, der Schweiz und Österreich oder in anderen Ländern damit begännen, dann wären die Italiener, die Spanier oder etwa die Ägypter und schließlich auch die uneinsichtigen Amerikaner schön dumm, wenn sie das nicht kopieren würden.



Ein ökologisches Wettrennen, das ökonomisch organisiert wird?

Konventionelle Umweltpolitik kann nicht gut harmonisiert werden, weder mit polizeilichem Druck noch mit gutem Willen. Wenn man hingegen solch ein Wettrennen inszeniert, bei dem derjenige ökonomisch am schnellsten läuft, der die Natur am schonendsten behandelt, so bekommt man die Harmonisierung praktisch gratis.

Ein Beispiel: Länder mit höheren Energiepreisen schneiden ökonomisch besser ab als Länder mit niedrigen Energiepreisen beziehungsweise mit niedriger Energieproduktivität. Es gibt eine Hierarchie des ökonomischen Erfolgs der vier großen Industrieblöcke der Erde in den siebziger und achtziger Jahren: Japan, Westeuropa, die USA, Osteuropa. Sieht man sich einmal die Energiepreise an – diese haben die gleiche Hierarchie. Reiner Zufall ist das nicht!



Das Mittel für Lenkung mit Hilfe des Marktes sind Umweltsteuern?



Eine ökologische Steuerreform. Damit die Preise die ökologische Wahrheit sagen, müssen Energie und Rohstoffe im Laufe der Zeit wesentlich teurer werden. Wenn Energie teurer ist, verändert sich sehr vieles in der Wirtschaft, auch da, woran man zunächst gar nicht denkt. So wird die ökologische Landwirtschaft gegenüber der naturzerstörenden auf einmal ökonomisch sehr viel rentabler. Ein konkretes Beispiel: Das Transportieren von Jungschweinen aus Norddeutschland über die Alpen nach Italien, das Füttern dort für ein paar Wochen, das Schlachten und der Rücktransport des Fleisches nach Norddeutschland würden ökonomisch unvertretbar; die gegenwärtigen Straßentransportpreise machen uns jedoch glauben, dies sei vernünftig.

Wenn Primärrohstoffe teurer würden, entstünden automatisch Märkte für Sekundärrohstoffe, und man brauchte keine zusätzlichen Gebühren für recyclingfähige Verpackungen.



Wäre das die Chance, den weithin diskreditierten „Grünen Punkt“ überflüssig zu machen?



Das Duale System würde sich von selbst rentieren und die Abfallvermeidung Fortschritte machen. Privathaushalte und Gewerbebetriebe würden nicht nur Verpackungsmaterial, sondern praktisch alles, was sie sonst wegwerfen oder nicht mehr benötigen, auf Sekundärrohstoffbörsen zu Geld machen.

Das wichtigste Instrument für den ökonomischen Struktur- und Zivilisa-tionswandel wäre also eine ökologische Steuerreform: Diejenigen Faktoren, die wir alle für wünschenswert halten – menschliche Arbeit, Mehrwertschaffung, Gewerbeaktivität –, werden steuerlich entlastet und dafür Energie- und Rohstoff- oder allgemein Naturverbrauch steuerlich belastet.

Geht es nach den offenkundigen ökologischen Schäden und Gefahren, müßte diese Steuerreform schnell greifen. Andererseits sehen wir, wie schwierig es ist, ganze Volkswirtschaften zu reformieren oder gar grundlegend umzugestalten.



Ich schlage ein sanftes Tempo vor: Der Naturverbrauch sollte jedes Jahr um 5 Prozent teurer werden und die anderen Faktoren entsprechend billiger. Aber diesen Weg sollte man dann 30 bis 40 Jahre durchhalten.

Nach der ökonomischen Theorie müßte das der Volkswirtschaft guttun. Wenn man dann auch noch darauf achtet, daß sämtliche heute bestehenden Anlagen abgeschrieben werden können und lediglich kein Investitionskapital mehr in neue dinosaurierhafte Objekte herkömmlicher Technologie gesteckt wird, dann wüßte ich nicht, wo volkswirtschaftliche Verluste herkommen könnten.

Die EG-Kommission scheint mittlerweile ebenso zu denken. Sie schlägt einen gleitenden Anstieg der Energiepreise und der Kohlendioxid-Emissionspreise bis zum Jahre 2000 um 10 Dollar pro Faß Öl vor. Den Pfad muß man dann noch 30 weitere Jahre verfolgen.



Alle schlüssig anmutenden Modelle haben doch einen gravierenden Mangel: Sie sind eurozentristisch, berücksichtigen also die anderen großen Weltkulturen kaum oder gar nicht. Könnte nicht ein Moslem, Hindu oder Buddhist, Indio, Chinese oder Papua diese Konzepte ganz anders sehen? Wir stellen, wenn es bei der Realisierung um globalen demokratischen Konsens ginge, nicht die Mehrheit auf dieser Welt.



Das ist eine berechtigte Frage. Einer der größten Fehler des Nordens war immer, den Süden belehren zu wollen. Wir im Norden sind aber auch die Hauptschuldigen an der ökologischen Katastrophe. Es wird also mit Sicherheit der Erde guttun, wenn zuerst einmal wir uns verändern.

Der Süden hat in der Vergangenheit noch immer – gezwungen oder freiwillig – versucht, den Norden zu kopieren. Die beste Chance, die Welt wieder ökologisch einigermaßen in Ordnung zu bekommen, ist, daß der Norden sich verbessert, daß er ein umweltverträgliches Wohlstandsmodell entwickelt.

Im übrigen hoffe ich sehr, daß die Menschen der anderen Weltkulturen aus ihrer Sicht ebenfalls solche Konzepte erarbeiten, damit ein konstruktiver Dialog möglich wird.

Hat mit dem Erdgipfel – und das war ja nach Stockholm 1972 bereits die zweite große Konferenz dieser Art der Vereinten Nationen – dieser Dialog verstärkt eingesetzt? Die einen sagen, die Mammutveranstaltung von Rio de Janeiro sei vor allem ein Medienereignis gewesen. Andere kritisieren, daß bestimmte Konventionen nicht zum Abschluß gekommen sind. Die ganze Bevölkerungsproblematik ist nicht konsequent behandelt worden. Die USA haben die Artenvielfalt-Konvention nicht unterschrieben. Und die Versprechungen, 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für die Entwicklungsländer zu spenden, sind erneut auf die Zukunft verschoben worden.



Das Ergebnis läßt sich dennoch sehen. Die Klima- und die Artenvielfalt-Konvention wurden verabschiedet. Einstimmig wurde die Agenda 21, eine Art Pflichtenheft für das 21. Jahrhundert, angenommen, und man einigte sich auch prinzipiell über die finanziellen Mittel zur Abarbeitung dieser Verpflichtungen. Ferner wurden Prinzipien für den Schutz der Wälder festgelegt, nach großem Engagement von Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Man beschloß, eine Konvention zum Schutze vor der Wüstenausbreitung vorzubereiten, und es wurde die Kommission für nachhaltige Entwicklung eingerichtet, die das Abarbeiten der Agenda 21 überwachen soll. Es ist schließlich die „Rio-Deklaration“ über ökologisch dauerhafte Entwicklung verabschiedet worden.



Die ökologische Wende also?



Selbstverständlich ist das noch nicht die große ökologische Wende, aber es ist ein Einstieg. Vergessen Sie nicht den intensiven, über drei Jahre laufenden Vorbereitungsprozeß! Und was das Medienspektakel betrifft – Hunderte Millionen Menschen weltweit, vielleicht gar eine Milliarde, haben auf einmal gemerkt: Das ist das große heutige Thema!

Was ich besonders wichtig finde: Der Norden hat angefangen zu begreifen, daß Umweltschutz nicht gleichzusetzen ist mit Entschwefelungsanlagen und Katalysatoren, dritter Klärstufe und Müllverbrennung, also den klassischen Themen der Umweltpolitik, sondern – wie es die Londoner „Times“ ausgedrückt hat: „The North is the Polluter“, die hochentwickelte Erste Welt ist der Hauptschuldige an der unheilvollen Entwicklung des Ökosystems Erde.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 1993, Seite 104
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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