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Neurolinguistik: Wir verstehen uns!

Hirnforscher ergründen, was beim Alltagsplausch im Kopf vorgeht.
Zwei junge Menschen unterhalten sich.

"Hast du mal 'n Zehner?" – "Nimm doch die Karte!"

Dieser Dialog vor einem Fahrkartenautomaten ist für die Beteiligten, nennen wir sie Anne und Peter, problemlos verständlich. Dabei läuft hier ein wahres Panoptikum an Wahrnehmungs- und Analyseprozessen in den Gehirnen der beiden Gesprächspartner ab: Peter weiß sofort, dass Anne einen Zehn­euroschein meint, nicht etwa eine Zehncentmünze oder gar einen Zehnerschlüssel fürs Fahrrad. Und er erkennt auch, dass die Frage eigentlich als Aufforderung gemeint ist. Ein schlichtes "Ja" hätte Anne irritiert – wortlos das Portemonnaie zu zücken, den Schein herauszuholen und weiterzureichen, dagegen nicht. Auch dass sich hinter der "Karte" in Peters Antwort eine EC-Karte verbirgt, erschließt sich rein sprachlich zunächst keineswegs von allein. Könnte vielleicht auch eine schon vorhandene Fahrkarte, eine Eintrittskarte fürs Kino oder gar eine Landkarte gemeint sein?

Sie halten das Missverständnis "Landkarte" für weit hergeholt? Nicht wenn man ein Computerprogramm ist! Ein Onlineprogramm für Türkisch übersetzt hier "Karte" mit "harita" für Landkarte statt mit "kart" für EC-Karte. Der ganze Dialog aus dem Türkischen rückübersetzt lautet nach dem Programm: "Haben überhaupt eine Zehnheit?" – "Bloß Landkarte nehmen!"

Nahezu jede sprachliche Äußerung enthält Mehrdeutigkeiten, die auch die besten maschinellen Sprachverarbeitungssysteme überfordern ...

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  • Quellen

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