Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Neuroprothesen: Durchbruch im Cyborg-Labor

Hirnimplantate sollen Querschnittsgelähmten wieder zu selbstständigen Bewegungen verhelfen. Eine neue Generation von ­Hirn-Computer-Schnittstellen kommt diesem Ziel beachtlich nah.
Querschnittsgelähmter Mann mit Elektroden im Hirn

Jedes Mal, wenn ich daran zurückdenke, be­komme ich eine Gänsehaut: Erik Sorto, der seit seinem 21. Lebensjahr wegen einer Schussver­letzung vollständig gelähmt ist, sitzt in meinem Labor und trinkt zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder selbstständig ein Bier. Ein Jahr zuvor hatten ihm mein Team und ich am California Insti­tute of Technology in Pasadena Elektroden in die Hirnrinde implantiert, um die Bewegungssignale des Gehirns zu registrieren und an einen elektromechanischen Arm weiterzuleiten. Nun ergreift dieser die Bierflasche und führt sie an Sortos Lippen. Fasziniert beobachten wir, wie unser Proband diese vermeintlich einfache, in Wirklichkeit jedoch hochkomplexe Aufgabe bewältigt.

Tag für Tag bewegen wir unsere Gliedmaßen, ohne darüber nachzudenken. Wie aber lässt sich eine mechanische Prothese per Gedankenkraft steuern? Es gibt zwei Hauptklassen solcher so genannten Hirn-Computer-Schnittstellen (kurz: BCI von englisch "brain computer interface"). Bei der einen überträgt ein Gerät elektrische Signale an Nervenzellen im Gehirn. Die Technik bildet die Grundlage für zahlreiche bereits von Patienten genutzte Implantate, beispielsweise das Cochlea­implantat. Die Innenohrprothese stimuliert den Hörnerv von gehörlosen Menschen, wodurch sie Töne wahrnehmen.

Die tiefe Hirnstimulation stellt eine weitere An­wendung der ersten Klasse von BCIs dar. Gezielte elek­trische Impulse in den Basalganglien können etwa die meist sehr belastenden motorischen Störungen von Parkinsonpatienten mildern. Auf einem ähnlichen Prinzip basierende Geräte zur Stimulation der Netzhaut für Blinde werden derzeit klinisch getestet.

Die zweite Gruppe der Hirn-Computer-Schnitt­stellen befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Diese Geräte zeichnen neuronale Aktivität aus dem ­Gehirn auf und nutzen sie beispielsweise zum Steuern von ­Prothesen. Recht grobe Messverfahren sind die Elek­troenzephalografie (EEG) und die funktionelle Mag­netresonanztomografie (fMRT). Erstere misst die ­durchschnittliche Aktivität des Hirngewebes von der ­Schä­del­oberfläche. Dabei registriert sie lediglich die aufsummierten Signale von vielen Millionen Nervenzellen.

Die fMRT erlaubt eine etwas bessere räumliche Auflösung, erfasst die Hirnaktivität aber nur indirekt über die Durchblutung des Hirngewebes. Das führt zu sehr starken zeitlichen Verzögerungen, weshalb das Verfahren nicht dazu geeignet ist, rasche Veränderungen zu registrieren. ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Der Umbau der Chemieindustrie

Täglich entstehen in riesigen Fabriken zahllose Stoffe, die wir in unserem Alltag nutzen – allerdings nur dank fossiler Rohstoffe und eines extrem hohen Energieverbrauchs. In dieser »Woche« geht es um den Umbau der Chemieindustrie hin zur Klimaneutralität. Außerdem: Gibt es sie, die »Zuckersucht«?

Spektrum - Die Woche – Wie ich atme, so fühle ich

Ganz unbemerkt atmen wir täglich zirka 20.000-mal ein und wieder aus. Dabei ist das, was währenddessen in unserem Körper passiert, alles andere als banal. Und wird sogar von unserem Gemüt beeinflusst. Lesen Sie in der aktuellen »Woche«, wie die Teamarbeit von Hirn und Lunge gelingt.

Spektrum - Die Woche – Liebes Gehirn, konzentrier dich doch mal!

Unser Gehirn empfängt ununterbrochen Reize aus unserer Umgebung. Wie können wir trotzdem fokussiert sein und uns auf bestimmte Dinge konzentrieren? In dieser Ausgabe der »Woche« widmen wir uns dem Phänomen der Aufmerksamkeit und Konzentration. Außerdem: Neutrino-Experiment KATRIN bekommt Konkurrenz.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Aflalo, T. et al.: Decoding motor imagery from the posterior parietal cortex of a tetraplegic human. Science 348, 2015

Armonta Salas, M. et al.: Proprioceptive and cutaneous sensations in humans elicited by intracortical microstimulation. eLife 7, e32904, 2018

Flesher, S. N. et al.: Intracortical microstimulation of human somatosensory cortex. Science Translational Medicine 8, 361ra141, 2016

Hochberg, L. R. et al.: Reach and grasp by people with tetraplegia using a neutrally controlled robotic arm. Nature 485, 2012

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.