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Gedächtnis: Manipulierte Erinnerungen

Mit Medikamenten, Strom oder sogar Licht wollen Hirnforscher Gedächtnisinhalte gezielt verändern. Beim Menschen sind die Grenzen der Einflussnahme bisher eng gesteckt – Versuche an Tieren zeigen aber ein beunruhigendes Potenzial.
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Am Valentinstag lernt der schüchterne Joel zufällig die extrovertierte Clementine kennen. Sie fühlen sich trotz ihrer gegensätzlichen Persönlichkeiten sofort zueinander hingezogen. Das könnte der Beginn einer wundervollen, wenn auch vorhersehbaren Liebesgeschichte werden. Doch es kommt anders: Die beiden Turteltauben waren nämlich schon einmal ein Paar – ohne dass sie es wissen. Denn nach einem Streit ließ Clementine jede ­Erinnerung an die Beziehung ausradieren. Joel folgte ihrem Beispiel. Zu diesem Zweck musste er alle ihn an Clementine erinnernden Gegenstände mitbringen. Mit ihrer Hilfe erstellte ein Arzt eine neuronale Karte der zugehörigen Verknüpfungen in Joels Hirn – und die wurde anschließend gelöscht.

Natürlich ist diese Geschichte aus dem Film "Vergiss mein nicht!" nur der Fantasie eines ­Hollywood-Autors entsprungen. Doch die Fortschritte der Hirnforschung in den vergangenen Jahren vermitteln den Eindruck, dass wir davon gar nicht mehr so weit entfernt sind. Neurowissenschaftler können zwar noch kein komplexes Geflecht an Erinnerungen löschen – sie arbeiten aber seit Jahren daran, zumindest einzelne Inhalte aus dem Gedächtnis zu tilgen.

Marijn Kroes und seine Kollegen von der Radboud-Universität im niederländischen Nimwegen versuchten dies etwa mit Hilfe der Elektrokrampftherapie. Dabei werden über am Schädel angebrachte Elektroden elektrische Ströme ins Gehirn geleitet. Obwohl sie bei Laien keinen guten Ruf genießt, ist die Methode manchmal die letzte Hoffnung bei der Behandlung von schweren Depressionen ...

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Gehirn&Geist – Wer entscheidet? Wie das Gehirn unseren freien Willen beeinflusst

Was bedeutet es, ein Bewusstsein zu haben? Haben wir einen freien Willen? Diese Fragen beschäftigt Neurowissenschaft, Philosophie und Theologie gleichermaßen. Der erste Artikel zum Titelthema zeichnet die Entwicklung der neurowissenschaftlichen Forschung nach und zeigt, wie das Gehirn das subjektive Erleben formt. Anschließend geht es im Interview mit dem Neurophilosophen Michael Plauen um die Frage, ob wir frei und selbstbestimmt handeln, oder nur Marionetten unseres Gehirns sind. Die Antwort hat Konsequenzen für unser Selbstbild, die Rechtsprechung und unseren Umgang mit KI. Daneben berichten wir, wie virtuelle Szenarien die traditionelle Psychotherapie erfolgreich ergänzen und vor allem Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen lindern können. Ein weiterer Artikel beleuchtet neue Therapieansätze bei Suchterkrankungen, die die Traumata, die viele Suchterkrankte in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben, berücksichtigen. Zudem beschäftigen wir uns mit der Theorienkrise in der Psychologie: Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer erklärt, warum die Psychologie dringend wieder lernen muss, ihre Theorien zu präzisieren.

Gehirn&Geist – Verbrechen: Die Psychologie des Bösen

Warum faszinieren wahre Verbrechen? True Crime ist ein Spiegel unserer psychologischen Neugier: Was macht Menschen zu Tätern – und wie gelingt es Ermittlern, die Wahrheit ans Licht zu bringen? In dieser Ausgabe geht es um die Kräfte, die Menschen in den Abgrund treiben oder zurückholen. Wir zeigen, warum Rache selten Frieden bringt, wie gefährliche Häftlinge in Sicherungsverwahrung leben, was das Stockholm-Syndrom über Überlebensstrategien verrät und mehr.

Spektrum Kompakt – Gedächtnis

»Es liegt mir auf der Zunge« – dieses Gefühl kennt wohl jeder. Manches bleibt nie im Gedächtnis hängen, anderes über Jahre hinweg. Erinnern und Vergessen sind komplexe Prozesse, die noch nicht vollständig verstanden sind und von digitalen Helfern, aber auch durch Schlaf beeinflusst werden.

  • Quellen

de Lavilléon, G. et al.: Explicit Memory Creation During Sleep Demonstrates a Causal Role of Place Cells in Navigation. In: Nature Neuroscience 18, S. 493-495, 2015

Kroes, M. C. et al.: An Electroconvulsive Therapy Procedure Impairs Reconsolidation of Episodic Memories in Humans. In: Nature Neuroscience 17, S. 204-206, 2014

Liao, S. M., Sandberg, A.: The Normativity of Memory Modification. In: Neuroethics 1, S. 85-99, 2008

Mohamed A. D., Sahakian B. J.: The Ethics of Elective Psychopharmacology. In: The International Journal of Neuropsychopharmacology 15, S. 559-571, 2012

Parsons, R. G., Ressler, K. J: Implications of Memory Modulation for Post-Traumatic Stress and Fear Disorders. In: Nature Neuroscience 16, S. 146-153, 2013

Ramirez, S. et al.: Creating a False Memory in the Hippocampus. In: Science 341, S. 387-391, 2013

Redondo, R .L et al.: Bidirectional Switch of the Valence Associated With a Hippocampal Contextual Memory Engram. In: Nature 513, S. 426-430, 2014

Schleim, S.: Whose Well-Being? Common Conceptions and Misconceptions in the Enhancement Debate. In: Frontiers in Systems Neuroscience 8, Artikel Nr. 148, 2014

Shaw, J., Porter, S.: Constructing Rich False Memories of Committing Crime. In: Psychological Science 26, S. 291-301, 2015

Spiers H. J., Bendor, D.: Enhance, delete, incept: manipulating hippocampus-dependent memories. In: Brain Research Bulletin 105, S. 2-7, 2014

Wang, J. X. et al.: Targeted Enhancement of Cortical-Hippocampal Brain Networks and Associative Memory. Science 345, S. 1054¬-1057, 2014

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