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Optische Resonatoren aus feinsten Tröpfchen

Feinste Teilchen oder Tröpfchen – Mikropartikel – sind derzeit Gegenstand intensiver Forschungen. Ihre Eigenschaften könnten beispielsweise eine neue Lasertechnik begründen. Auf pharmazeutischem Gebiet bilden Mikrokapseln schon jetzt eine hochaktuelle Arzneiform, deren Gebrauch sich aber erst am Anfang einer äußerst vielversprechenden Entwicklung befindet. Die Mikroverkapselung mit biologisch abbaubaren Polymeren ist auch die derzeit effektivste Form für einen Wirkstoffeinsatz in der Land- und Forstwirtschaft.

Wohl eines der bekanntesten und eindrucksvollsten Beispiele für das Zusammenspiel von Licht und Mikropartikeln ist der Regenbogen auf den der Sonne gegenüberliegenden Wolken- oder Regenschleiern. Die Sonnenstrahlen werden an den Grenzflächen zwischen der Luft und den feinen Wassertröpfchen teils gebrochen, teils gebeugt und an deren Innenfläche ein- oder zweimal reflektiert; dabei nach Wellenlängen getrennt, überlagern sie einander schließlich zu dem in allen Spektralfarben leuchtenden Kreissegment.

Die uns interessierenden Partikel haben mit denen, die den Regenbogen hervorbringen, vieles gemeinsam: Sie bestehen ebenfalls aus Flüssigkeiten und sind überdies etwa gleich groß, nämlich einige bis einige hundert Mikrometer (tausendstel Millimeter) im Durchmesser. Was sie so interessant für Wissenschaft und Technik macht, sind zum einen ihre nahezu ideale Kugelform und die damit verbundenen optischen Eigenschaften; beispielsweise lassen sich an ihnen Phänomene der nichtlinearen Optik studieren und Theorien der Quantenelektrodynamik überprüfen. Zum anderen sind sie fast allgegenwärtig und darum Gegenstand intensiver Forschung.

Es gibt Mikropartikel nicht nur in der Atmosphäre, wo sie als Aerosol für das lokale und globale Klima bedeutsam sind, sondern etwa auch in medizinischen Sprays oder beim Einspritzen des Treibstoffs in Dieselmotoren. Zwischen solchen Tröpfchen und dem gasförmigen Medium, in dem sie schweben, finden zudem dynamische Austauschprozesse statt, entweder durch Verdunstung von in ihnen enthaltenen Substanzen oder durch Kondensation von Dämpfen aus dem Medium auf ihrer Oberfläche; diese Stofftransporte können wiederum durch chemische Reaktionen noch komplizierter werden.

Aufgrund detaillierterer Kenntnisse der optischen Eigenschaften von Mikropartikeln hofft man Meßmethoden zu entwickeln, mit denen sich beispielsweise Prozesse der chemischen oder pharmazeutischen Verfahrenstechnik besser verstehen und somit auch steuern lassen. Insbesondere wegen ihrer Resonator-Qualitäten beschäftigt man sich mit Mikrokugeln aus Flüssigkeiten.


Entstehen von Resonanz

Ihre Gestalt formt sich unter der Wirkung der Oberflächenspannung, sofern keine weiteren Kräfte eine Rolle spielen, weil eine Kugel bei gegebenem Volumen die geringste Oberfläche, ein so geformter Tropfen mithin die kleinste Oberflächenenergie hat. Eben solche Mikropartikel sind, wie sich gezeigt hat, optische Resonatoren von hervorragender Qualität – vorausgesetzt, sie absorbieren nur wenig Licht. Gelangt nämlich ein Lichtstrahl durch Beugung in das Innere eines Mikropartikels, wird er an der Grenzfläche zur Luft total reflektiert und läuft darum an der Kugelinnenseite als Oberflächenwelle um und um. Dabei ist die elektrische Feldstärke an der vom einfallenden Strahl abgewandten Seite maximal, denn die Kugelform lenkt gebrochene Lichtstrahlen wie bei einer Linse zu einem Brennpunkt. Beträgt der pro Umlauf zurückgelegte Weg ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge, überlagert sich die Welle dabei phasenrichtig, also Maximum mit Maximum und Minimum mit Minimum, und wird dann zur stehenden Oberflächenwelle. Von der Frequenz des eingestrahlten Lichts und dem Durchmesser des Tröpfchens hängt also ab, ob optische Resonanz eintritt. Ist das der Fall, kann die Feldstärke der Oberflächenwelle sehr große Werte erreichen (Bild 1). Generell gilt: Je größer die Mikrokugel, desto häufiger kann Totalreflektion bei einem Umlauf stattfinden und somit die Feldstärke im Resonanzfall ansteigen. Andererseits wird das System mit wachsendem Weg zwischen Ein- und Austritt des Lichts störanfälliger gegen kleinste Abweichungen vom Resonanzdurchmesser. Deshalb hat man alle mit den optischen Resonanzen zusammenhängenden Phänomene bisher nur bei Mikrotröpfchen beobachten können, insbesondere an den ideal kugelig geformten; größere sind sozusagen nicht rund genug. Die Qualität dieser neuartigen optischen Resonatoren ist außerordentlich hoch. Bei Laser-Spiegelsystemen, welche die Lichtwelle immer wieder in das aktive Medium reflektieren, hat sich als Maß der Resonatorgüte der sogenannte Q-Faktor eingebürgert; er gibt unter anderem an, wie langsam die im Resonator eingefangene Energie durch Verluste absinkt. Während heute verwendete Laser-Resonatoren einen Q-Faktor von (eine Million) erreichen, sind bei nichtabsorbierenden Mikropartikeln Werte bis zu theoretisch möglich; die Energie bliebe also um ein Vielfaches länger erhalten.

Wissenschaftliche und technische Anwendungen

Diese Eigenschaften können beispielsweise in der experimentellen Quantenelektrodynamik nützlich sein. Untersucht man die Absorptions- und Emissionseigenschaften von Atomen und Molekülen in Hohlräumen, lassen sich Berechnungsergebnisse mit hoher Präzision anhand des Strahlungsverhaltens von Mikrokugeln überprüfen.

Ein anderer Anwendungsbereich sind Untersuchung und Realisierung nichtlinearer optischer Effekte. Wann immer die in ein Medium einstrahlende Lichtintensität ausreichend hoch ist, so daß sich die Wechselwirkung mit dem Material nicht mehr vollständig durch lineare Gleichungen beschreiben läßt, treten neue, nichtlineare Phänomene auf, deren Analyse oft Rückschlüsse auf das Medium ermöglicht, wie etwa bei der stimulierten Raman- oder Brillouin-Streuung. Beide beruhen auf Wechselwirkungen von Photonen mit den Schwingungen von Molekülen oder Festkörpern, bei denen die ursprüngliche Wellenlänge des Lichts verändert wird; den jeweiligen linearen Effekt entdeckten der Inder Sir Chandrasekhara Venkata Raman (1888 bis 1970), wofür er 1930 den Nobelpreis erhielt, beziehungsweise der französisch-amerikanische Physiker Léon-Nicolas Brillouin (1889 bis 1969). Diese Effekte hängen ab bestimmten Schwellenwerten nicht mehr linear von der Intensität des Lichts ab, sondern wachsen wesentlich stärker an; diese stimulierten Prozesse wurden erstmals in den sechziger Jahren bei der Streuung von Laserlicht beobachtet. Da bei Anregung der Resonanzen in Mikropartikeln sehr hohe Feldstärken auftreten, sind dort alle Voraussetzungen für die Untersuchung oder Anwendung dieser Phänomene erfüllt.

Ein weiteres Beispiel für einen nichtlinearen optischen Prozeß ist die stimulierte Laser-Emission. Indem man einem Medium mit Hilfe elektromagnetischer Strahlung Energie zuführt, kann man in vielen Fällen erreichen, daß die Zahl der Elektronen in höheren Energiezuständen größer ist als die derjenigen in tieferen (der Fachbegriff für diesen Zustand ist Besetzungszahl-Inversion). Springt ein Elektron dann auf das energetisch niedrigere Niveau zurück, und entsteht dabei ein Photon, so kann dieses eine ganze Lawine solcher Übergänge anregen, und es kommt zur Laser-Emission. Bringt man das Laser-Medium zwischen zwei Spiegel, so durchläuft der Lichtstrahl es immer wieder und wird durch den beschriebenen Prozeß verstärkt, bis er schließlich den Resonator verläßt. Die Eigenschaften des Laserstrahls hängen entscheidend von der Resonatorgüte ab.

Dieses Grundprinzip läßt sich auch mit Mikrokugeln realisieren; allerdings müssen sie für eine praktische Anwendung fest statt flüssig sein. Der große Vorteil solcher Mikrolaser – das ist die Motivation derzeitiger Entwicklungsarbeiten – wäre eben deren wesentlich höhere Resonatorgüte, die – wie erwähnt – Q-Faktoren bis zu 1020 entspricht.


Meßverfahren

Häufig ist es wichtig zu verstehen, wie Mikrotröpfchen, die bei technischen Prozessen entstehen, verdunsten. Dies experimentell zu untersuchen ist aber oft schwierig oder wegen wenig geeigneter Methoden mitunter unmöglich. Große Hoffnungen setzt man nun auf die optische Analyse der Partikel; dies ist das Hauptarbeitsgebiet unserer Gruppe. Dazu stehen uns im wesentlichen drei Techniken zur Verfügung: die elektrodynamische Waage, die optische Pinzette und die Partikelkette.

Bei Anwendung der elektrodynamischen Waage wird ein einzelnes elektrisch geladenes Mikropartikel in einem elektrischen Feld zwischen Kondensatorplatten eingefangen, ähnlich wie in dem berühmten Versuch, in dem der Amerikaner Robert Andrews Millikan (1868 bis 1953) die elektrische Elementarladung – also die eines Elektrons – an einem Öltröpfchen bestimmte; unter anderem dafür erhielt er 1923 den Nobelpreis. Durch die Formgebung der Platten und ein Wechselfeld beschränkt man den Bewegungsspielraum des Teilchens und stabilisiert es so im Raum.

Als elegante Methode hat sich des weiteren die optische Pinzette bewährt (Spektrum der Wissenschaft, April 1992, Seite 68, und Juli 1992, Seite 22). Dabei fixiert ein vertikal fokussierter Laserstrahl das Mikropartikel durch den von den Photonen ausgeübten Lichtdruck, so wie die Fontäne eines Springbrunnens einen Ball in der Luft halten kann. Weil sich der Laserstrahl oberhalb des Brennpunkts wieder weitet und der Strahlungsdruck somit von dort an abnimmt, wandert das Tröpfchen dorthin, wo sich optische und gravitative Kraft gerade kompensieren. Gleichzeitig erfährt es auch eine quer zur Strahlachse gerichtete Kraft: Entspricht der Durchmesser des Laserstrahls etwa dem des Partikels, nimmt die Strahlungsflußdichte nach außen hin deutlich ab, was sich als Unterschied im Strahlungsdruck und damit als radiale Kraft äußert. Wie Rechnungen zeigen, zwingt sie das Tröpfchen zur Strahlachse. Es findet durch dieses Kräftespiel sozusagen von selbst seinen stabilen Platz im Lichtstrahl (Bild 2). Das mit der optischen Pinzette im Raum gehaltene Partikel kann nun in aller Ruhe untersucht werden; dabei dient der fixierende Lichtstrahl auch als Meßinstrument.

Um etwa sehr genau zu bestimmen, wie sich die Größe von Tröpfchen infolge von Verdunstung ändert, eignet sich ein Resonanzverfahren: Immer dann, wenn ihr Durchmesser für eine gegebene Wellenlänge Resonanz ermöglicht, ist – wie beschrieben – die Feldstärke im Partikelinneren am höchsten, desgleichen die dazu proportionale Stärke der Raman-Streuung. Während der Verdunstung nehmen Durchmesser und zunächst auch Stärke der Raman-Streuung ab, bis erneut Resonanz auftritt, und so fort (Bild 3). Da der Parameterbereich, in dem jeweils Resonanz auftritt, sehr eng ist und präzise berechnet werden kann, erhält man auf der Meßkurve äußerst exakte Werte der Partikelgröße; die Toleranz beträgt weniger als ein Nanometer (millionstel Millimeter).

Solche Messungen eignen sich gut zur Bestimmung des Dampfdrucks von schwer flüchtigen Substanzen, weil die im Verhältnis zum Volumen sehr große Oberfläche eines Mikrotröpfchens im Vergleich zu der eines Flüssigkeitsspiegels in einem Meßgefäß schneller eine relative Volumenänderung bewirkt. Aber auch Reaktionen an der Oberfläche oder im Inneren der Partikel selbst lassen sich untersuchen. Mittels Raman-Streuung vermag man beispielsweise die Veränderung ihrer stofflichen Zusammensetzung und Temperatur als Funktion der Zeit zu messen. Dabei reicht die Empfindlichkeit der Nachweismethoden aus, um Stoffmengen von einigen Pikogramm (billionstel Gramm) zu bestimmen.

Sind hingegen sehr schnelle Prozesse zu verfolgen, so ist die Partikelkette als dritte Methode vorzuziehen. Dabei werden gleichartige Teilchen in rascher Folge erzeugt, mit Laserstrahlen beleuchtet und die resultierenden linearen und nichtlinearen Effekte mit einer Videokamera aufgezeichnet. Eine solche Folge stellt gewissermaßen die Lebenslinie des jeweiligen Partikeltyps dar, denn es reihen sich darin Mikrokugeln aneinander, die um so älter sind, je weiter sie sich von ihrem Entstehungsort entfernt haben.

Um eine Kette nahezu identischer Tröpfchen zu erzeugen, schießt man einen Flüssigkeitsstrahl durch eine Blende; ein typischer Durchmesser der Öffnung ist etwa 20 Mikrometer. Wenn der erzeugende Druck periodisch schwankt, zerfällt der Strahl in eine Reihe von Partikeln, deren Durchmesser um weniger als ein Zehntausendstel des mittleren Wertes variieren (vergleiche auch Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1990, Seite 116). Daran läßt sich dann gut das Verdunsten leicht flüchtiger Komponenten aus einer Flüssigkeit oder deren Lösen darin untersuchen, wobei Ereignisse in Abständen von weniger als einer zehntausendstel Sekunde unterschieden werden können (Bilder 4 und 5).

Je höher die Lichtausbeute ist, desto empfindlicher arbeitet dieses Verfahren. Deshalb setzen wir auch nichtlineare Raman-Streuung ein, die um Größenordnungen deutlichere Effekte zeigt. Die stimulierte Raman-Streuung – wie bei der Laser-Emission hat die hohe eingestrahlte Lichtintensität zur Folge, daß ein Teil der entstehenden Photonen den Prozeß weiter verstärkt – ist sogar mit bloßem Auge sichtbar; zum Nachweis der linearen sind hingegen hochempfindliche Detektoren erforderlich. Allerdings spielen sich stimulierte Prozesse nur im Resonanzfall ab und reagieren daher sehr sensibel auf Deformationen der Partikel. Außerdem ist ihre quantitative Interpretation noch schwierig.

Die Forschung auf dem Gebiet der optischen Eigenschaften von Mikropartikeln ist derzeit aber im vollen Gange. Schon jetzt ist abzusehen, daß außer dem reinen Erkenntnisgewinn auch sehr leistungsfähige neue optische Meßmethoden die Mühen lohnen werden.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1994, Seite 110
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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