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Naturalismus: Wie hält sich der Geist am Körper fest?

Bewusstseinsphilosophen versuchen den ­Brückenschlag von der Physik zu unseren mentalen Zuständen. Doch das dahinterliegende dualistische Weltbild ist längst überholt.
Buchcover Gabriel squer

In der Philosophie des Geistes geht es ganz offensichtlich um den Geist. Doch dies ist weniger selbstverständlich, als es auf den ersten Blick scheint. Im letzten Jahrhundert entstand nämlich eine neuartige Herangehensweise an die Philosophie des Geistes, die auf Englisch so genannte "philosophy of mind", paradigmatisch dargestellt in Bertrand Russells Buch "Die Analyse des Geistes" von 1921. Das, was man auf Deutsch die "Philosophie des Geistes" nennt, leitet sich heute auch im deutschen Sprachraum bei vielen Autoren von der englischsprachigen Disziplin der "philosophy of mind" ab. Auf Deutsch wäre allerdings Bewusstseinsphilosophie eher eine zutreffende Übersetzung von "philosophy of mind", die ich benutzen möchte, um diese neue Richtung von vorherigen Denkbewegungen unterscheiden zu können.

Das problematische Neue an diesem Ansatz liegt nicht so sehr im Inhalt, sondern vielmehr darin, dass der Philosophie des Geistes nun in der bewusstseinsphilosophischen Ausrichtung die Aufgabe zugewiesen wird, die Antwort auf eine präzise gestellte Frage zu suchen: Was ist das Merkmal dafür, dass etwas ein mentaler Zustand oder ein mentales Ereignis ist? Diesem heute weitverbreiteten Verständnis zufolge soll die Philosophie des Geistes zunächst ein "Merkmal des Mentalen" ("mark of the mental") erarbeiten. Das von den meisten akzeptierte Merkmal ist dabei das Bewusstsein, weshalb die Philosophie des Geistes sich allzu einseitig auf ein einziges Vermögen des menschlichen Geistes, das Bewusstsein, konzentriert hat.

Die genannte Frage nach dem Merkmal des Mentalen ergibt sich vor dem Hintergrund der modernen Annahme, dass vieles von demjenigen, was wir einmal für geistig gehalten haben mögen, sich als rein natürlich herausgestellt hat. Hier drängt sich wieder einmal der moderne Kampf gegen den Aberglauben auf: Während man einmal glauben mochte, dass die Himmelskörper sich in regelmäßigen Bahnen und Konstellationen drehen, um uns Botschaften der Götter zu übermitteln, haben wir in der Moderne endgültig erkannt, dass das Universum keine solchen Botschaften an uns enthält. Die regelmäßigen Bewegungen der Himmelskörper lassen sich mechanisch erklären, hinter ihnen verbirgt sich weder Absicht noch Geist irgendeiner sonstigen Art ...

Der Sinn des Ganzen
Antrittsvorlesung von Markus Gabriel 2010 als Deutschlands jüngster Philosophieprofessor

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  • Quellen und Literaturtipps

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem neuen Buch von Markus Gabriel: "Ich ist nicht Gehirn: Philosophie des Geistes für das 21. Jahrhundert", das am 6. November 2015 bei Ullstein erscheint.

Literaturtipp

Gabriel, M.: Warum es die Welt nicht gibt. Ullstein, Berlin 2013

Hintersinnige Argumentation gegen die These, das menschliche Denken habe keinen Zugang zu den Dingen "an sich" (siehe auch die Rezension in Gehirn&Geist 3/2014, S. 86)

Quellen

Gadamer, H.-G.: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Mohr Siebeck, Tübingen 1990

Hegel, G. W. F.: Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte. Meiner, Hamburg 2013

Hogrebe, W.: Riskante Lebensnähe. Die szenische Existenz des Menschen. Akademie, Berlin 2009

Russell, B.: Die Analyse des Geistes. Meiner, Hamburg 2004

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