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Präzisionslager aus Glaskeramik


Rotierende Spiegel und Prismen etwa zur Lichtführung in Scannern und Druckern werden mit immer höheren Drehzahlen betrieben und sollen dabei zunehmend genauer arbeiten. Leistungsverluste des elektrischen Antriebs erzeugen Wärme, die metallene Lager verformen und somit die Laufeigenschaften mindern kann; damit setzt zudem Verschleiß ein.

Deshalb werden neuerdings auch Glas und Glaskeramiken für diese Anwendung untersucht. Diese Materialien sind korrosionsbeständig und einfach zu reinigen sowie sehr gut zu beschichten; sie werden weder von elektrischen noch von magnetischen Feldern beeinflußt, leiten Wärme schlecht und verformen sich fast nicht bei Temperaturerhöhung.

Die Lager der bewegten Teile müssen zudem sehr gut geschmiert sein, damitdie Reibungswärme verringert wird; als Schmiermittel eignet sich komprimierte Luft. Zur Fertigung und Montage solcher Präzisionslager aus Glas und Glaskeramiken können bewährte Techniken der optischen Industrie dienen – Schleifen, Läppen und Polieren sind sogar weniger aufwendig als die Ultrapräzisionsbearbeitung metallischer Werkstoffe mit mono-kristallinen Diamantwerkzeugen, erlauben aber trotzdem, Genauigkeiten von millionstel Millimetern einzuhalten.

Um erstmals die Möglichkeiten dieser Kombination von Werkstoffen und Lagertechnik auszuloten, entwickelten wir verschiedene Varianten einer Scanner-Baugruppe zur definierten Strahlablenkung in einem optischen System. Das lichtführende Element ist ein rotierender Polygonspiegel auf einer Lagerwelle, der elektrisch angetrieben wird. Luft wird durch Düsen in den Lagerspalt gepreßt, damit sich ein ausreichendes Gaspolster bildet. Dazu muß man sie zuvor reinigen und komprimieren; auf dem Weg zum Spaltrand entspannt sie sich wieder. Solche aerostatischen Lager sind aber nur bei relativ großen Flächen und mehreren Düsen ausreichend tragfähig und stabil.

Im Unterschied dazu erzeugen selbstschmierende beziehungsweise aerodynamische Lager den Überdruck an Ort und Stelle durch Bewegung der Lagerflächen gegeneinander (Bild links). Dazu sind diese mit Spiralrillen, Bögen oder Taschen mikrostrukturiert, die lokale Druckunterschiede entstehen lassen und so genug Luft für einen tragfähigen Gasfilm ansaugen. Bei Start und Stopp des Gerätes tritt jedoch Reibung auf. Wir bauten deshalb auch ein hybrides Lager, das beide Prinzipien kombiniert, indem während der kritischen Phasen Luft eingeblasen wird (Bild rechts).

Dazu stellten wir miniaturisierte Düsen aus spanbaren Glaskeramiken her und brachten spezielle spiralförmige Mikrostrukturen in den Lagerwerkstoff Zerodur ein. Dieses Material der Firma Schott dehnt sich bei Erwärmen kaum aus, ist chemisch resistent, in seinen Eigenschaften richtungsunabhängig und porenfrei.

Die Lager sind doppelsphärisch, also aus einander gegenüberstehenden Kugelabschnitten aufgebaut. Rotor und Stator bilden – ähnlich optischen Linsen – die Flächen; die Verbindungslinie ihrer Mittelpunkte ist die Rotationsachse. Der Rotor kann bikonkav oder bikonvex geformt sein, sich also beidseitig nach außen oder nach innen wölben; entsprechend spiegelbildlich ist der Stator ausgebildet. Mit dem Abstand zwischen den Kugelmittelpunkten wächst die Stabilität der Lagerung. Die Montage ist vergleichsweise einfach, denn der Spalt muß nur einmal sehr exakt eingestellt werden, damit die Lagertoleranzen erhalten bleiben; doppelsphärische Lager zentrieren sich nämlich während des Betriebs selbst.

Eine sehr anspruchsvolle Anwendung des Präzisionsscanners ist die horizonta-le Ablenkung eines modulierten Laserstrahls für hochauflösendes Projektionsfernsehen. Dabei wird rotes, grünes und blaues Licht über einen schnell rotierenden Spiegel zeilenweise und über einen langsam bewegten Schwingspiegel spaltenweise abgelenkt. Der Polygonspiegel mit 32 Flächen macht dabei immerhin 60000 Umdrehungen pro Minute. Solche Scanner sollten preiswerter sein als herkömmliche und die Bildqualität noch steigern. Entwickelt wird der Prototyp im Rahmen des Verbundprojekts "Laser-farbbildanzeige- und -projektionssysteme" des Bundesforschungsministeriums. Diese Technologie, mit der Fernsehbilder gestochen scharf und lebensgroß an die Zimmerwand geworfen werden sollen, dürfte zunächst für professionelle Anwendungen und in einigen Jahren wohl auch für den Privatkunden marktreif werden. Durch unsere Arbeiten ist nun nachgewiesen, daß Glas und Glaskeramik für Luftlager besonders geeignet und damit hochwertige Präzisionssysteme zu bauen sind.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1997, Seite 114
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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