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Umwelt: Rettung für den Aralsee?

Der Aralsee wird hauptsächlich von den Flüssen Amudarja und Syrdarja gespeist. Über die Jahrtausende hinweg kam es immer wieder vor, dass einer von beiden seinen Lauf änderte und der See schrumpfte. Er erholte sich jedoch jedes Mal, sobald der Fluss wieder in ihn mündete. Heute werden für die intensive Bewässerung von Feldfrüchten wie Baumwolle oder Reis aus beiden Strömen gigantische Wassermengen entnommen, was den Zufluss in den Aralsee drastisch reduziert. Die Verdunstung übertrifft den Eintrag durch Regen, Schneeschmelze oder Grundwasser bei Weitem: Das Wasservolumen nimmt ab, und der Salzgehalt steigt.

Die Sowjetunion vertuschte den Niedergang des Sees jahrzehntelang, ehe Michail Gorbatschow 1985 die ökologische und menschliche Tragödie zugab. Ende der 1980er Jahre war der Wasserspiegel so stark gefallen, dass sich das Gewässer zweigeteilt hatte: in den Kleinen (nördlichen) und den Großen (südlichen) Aralsee. 2007 schließlich bestand der südliche Teil nur noch aus einem tiefen westlichen und einem flachen östlichen Becken sowie einem kleinen isolierten Golf. Das Wasservolumen war von 708 auf 75 Kubikkilometer zurückgegangen und der Salzgehalt von 14 auf über 100 Gramm pro Liter gestiegen. Beim Auseinanderbrechen der Sowjetunion 1991 fiel der Aralsee an die Nachfolgestaaten Kasachstan und Usbekistan, die seither um die größtmögliche Ausbeutung der schwindenden Ressource wetteifern. Das bedeutete auch das Aus für einen verzweifelten sowjetischen Rettungsplan, der vorsah, sibirische Flüssen nach Süden umzuleiten.

Das Austrocknen des Aralsees hatte einschneidende Konsequenzen: Durch die stark verminderte Wasserführung der Flüsse blieben die Frühjahrsüberschwemmungen aus, welche die Feuchtgebiete mit Frischwasser und wertvollem Sediment versorgten. Von den ehemals 32 Fischarten überlebten wegen der Versalzung und dem Fehlen von Laichund Nahrungsgründen nur sechs – großenteils in den Flussdeltas. Die Fischerei, deren Fang 1960 noch 40 000 Tonnen betrug, war Mitte der 1980er Jahre zusammengebrochen, was einen Verlust von mehr als 60 000 Arbeitsplätzen bedeutete. Am häufigsten kam damals der Schwarzmeer-Steinbutt (russisch Kambala) vor: ein in den 1970er Jahren eingeführter Salzwasserfisch. 2003 war er jedoch aus den südlichen Seen wieder verschwunden, weil der Salzgehalt mit mehr als 70 Gramm pro Liter mittlerweile doppelt so hoch lag wie in einem normalen Ozean.

Auch die Schifffahrt auf dem See wurde eingestellt; denn das Wasser hat sich von den wichtigsten Häfen – Aralsk (kasachisch Aral) im Norden und Mujnak im Süden – kilometerweit zurückgezogen. Immer längere Kanäle zu den Städten offen zu halten, wurde mit der Zeit zu kostspielig. Mit dem fallenden Pegel des Sees sank auch der Grundwasserspiegel, was zur Versteppung im Umland führte. Wo früher einmal eine üppige Vegetation aus Bäumen, Büschen und Gras die Ufer bedeckte, kämpften Mitte der 1990er Jahre magere Bestände an Halo- und Xerophyten (salztoleranten beziehungsweise trockenresistenten Pflanzen) ums Überleben. Nur die Hälfte der einst hier vorkommenden Arten an Säugetieren und Vögeln ist noch anzutreffen...

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