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Fahrzeugsicherheit: Riskanter als nötig

Nur schwere Fahrzeuge bieten ihren Insassen ausreichend Schutz bei Verkehrsunfällen, lautet die gängige Meinung. Doch Leichtbauweise und konstruktive Veränderungen könnten viele tödliche Unfälle vermeiden helfen. Ganz nebenbei ließe sich auch der Kohlendioxidausstoß reduzieren.
Auto
Sie erzeugen rund ein Fünftel der Kohlendioxidemissionen der Vereinigten Staaten: die Kraftfahrzeuge auf den amerikanischen Straßen. Doch Kohlendioxid in der Atmosphäre ist Mitverursacher des Klimawandels, gleichzeitig sind Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mitverantwortlich für Amerikas Abhängigkeit von ausländischem Öl. Der Ölpreis wiederum ist in jüngerer Zeit geradezu explodiert. Aus diesen und weiteren Gründen würden (nicht nur) US-Politiker den Treibstoffverbrauch ihres Landes natürlich gerne verringern.

Doch der Verbrauch von US-Neufahrzeugen ist seit den späten 1980er Jahren kaum gesunken. Damals schluckten sie im Mittel rund 8,5 Liter Treibstoff pro 100 Kilometer und erfüllten damit gesetzliche Vorschriften, die noch aus der Mitte der 1970er Jahre stammten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten nutzten die Hersteller die Fortschritte in der Automobiltechnologie meist nur, um die Leistung der Fahrzeuge zu steigern. Damit stieg aber auch deren Gewicht. Hinzu kam, dass eine Reihe Sprit fressender Fahrzeugtypen immer populärer wurden: Pick-ups, Sport Utility Vehicles (SUVs) und Minivans. Erstere sind US-typische Kleintransporter mit offener Ladefläche, als SUVs werden Geländewagen und mehr oder weniger geländegängige Pkws bezeichnet, und Minivans schließlich sind im amerikanischen Sprachgebrauch familientaugliche Großraumlimousinen.

Vor allem solchen Wagen ist es zu verdanken, dass heutige Fahrzeuge im Durchschnitt genauso viel Treibstoff benötigen wie ihre Vorgänger vor 20 Jahren. Dem Wunsch nach geringerem Benzinverbrauch steht seit langer Zeit das Argument entgegen, dass die Insassen leichterer Fahrzeuge bei einem Unfall stärker gefährdet seien. Das sei simple Physik, heißt es meist: Sind alle sonstigen Umstände identisch, werden leichtere Fahrzeuge bei einem Frontalzusammenstoß stärker abgebremst – dies kann für die Insassen gefährlich werden. Von genau diesem Argument lassen sich Entscheider in den Behörden und in der Politik ebenso wie ein großer Teil der Öffentlichkeit noch heute beeinflussen.

Während einige Forschungsarbeiten ihre Position stützen, gibt es aber auch Studien, die ihr widersprechen. In den letzten Jahren haben wir beide Seiten unter die Lupe geallenommen und überdies eigene Untersuchungen angestellt. Dabei kamen wir zu folgendem Schluss: Die Behauptung, leichtere Fahrzeuge seien für die Insassen gefährlicher, steht auf recht wackeligen Beinen. Denn man kann eben nicht davon ausgehen, dass bei unterschiedlichem Gewicht alle sonstigen (Unfall-) Umstände stets identisch sind. Wie die Daten zur Sicherheit der verschiedenen Fahrzeugtypen zeigen, bestimmen offenbar andere Faktoren des Fahrzeugdesigns, was bei einem Zusammenstoß wirklich passiert.

Viel wichtiger ist jedoch folgende Erkenntnis: Dank hochfestem Stahl, Leichtmetallen wie Aluminium und Magnesium und faserverstärkten Kunststoffen können wir mittlerweile Fahrzeuge entwerfen, die erstens leichter und zweitens sicherer sind als ihre Vorgänger. Und solche Autos verbrauchen natürlich auch weniger Benzin. Reduziert man das Gewicht eines Autos um zehn Prozent, geht sein Verbrauch um drei bis acht Prozent zurück. Acht Prozent lassen sich dann erreichen, wenn gleichzeitig die Motorleistung so reduziert wird, dass das Fahrzeug noch dasselbe Beschleunigungsverhalten aufweist. Den Konstrukteuren ist dieser Zusammenhang natürlich sehr bewusst.

Als zum ersten Mal Vorschriften für den Benzinverbrauch erlassen wurden, sonderten die US-Hersteller fast alle Fahrzeuge mit über 1,8 Tonnen Leergewicht aus ihren Neuwagenflotten aus. Dadurch sank der Anteil der Straßengiganten an den Gesamtverkäufen von 40 Prozent im Jahr 1975 binnen fünf Jahren auf nur noch drei Prozent. Ab den späten 1980er Jahren aber wuchsen die Verkaufszahlen von light trucks allmählich wieder. Diese Fahrzeuge, deren Spektrum von der Großraumlimousine bis zum Kleintransporter reicht, sind für Nutzlasten bis zu 1,8 Tonnen zugelassen. Zu ihnen zählen aber auch viele der SUVs, die mittlerweile statt der üblichen Familienlimousinen in den Garagen stehen. Bis 2002 stieg der Anteil der light trucks mit mehr als zwei Tonnen Gewicht auf US-amerikanischen Straßen wieder auf 32 Prozent.

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