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Medizin: Rückkehr einer Geißel

Die Hinweise verdichten sich, dass Tuberkuloseerreger zunehmend aggressiv werden und immer häufiger Antibiotikaresistenzen ausbilden. Droht uns eine Epidemie?
Tuberkulose, zerstörtes Lungengewebe

In Ländern mit hohem Wohlstandsniveau ist Tuberkulose (Tbc) heute kein großes Thema mehr – die Zeiten, in denen diese bakterielle Infektion zu den großen Seuchen zählte, sind vorbei. Allerdings erst seit Kurzem: Noch im 19. und frühen 20. Jahrhundert raffte die Tbc unzählige Menschen dahin. Sie tötete Arme wie Reiche, nistete sich in deren Lungen ein und ließ sie blutigen Auswurf husten. Zu den bekannteren Opfern gehören Friedrich Schiller (1759 – 1805), Franz Kafka (1883 – 1924) sowie der Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi (1834 – 1904), der die Freiheitsstatue erschuf. Während des 20. Jahrhunderts sorgten Verbesserungen im Gesundheitswesen, ein Anstieg des Lebensstandards, ein mäßig wirksamer Impfstoff und schließlich Antibiotika für einen Rückgang der Erkrankungshäufigkeit. Zwar infizierten sich im Jahr 2012 weltweit noch immer 8,6 Millionen Menschen mit Tbc, von denen 1,3 Millionen starben, vorwiegend in ärmeren Regionen. Dennoch ist die Mortalitätsrate seit 1990 um mehr als ein Drittel gesunken. Der Kampf gegen die Krankheit zeitigt Erfolge – oder zumindest scheint es so.

Neue genetische Untersuchungen lassen allerdings vermuten, dass sich die Mykobakterien, die Tuberkulose verursachen, in eine bedenkliche Richtung entwickeln. Sie scheinen widerstandsfähiger und tödlicher als jemals zuvor zu werden. Zum einen erweisen sie sich immer öfter als resistent gegenüber Antibiotika: Laut Robert Koch-Institut ist mittlerweile jeder vierzigste Tuberkulosepatient in Deutschland mit multiresistenten Erregern infiziert. Zum anderen greift die Sorge um sich, dass Mycobacterium tuberculosis einen unerwarteten und ausnehmend gefährlichen Entwicklungsweg eingeschlagen haben könnte. Genetischen Untersuchungen zufolge lassen sich Erreger dieser Spezies in sieben Gruppen einteilen, denen jeweils mehrere Stämme angehören. Mindestens einer dieser Stämme ist überraschend stark ansteckend und neigt in besonderem Maß zur Resistenzbildung. Das befähigt ihn dazu, die Krankheit in unserer zunehmend vernetzten, dicht besiedelten Welt zu verbreiten.

Zudem könnten die gegenwärtigen Behandlungsansätze dazu beitragen, das Bakterium noch hartnäckiger zu machen. Klinikärzte wissen schon lange, dass eine unzureichende Behandlung antibiotikaresistente Tbc-Erregerstämme hervorbringen kann. Mittlerweile machen sie auch die Erfahrung, dass sogar erfolgreiche Therapien problematisch sind, indem sie nämlich die weniger aggressiven und weniger teilungsintensiven Bakterienstämme ausmerzen – was es den aggressiven Erregern erleichtert, sich zu verbreiten. Es steht zu befürchten, Tbc könne künftig wieder häufiger vorkommen, auch in Regionen, in denen das Leiden zurzeit kaum auftritt – und die Erkrankung werde dann schwerer zu behandeln sein. ...

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  • Quellen

Gagneux, S.: Host-Pathogen Coevolution in Human Tuberculosis. In: Philosophical Transactions of The Royal Society of London. Series B 367, S. 850 - 859, 2012

Glynn, J. R. et al.: Worldwide Occurrence of Beijing/W Strains of Mycobacterium Tuberculosis: A Systematic Review. In: Emerging Infectious Diseases 8, S. 843 - 849, 2002

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