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Schwache Magnetfelder in Nanostrukturen

Varianten der Rasterkraft- oder Rastertunnelmikroskopie sowie Kombination mit SQUIDs enthüllen die magnetischen Eigenschaften der Materie.


Sie sind allgegenwärtig, und dennoch können wir sie mit unseren Sinnesorganen nicht bewußt erfassen. Magnetfelder begleiten beispielsweise physiologische Vorgänge, sind Grundlage der Massenspeicherung von Daten auf Festplatten und werden in der Elektrotechnik genutzt. Zwischen diesen Beispielen liegen hinsichtlich der Feldstärken nicht weniger als 15 Größenordnungen.

Angesichts der Vielzahl magnetischer Phänomene ist es nicht überraschend, daß ein ganzes Arsenal von Verfahren zu ihrer Messung entwickelt wurde. Die derzeit empfindlichsten Sensoren basieren auf Mechanismen der Quantenphysik für den magnetischen Fluß (der magnetische Fluß entspricht dem Produkt aus der Stärke eines Magnetfeldes und der Fläche, die es durchdringt). Diese "supraleitenden Quanten-Interferenz-Detektoren" (SQUID; Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1994, S. 58) vermögen weit weniger als ein elementares Quantum davon – gleichsam die minimale Portion, aus der sich alle Magnetfelder in Form von Vielfachen ergeben – zu registrieren. Selbst Herz- und Hirnaktivitäten lassen sich damit nachweisen, obwohl ihre biomagnetischen Signale millionen- und milliardenfach schwächer als das Erdmagnetfeld sind.

Diese hohe Empfindlichkeit hat aber auch ihren Preis, denn sie erfordert einen hinreichend großen magnetischen Fluß und damit entsprechende Detektorabmessungen; eine Auflösung besser als ein Mikrometer scheint nicht möglich. Magnetfeldmessung mit immer kleineren Sensoren, möglichst empfindlich bei gleichzeitig hoher Ortsauflösung – dieser Wunsch stößt auch bei anderen Detektionsverfahren auf grundsätzliche physikalische Probleme. Zwar können die Felder winziger Partikel oder einzelner Bits eines Speichermediums lokal hohe Feldstärken erzeugen, der sich ergebende magnetische Fluß ist aber aufgrund der geringen Dimensionen nur sehr klein. Man könnte geradezu von einer "Feldempfindlichkeits-Ortsauflösungs-Unschärferelation" sprechen.

Bereits kurz nach Entwicklung des Rasterkraftmikroskops untersuchten wir seine Tauglichkeit für diesen speziellen Problemkreis. Zur Abbildung bedarf es einer magnetischen Wechselwirkung zwischen Sonde und Probe, sei sie statisch oder dynamisch. Eine solche Interaktion etwa zur Erfassung des Streufeldes an der Oberfläche eines magnetischen Materials läßt sich beispielsweise dadurch realisieren, daß man das als Sonde dienende Biegeelement eines Kraftmikroskops mit einem ferromagnetischen Film beschichtet und dann die auf diesen Miniaturmagneten ausgeübten Kräfte detektiert. Der dynamische Betriebsmodus des Rasterkraftmikroskops ergibt die höchste Empfindlichkeit (siehe den vorigen Beitrag).

Damit gelang uns 1987 die erste deutliche Abbildung der Feinstruktur einer Domänenwand, die gleichsam unterschiedlich magnetisierte Bereiche in einem Ferromagnetikum voneinander separiert (die Eigenschaften solcher Domänenwände bestimmen das Verhalten magnetischer Materialien gegenüber äußeren Magnetfeldern). Wir nannten diese Meßmethode magnetic force microscopy (MFM). Selbst Feinstrukturen der weit weniger als ein Mikrometer breiten Domänengrenzen lassen sich damit häufig erkennen.

Auch die Felder elektrischer Ströme in hochintegrierten elektronischen Schaltungen sind so der direkten Analyse zugänglich. MFM ist auch empfindlich genug, um in Supraleitern einzelne Flußschläuche abzubilden, die ihrerseits ein elementares Flußquantum repräsentieren. Leider begrenzt die lange Reichweite der magnetostatischen Wechselwirkungen die erreichbare örtliche Auflösung je nach Geometrie der verwendeten Sonde und Arbeitsabstand auf typische etwa 100 Nanometer.

Die optische Rasternahfeldmikroskopie nutzt wie die konventionelle Magnetooptik Änderungen der Polarisation von linear oder zirkular polarisiertem Licht bei Reflexion an einer oder bei Transmission durch eine ferro- oder ferrimagnetische Probe (Kerr- oder Faraday-Effekt). Die gewonnene Information ist in gewisser Weise komplementär zu den MFM-Daten, da sie direkt die Magnetisierung einer Probe wiedergibt, nicht ihr Streufeld. Die Ortsauflösung erreicht bereits 100 Nanometer, mitunter sogar weniger.

Atomare Auflösung erhoffen wir uns von einer Variante des Rastertunnelmikroskops. Sonde und Probe tauschen Elektronen aus, die aufgrund ihres Spins durchaus mit der Magnetisierung eines Materials wechselwirken können. Während bei quasifreien Elektronen, die den Tunnelstrom generieren, keine bestimmte Spinausrichtung überwiegt, kann in magnetisch geordneten Materialien unter bestimmten Umständen eine Orientierung den elektrischen Strom dominieren. Die Magnetoelektronik ist aber erst seit wenigen Jahren Forschungsthema. Mit einem Rastertunnelmikroskop die Spinrichtung der tunnelnden Elektronen zu analysieren und so Informationen über die Variation des Magnetismus auf atomarer Skala zu gewinnen, scheint prinzipiell machbar. Allerdings stören die recht häufigen Oberflächenkontaminationen die Spinsensitivität des Systems, ein Routinebetrieb ist derzeit nicht in Sicht.

Wir haben uns vor einigen Jahren die Frage gestellt, ob sich nicht die hohe Ortsauflösung von MFM mit der Empfindlichkeit von SQUIDs kombinieren ließe. Entstanden ist das Raster-SQUID-Mikroskop. Dazu haben wir eine metallische Spitze, die über mehrere Millimeter einen eingekoppelten magnetischen Fluß mit geringem Verlust transportieren kann, gleichsam als Antenne direkt in einen SQUID oder in dessen Aufnahmeschleife integriert (um den Kühlungsaufwand zu beschränken, verwenden wir keramische Hochtemperatursupraleiter). Die Sondenanordnung ist auf einem mikrostrukturierten Chip untergebracht, der jeweils eine ganze Reihe von SQUIDs beherbergt. Die Antriebs- und Datenerfassungskomponenten entsprechen denen eines typischen Rastersondenmikroskops. Neben dem magnetischen Flußtransport kann die integrierte Spitze des Sensors gleichzeitig auch den Tunnelstrom messen. Wir erreichten auf Anhieb im magnetischen Modus eine Ortsauflösung, die um mehr als einen Faktor 100 besser ist, als bei allen bisher vorgeschlagenen SQUID-Mikroskopen.

Bislang war die Rede von magnetischen Phänomenen gewesen, die ihren Ursprung entweder im Spin oder in der Bewegung von Elektronen haben. Es besteht großes Interesse daran, auch den Spin von Atomkernen im Rahmen der Rastersondierung zu erfassen. Im Makrosko- pischen sind die Verfahren bekannt: Bei der Kernspinresonanz-Spektroskopie und -Tomographie werden in einem äußeren Magnetfeld ausgerichtete Atomkerne durch einen magnetischen Impuls ausgelenkt und aus der Zeit, die sie zum Erreichen des Ausgangszustandes brauchen, wird auf die Verteilung dieser Kerne und beispielsweise ihre Einbindung in Moleküle, Festkörper oder Flüssigkeiten geschlossen. Vor wenigen Jahren zeigten John Sidles von der Universität Washington und Daniel Rugar vom IBM Almaden Research Center in San José (Kalifornien), daß das Rasterkraftmikroskop im dynamischen Modus Spinresonanzen messen kann. Geeignete Sonden verändern ihre Resonanzfrequenz aufgrund von Wechselwirkungen mit den magnetischen Momenten der Atomkerne. Derzeit lassen sich bereits Ensembles von Kern- oder Elektronenspins detektieren, der Nachweis einzelner Kernspins wird ernsthaft diskutiert.

Schon heute liefern die magnetisch abbildenden Rastersondenverfahren neue Einblicke in die magnetischen Phänomene auf Nanometerskala, überdies arbeiten sie komfortabler als konventionelle Techniken. Methodische Entwicklungen konzentrieren sich darauf, die entwickelten Verfahren universeller einsetzbar und noch leichter handhabbar zu machen. Feldsensitivität und Ortsauflösung stehen natürlich weiter obenan auf der Liste der Forschungsziele; letztlich will man den Magnetismus in technischen Anwendungen wie bei der Untersuchung biologischer Systeme auf atomarer oder molekularer Skala quantitativ und eventuell sogar in seiner Dynamik erfassen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1999, Seite 100
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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