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Sicheres Geleit auf dem Flughafen

Die Rollführung gelandeter beziehungsweise startender Maschinen soll mit technischen Mitteln verbessert werden.


aum ein Arbeitsplatz umfaßt eine solche Menge an modernster Technik wie der des Piloten. Computer und eine Vielzahl von Steuerungs- und Regeleinrichtungen sollen den Menschen entlasten und ergänzen, so daß er sich auf seine anspruchsvolle Aufgabe konzentrieren kann. Auch die Navigation wird durch Funkfeuer, Satellitensysteme (Global Positioning System, GPS), Datenbanken und anderes präziser und damit sicherer (Spektrum der Wissenschaft, Januar 1999, S. 91). Trotz eines weltweit wachsenden Passagieraufkommens gilt das Flugzeug denn auch als das sicherste Verkehrsmittel und schwere Unfälle lassen sich meist auf menschliches Versagen zurückführen (siehe Spektrum der Wissenschaft, Juli 1997, S. 66).

Doch dieses Bild ist unvollständig – erst wenn eine Maschine am Terminal steht, ist ihr Flug beendet. Das schwerste Unglück der Zivilluftfahrt überhaupt ereignete sich 1977 auf Teneriffa, als eine startende Boeing-747 mit einer auf der Runway befindlichen im Bodennebel zusammenprallte und in Flammen aufging – 500 Menschen starben.

Dabei sind Flug und Landung bei entsprechender technischer Ausrüstung von Maschine und Flughafen auch bei schwierigen Wetterbedingungen weitgehend unproblematisch. Doch dann beginnen die Probleme: Auch heute führen Lotsen die Maschinen auf dem Flughafengelände vor allem nach Sicht. Eine Alternative, die mehr und mehr genutzt wird, sind Bodenradarsysteme. Beispielsweise überwachen damit acht Verkehrsflughäfen in Deutschland das Rollfeld: Eine Antenne, die sich einmal pro Minute dreht, strahlt starke Funkpulse mit einer Dauer von jeweils 40 Nanosekunden ab; aus der Verzögerung bis zum Empfang des an Objekten reflektierten Signals errechnet das ASDE (Airport Surface Detection Equipment) die Distanzen und stellt die Objekte auf Bildschirmen für Fluglotsen dar. Die Anlagen haben üblicherweise eine Reichweite von vier Kilometern und vermögen ein zehn Meter großes Objekt in einem Kilometer Entfernung zu orten und mit besonders rauscharmen Empfängern auf kürzere Entfernung selbst Fußgänger und Vogelschwärme zu unterscheiden.

Die für den Bodenverkehr zuständigen Lotsen erhalten so einen Überblick über die gerade auf Roll- und Startbahnen befindlichen Luftfahrzeuge. Allerdings erscheinen sie lediglich als Leuchtpunkte auf den Schirmen, weitere Angaben wie etwa Größe und Typ fehlten zumeist. Abhilfe schafft eine digitale Aufarbeitung der analogen Radardaten, etwa durch Einblenden von Karten und Angaben zum Rollbahnsystem, zu Flugnummern sowie Flugzeugtypen (letzteres ist beispielsweise für die Führung zweier Maschinen im sicheren Abstand von Bedeutung). Leider arbeitet das im Grunde aus den 50er Jahren stammende Verfahren nicht immer zufriedenstellend, denn Abschattungen, Fehlreflexe und Regen sind schwer abzuschätzende Fehlerquellen.

Technisch veraltet ist auch die eigentliche Rollführung: Der Pilot gibt seine Position über Sprechfunk an und erhält vom Lotsen auf dem gleichen Wege Anweisungen wie "LH123, rollen Sie über Rollweg D und M zur Bahn 23L". Der Pilot bestätigt, führt aus und meldet dies wieder dem Lotsen. Der muß die ihm überantworteten Maschinen nach Flugsicherungs- und Staffelungskriterien leiten, wird aber bislang bei der Entscheidungsfindung in keiner Weise technisch unterstützt. Ein Vergleich mit den logistischen Abläufen in einer modernen Fabrik: Dort stehen ausgefeilte Softwareprogramme zur Verfügung, um den Materialfluß so effizient wie möglich zu gestalten. Wenn man bedenkt, daß heutige internationale Großflughäfen mit ihrer komplexen Gelände- und Gebäudestruktur schnell das Ausmaß einer Stadt annehmen, wird klar, daß selbst geübte Lotsen bei hohem Verkehrsaufkommen Probleme haben, den Überblick zu behalten. Es ist kein Wunder, daß etwa 80 Prozent der Verspätungen im Luftverkehr durch die ineffiziente Abwicklung am Boden entstehen. Abgesehen vom Sicherheitsrisiko sind deshalb auch immense Kosten die Folge, so daß die verschiedenen Interessengruppen auch in Erwartung einer zügigeren Verkehrsabwicklung gerne bereit sind, in verbesserte Flugsicherungstechnik zu investieren.

ASDE wurde zuerst in den Vereinigten Staaten weiterentwickelt; mit einem der seitdem verbesserten Systeme lassen sich auch Kleinobjekte unter erschwerten Bedingungen – etwa Follow-me-Fahrzeuge in einem starken Gewitterregen – von größeren Objekten unterscheiden. Weiteren Fortschritt bringt die Einbindung von Sensoren und Datenverarbeitung, man spricht dann von einer AMASS-Umgebung (Airport Movement Area Safety System). Ein Tracker genannter Computer berechnet aus den Radardaten – genauer aus Position, Geschwindigkeit und Richtung der Objekte – laufend Bahnlinien, verfolgt und prüft, ob benutzte Rollwege gerade frei sind. AMASS denkt sozusagen für den Lotsen mit und warnt ihn sogar rechtzeitig bei bevorstehenden Konfliktsituationen, wenn etwa die Start- und Landebahn noch für das nächste Flugzeug blockiert ist.

Den Flugzeugen lassen sich einfach Labels mit Flugnummer, Flugzeugtyp und weiteren Merkmalen zuordnen und auf diese Weise logistisch sinnvolle Reihenfolgen bilden, so daß der Lotse jederzeit einen klaren Überblick über das Geschehen und den Bewegungsablauf am Platz hat. Ein solches System kann heute bis zu 200 Objekte gleichzeitig verfolgen. Seit 1996 läuft es an den Flughäfen in San Francisco und Boston im Testbetrieb und wird voraussichtlich noch in diesem Jahr auf 39 weiteren in den USA installiert.

Ähnliche Wege gehen die Europäer und die Deutsche Flugsicherungsbehörde DFS; sie folgen der Forderung der Weltluftfahrtorganisation ICAO nach einer Überwachungstechnologie für den Flughafenverkehr, die neben digitalisierten Radardaten zur Rollfeldüberwachung auch eine Vielzahl anderer Sensoren sowie Rollführungstechniken bis hin zur Flughafenbefeuerung integriert.

Zur Positionsortung durch die Flugsicherung sind heute bereits alle Luftfahrzeuge mit einem Transponder ausgerüstet, der auf Bodenradarimpulse eigene Sekundärsignale (SSR) zur Identifizierung abstrahlt. Dieses Verfahren funktioniert derzeit nur in der Luft und ist auf vierstellige Zahlencodes beschränkt. Bis zum Jahr 2001 sollen aber alle internationalen Verkehrsflugzeuge über 5,7 Tonnen Gewicht mit weiterentwickelten Systemen, den sogenannten Mode S-Transpondern, ausgerüstet sein. Eine weltweit einheitliche 24-Bit-Adressierung ermöglicht dann, alle Objekte eindeutig nach Flugnummern zu bestimmen und am Boden bedarfsgerecht vom Gate bis zum Take-Off zu steuern. Hinzu kommt die exakte Bestimmung der eigenen Position der Flugzeuge mit dem Differential-GPS (DGPS), das eine Genauigkeit auf etwa sieben Meter ermöglicht (Spektrum der Wissenschaft, Januar 1996, S. 102).

Zusätzliche Komponenten, wie beispielsweise eine ausgefeilte Steuerung durch Lichtzeichen, Induktionsschleifen, Videokameras und ein an den Rollwegen plaziertes Near-Range-Radar mit einer Ortsauflösung von drei Metern zur Bestimmung der Rollgeschwindigkeit vervollständigen die Technik. Die Vision ist, alle diese Meßdaten über ein Aeronautical Telecommunikation Network (ATN) zusammenzuführen und auf einem Übersichtsbildschirm zu präsentieren. Die Techniken sind großenteils bereits verfügbar und werden von der DFS schrittweise eingeführt. Als weltweit erster Flughafen arbeitet der in Oslo bereits mit einem derart integrierten System.

Per Computer werden sich zudem konfliktfreie und optimierte Routen für alle Bewegungsvorgänge auf dem Rollfeld bestimmen lassen. Grundlagenforschung leistet hier das Institut für Flugführung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR in Braunschweig. Mit dem Projekt TARMAC (Taxi And Ramp Management And Control) werden dort seit 1997 unter anderem mit aufwendigen Computermodellen Anflugvorhersagen, optimale Nutzung der Start- und Landebahnen sowie wahrscheinliche Bahnbelegungszeiten errechnet.

Das erwartete Luftverkehrswachstum und der künftige Einsatz von neuen Großflugzeugen mit 600 Passagieren wird die Flughafeninfrastrukturen in ihren Dimensionen in jeder Hinsicht vor neue Herausforderungen stellen. Beim geplanten Mega-Airbus A3XX wird bereits in der Definitionsphase sichergestellt, daß er entsprechend den ICAO-Standards in die sogennante 80 mal 80 Quadratmeter-Normbox paßt und sich damit in Boeing 747-Dimensionen bewegt. Nur so können die vorhandenen Rollwege und Überwachungseinrichtungen an Großflughäfen auch in Zukunft problemlos mitbenutzt werden. Dazu aber muß der Gigant auf Zentimeter genau geleitet werden, durch die bordeigene Technik und durch ein künftiges integriertes Rollführungssystem


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1999, Seite 84
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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