Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Kognition: Soziale Landkarten im Gehirn

Während wir uns durch die Welt bewegen, erstellt unser Gehirn mentale Karten der Umgebung. Offenbar nutzen wir dieselben Schaltkreise, um uns im Dickicht zwischenmenschlicher Beziehungen zurechtzufinden.

Es heißt, im Leben gebe es keine Abkürzungen. Doch schon das Gehirn einer Ratte straft diese Sentenz Lügen. Tatsächlich ist es geradezu getrimmt darauf, kürzeste Wege zu finden. Das erste Indiz dafür fand 1948 Edward Tolman (1886–1956) an der University of California in Berkeley. In einem seiner Experimente musste eine hungrige Ratte von einem runden Tisch aus in einen dunklen, engen Tunnel laufen, dort einmal links und zweimal rechts abbiegen und schließlich einem gut beleuchteten schmalen Korridor folgen, um an eine Schale mit Futter zu gelangen. Dabei blieb ihr die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Routen erspart: Es gab nur den einen gewundenen Pfad. Diesen Weg nahm das Tier vier Tage lang wieder und wieder.

Als die Ratte am fünften Tag erneut in den vertrauten Tunnel lief, stieß sie jedoch auf eine Wand: Der Weg war blockiert. Das Tier kehrte also zum Tisch zurück, um nach einem alternativen Zugang zum Futter zu suchen. Dabei sah es sich einer völlig neuen Topografie gegenüber: Statt des einen Tunnels gab es nun 18 Gänge, die sich von den Rändern der hell beleuchteten Tischplatte radial in alle Richtungen erstreckten. Nachdem die Ratte in mehrere davon ein paar Zentimeter weit hineingeschaut hatte, entschied sie sich für Korridor Nummer sechs – und der führte geradewegs zum Futter.

Dass das Tier auf Anhieb und ohne vorherige Erkundung des veränderten Labyrinths den direkten Weg zum Fressnapf fand, erstaunte umso mehr, als damals der Behaviorismus die vorherrschende Lehrmeinung in der Psychologie war. Nach diesem Paradigma ist das Verhalten einer Ratte im Labyrinth allein das Ergebnis einfacher Reiz-Reaktions-Muster: Das Tier antwortet unmittelbar auf einen äußeren Stimulus und wenn die Antwort erfolgreich ist, verstärkt sich die neuronale Verbindung, die den Zusammenhang zwischen Reiz und Reaktion repräsentiert  ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Wann klingt eine Sprache schön?

Klingt Italienisch wirklich schöner als Deutsch? Sprachen haben für viele Ohren einen unterschiedlichen Klang, dabei gibt es kein wissenschaftliches Maß dafür. Was bedingt also die Schönheit einer Sprache? Außerdem in der aktuellen »Woche«: Rarer Fund aus frühkeltischer Zeit in Baden-Württemberg.

Spektrum - Die Woche – Neue Reben für den Weinbau

Von Klimawandel und Krankheiten bedroht, muss der Weinbau an die neuen Bedingungen angepasst werden. Die Genschere soll den Wein der Zukunft retten. Außerdem beobachtet »Die Woche«, wie Künstlerinnen und Künstler die Welt wahrnehmen und wie sich soziale Unsicherheiten durch Social Media verstärken.

Gehirn&Geist – Aus Fehlern lernen

Missgeschicke gehören zum Leben dazu. Unser Gehirn bemerkt sie oft blitzschnell. Wie registriert unser Gehirn, wenn wir uns irren, wie reagiert es darauf und warum lernt das Gehirn nicht immer aus den Fehlern? Daneben berichten wir, aus welchen Gründen manche Kinder den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen und wie eine Annäherung vielleicht gelingen kann. Therapien von Morbus Alzheimer konzentrierten sich auf die Bekämpfung der Amyloid-Plaques. Doch man sollte dringend die Ablagerungen des Tau-Proteins stärker in den Blick nehmen. Die Folgen des hybriden Arbeitens rücken zunehmend in den Fokus der Forschung. Es führt zu einer höheren Zufriedenheit bei den Angestellten. Allerdings gibt es auch Nachteile. Bremst das Homeoffice die Kreativität? Daneben gehen wir der Frage nach, ob Tiere empathisch sind.

  • Quellen

Behrens, T. E. J. et al.: What is a cognitive map? Organizing knowledge for flexible behavior. Neuron 100, 2018

Bellmund, J. L. S. et al.: Navigating cognition: Spatial codes for human thinking. Science 362, eaat6766, 2018

Omer, D. B. et al.: Social place-cells in the bat hippocampus. Science 359, 2018

Schafer, M., Schiller, D.: Navigating social space. Neuron 100, 2018

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.