Spektrogramm
Ein winziger Gigant
Das bislang größte Bakterium wurde von der Meeresbiologin Heide Schulz vom Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie vor der Küste Namibias entdeckt. Mit einem Durchmesser von bis zu 0,75 Millimetern ist Thiomargarita namibiensis („namibische Schwefelperle“, siehe Bild links) hundertmal größer als gewöhnliche Bakterien. Der riesige Prokaryot gehört zu den wenigen Arten von Mikroorganismen, die sowohl Schwefel als auch Nitrat verbrauchen. Thiomargarita gewinnt seine Energie, indem es Schwefelwasserstoff oxidiert. Dafür benötigt es einen Elektronenakzeptor: Bei den meisten Schwefelmikroben ist dies das Sauerstoffmolekül. Im sauerstofffreien Meeresboden steht jedoch nur Nitrat als Oxidationsmittel zur Verfügung. Da Thiomargarita im Sediment festsitzt, ist es auf gelegentliche Stürme angewiesen, die nitratreiches Wasser in die lockeren Ablangerungen eindringen lassen. Um die langen Zeiträume zwischen den Stürmen überstehen zu können, speichert das Bakterium Nitratlösung in einer großen Vakuole in seinem Inneren. Dadurch erklärt sich auch seine ungewöhnliche Größe; denn 98 Prozent seines Volumens dienen schlicht als Nitratreservoir. (Science, Bd. 284, S. 493)
Beta hält besser
Verdauungsenzyme in Mund und Magen zerstören viele Medikamente, bevor sie noch an ihren Wirkort gelangt sind. Um dem vorzubeugen, konstruierten Dieter Seebach und seine Mitarbeiter am Laboratorium für organische Chemie der ETH Zürich Hormone aus künstlichen Aminosäuren, die sich nur in einer Kleinigkeit von den natürlichen Vorbildern unterscheiden: Die Aminogruppe sitzt ein Kohlenstoffatom weiter vom Ende des Moleküls entfernt. Ketten aus solchen Beta-Aminosäuren sind gegen enzymatischen Abbau weitaus beständiger als Peptide, die natürliche Alpha-Aminosäuren enthalten. Wirken sie aber auch ebensogut? Wie Seebach und Mitarbeiter zeigten, gleicht ein Molekül aus vier Beta-Aminosäuren in seiner äußeren Form einem Ausschnitt aus dem wachstumshemmenden Hormon Somatostatin so sehr, daß es von dessen Rezeptor erkannt wird. Ließen sich auf diese Weise wirksame künstliche Proteine herstellen, könnte bei vielen Impfungen und Hormontherapien auf die Spritze verzichtet werden. (Angewandte Chemie, Bd. 111, S. 1302)
Nachts sind alle Katzen langsam
Bewegungen erscheinen im Dunkeln um 30 Prozent langsamer als bei Licht. Diese für Autofahrer lebenswichtige Entdeckung machten Forscher vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik und von der Augenklinik der Universität Tübingen. In der Netzhaut gibt es zwei Typen von Lichtempfängern: Zapfen und Stäbchen. Die weniger empfindlichen Zapfen im Zentrum des Sehfeldes dienen dem Farbensehen bei Helligkeit. Bei Dämmerung und Nacht sind wir dagegen auf die Stäbchen angewiesen, die sich am Rand der Netzhaut konzentrieren und das Hell-Dunkel-Sehen vermitteln. Die Tübinger Wissenschaftler vermuten, daß die schlechtere nächtliche Geschwindigkeitswahrnehmung von einer anderen räumlich-zeitlichen Mittelung der Daten des Stäbchensystem herrührt. Auch völlig farbenblinde Menschen, denen die Zapfen fehlen, haben oft Schwierigkeiten beim Umgang mit sich bewegenden Objekten. (Nature, Bd. 398, S. 475)
Planetentrio in Sicht
Astronomen des Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (Massachusetts) und des High Altitude Observatory in Boulder (Colorado) haben unabhängig voneinander deutliche Hinweise auf ein extrasolares Planetensystem um den Stern Ypsilon Andromedae gefunden, der 44 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Bereits 1996 wurde der nächste der drei Begleiter entdeckt. In einer Entfernung von nur 0,06 Astronomischen Einheiten (AE, mittlerer Abstand der Erde von der Sonne) umläuft der Planet, der Dreiviertel der Jupitermasse besitzt, seinen Zentralstern in 4,6 Tagen. Erst nach langjährigen Teleskopbeobachtungen reichten die Daten über die Störungen der Sternbewegung aus, um die zwei weiteren Begleiter nachweisen zu können. Nach Computersimulationen handelt es sich um ein Objekt mit mindestens doppelter Jupitermasse, das Ypsilon Andromedae in einer Entfernung von 0,83 AE in 242 Tagen umkreist. Ein dritter Planet von etwa vierfacher Jupitermasse durchläuft seine Bahn alle 3,5 bis 4 Jahre und befindet sich in einer Entfernung von 2,5 AE. (NASA)
Beutewarnung verhindert
Das gefräßige Wechseltierchen (Amoeba proteus) schützt sich wahrscheinlich durch Absonderung eines Peptids vor Kannibalismus. Das vermutet Jürgen Kusch von der Universität Kaiserslautern. Bislang schien es rätselhaft, warum Amoeba proteus ein A-Faktor genanntes Peptid ausscheidet und sich damit bei einem Teil seiner Beute verrät – Einzellern der Gattung Euplotes, die daraufhin schnell das Weite suchen.
Kusch testete seine Hypothese, indem er kleine Kügelchen an die Amöben „verfütterte“. Waren sie pur oder mit Albumin überzogen, wurden sie rasch verschlungen. Eine Glasur aus A-Faktor dagegen zügelte den Appetit der Amöben. Ab einer bestimmten Konzentration des Peptids wurden die Häppchen ganz verschmäht. Laut Kusch muß die Peptidabsonderung einen Vorteil für die Amöben bedeuten, der den Nachteil der Warnung an die Beute überwiegt. Er könnte in einer Art Selbsterkennungszeichen bestehen, das die Einzeller, die sich durch Teilung vermehren, davon abhält, sich danach gleich wieder gegenseitig aufzufressen.
Mumien aus eisiger Höhe
Auf dem Gipfel des argentinischen Vulkans Llullaillaco haben Archäologen die bislang besterhaltenen Inka-Mumien gefunden. Drei Kinder, die wahrscheinlich vor 500 Jahren von Priestern geopfert worden waren, wurden von der eisigen Kälte so hervorragend konserviert, daß sogar die inneren Organe noch intakt sind. Ein Forscherteam unter Leitung von Johan Reinhard vom Mountain
Institute in Franklin (West Virginia) entdeckte die „gefriergetrockneten“ Körper unter einer Schicht von anderthalb Metern Erde und Gestein – zusammen mit einer Fülle von Grabbeigaben, darunter gefärbte Textilien, silberne Statuen, Muscheln und Gefäße, von denen einige Lebensmittel enthielten. Die Unberührtheit der Funde läßt darauf schließen, daß die bislang höchstgelegene archäologische Fundstätte (6706 Meter) nicht von Plünderern heimgesucht wurde. Die genauen Todesumstände der Kinder sind noch ungeklärt. Da Spuren äußerer Gewaltanwendung fehlen, gehen einige Wissenschaftler davon aus, daß die Opfer unter Drogen gesetzt und dann lebendig begraben wurden. Vom exzellenten Erhaltungszustand der Eismumien erhoffen sich die Wissenschaftler neue Einsichten in das Leben der Inkas vor der Eroberung durch die Spanier im Jahre 1532.
Die verborgene Bedrohung des Regenwaldes
Bei Schätzungen der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes wurde mehr als die Hälfte der jährlichen Zerstörungen übersehen. Das berichtet eine amerikanisch-brasilianische Forschergruppe unter Leitung von Daniel C. Nepstad vom Forschungszentrum Woods Hole (Massachusetts). Ihren Analysen zufolge wurde durch selektives Fällen von Bäumen und daraus resultierende Brände mehr Regenwald zerstört als durch vollständige Abholzung. Da der teilweise gelichtete Urwald schneller austrocknet, erhöht sich vor allem in den Trockenperioden die Gefahr von Waldbränden. Mit bisherigen Satellitenuntersuchungen gelingt es kaum, die Auswirkungen solcher Brände und gezielten Holzeinschlags nachzuweisen, da deren Spuren meist schon nach einem Jahr von neuem Pflanzenwachstum verdeckt werden. Nepstad und sein Team befragten deshalb Sägemühlenbesitzer und Landeigner nach ihren Holzernten und setzten diese Angaben in Beziehung zu eigenen Nachforschungen vor Ort. Dabei ergab sich, daß in den Jahren 1996 und 1997 allein durch Baumfällungen zwischen 10000 und 15000 Quadratkilometer unberührten Regenwaldes nachhaltig zerstört wurden. Für die Brandschäden gehen die Wissenschaftler von einer vergleichbaren Fläche aus. (Nature, Bd. 398, S.505)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1999, Seite 22
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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