Direkt zum Inhalt

Stottern: Fehlstart im Gehirn

Etwa einem unter 100 Erwachsenen gelingt nicht, was den meisten selbst­verständlich erscheint: flüssig zu reden. Mangelhafte Abstimmung der ­Sprachareale bringt die Zunge von stotternden Menschen aus dem Tritt, erklärt der Neurophysiologe Martin Sommer von der Universität Göttingen.
Zeichnung des Gehirns mit Broca-Areal und Wernicke-Areal

Mitreißende Reden halten, wortgewandt vor Publikum sprechen – das sind Dinge, die man von Staatsoberhäuptern erwartet. Umso schlimmer, wenn gerade ein König keinen flüssigen Satz herausbringt. So erging es Anfang des 20. Jahrhunderts dem englischen Regenten Georg VI., an dessen Schicksal erst kürzlich ein Millionenpublikum von Kinogängern teilhaben konnte. Mit großer Sensibilität behandelte der Film "The King's Speech" das Thema Stottern und gab dabei auch Einblicke in die Gefühlswelt eines Stotternden: Wie peinlich und frustrierend es ist, seine Zuhörerschaft eine Ewigkeit lang hinzuhalten, zu merken, wie sehr die eigenen Angehörigen mitleiden. Wie kann es sein, dass ein eigentlich intelligenter Mensch an einer Aufgabe scheitert, die scheinbar jedem anderen problemlos gelingt? Kann man das flüssige Reden nicht irgendwie lernen? Vielleicht sogar mit einem einfachen, schnell wirksamen Kniff?
Tatsächlich gelingt es Georg VI. nach zähem Ringen, seine Sprechstörung unter Kontrolle zu bringen. Dabei erleidet er dieselben Rückschläge wie viele seiner weniger prominenten Leidensgenossen: Rund fünf Prozent der Kinder beginnen meist zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr ohne erkennbare äußere Umstände mit dem Stottern; bei etwa einem Prozent der Bevölkerung hält sich die Störung bis ins Erwachsenenalter.
Warum es bei den Betroffenen zu den charakteristischen Wiederholungen, Pausen und gedehnten Silben oder Lauten kommt, war lange Zeit völlig unklar ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Die Macht der Gute-Nacht-Geschichte

Vorlesen fördert nicht nur das Buchstabenverständnis, es ist sogar ein wichtiger Grundstein für die soziale Entwicklung. Was die Gute-Nacht-Geschichte alles bewirken kann, lesen Sie in der aktuellen »Woche«. Außerdem: Die Écalle-Theorie bringt endliche Antworten auf unendlich scheinende Fragen.

Spektrum der Wissenschaft – Die älteste Sprache der Welt

Die Sprachen der Andamanen führen zu den Wurzeln der Sprachentwicklung. Es handelt sich dabei um eine einzigartige Grammatik aus der Frühzeit des Menschen. Außerdem berichten wir über die neuesten Erkenntnisse zu Wolf-Rayet-Sterne, den Endstadien der hellsten und massereichsten Sterne, wie Physiker das berühmte Doppelspaltexperiment mit zeitlich statt räumlich getrennten Schlitzen nachgestellt haben sowie Innovationen bei der Wärmepumpe, die auf einer bereits 200 Jahre alten Technologie basiert.

Gehirn&Geist – Gedankenlesen

»Gedankenlesen« erklärt, wie realistische technische Anwendungen aussehen könnten und welche Grenzen dem maschinellen »Brain Reading« gesetzt sind. Außerdem im Heft: Die unterschätzte Rolle der Väter für die Sprachentwicklung des Kindes; Medizingeschichte: Psychotherapie in der DDR; Depression: Heilen mit Strom; Schmerz und Chronischer Schmerz: Leben mit ständiger Qual.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Literaturtipp

Natke, U.: Stottern. Erkenntnisse, Theorien, Behandlungsmethoden. Hans Huber, Bern, 2. Auflage 2005


Quellen

Brown, S. et al.: Stuttered and Fluent Speech Production: an ALE Meta-Analysis of Functional Neuroimaging Studies. In: Human Brain Mapping 25, S. 105-117, 2005

Euler, H. et al.: Comparative Effects of Stuttering Therapies in Retrospective Client Evaluations. 9th Oxford Dysfluency Conference, Oxford, 1.-4.9.2011

Felsenfeld, S. et al.: A Study of the Genetic and Environmental Etiology of Stuttering in a Selected Twin Sample. In: Behavior Genetics 30, S. 359-366, 2000

Kang, C. et al.: Mutations in the Lysosomal Enzyme-Targeting Pathway and Persistent Stuttering. In: New England Journal of Medicine 362, S. 677-685, 2010

Neef, N. E. et al.: Reduced Intracortical Inhibition and Facilitation in the Primary Motor Tongue Representation of Adults Who Stutter. In: Clinical Neurophysiology 122, S. 1802-1811, 2011

Neumann, K. et al.: Cortical Plasticity Associated with Stuttering Therapy. In: Journal of Fluency Disorders 30, S. 23-39, 2005

Salmelin, R. et al.: Single Word Reading in Developmental Stutterers and Fluent Speakers. In: Brain 123, S. 1184-1202, 2000

Sommer, M. et al.: Disconnection of Speech-Relevant Brain Areas in Persistent Developmental Stuttering. In: Lancet 360, S. 380-383, 2002

Sommer, M. et al.: Normal Interhemispheric Inhibition in Persistent Developmental Stuttering. In: Movement Disorders 24, S. 769-773, 2009

Walla, P. et al.: The Lack of Focused Anticipation of Verbal Information in Stutterers: A Magnetoencephalographic Study. In: NeuroImage 22, S. 1321-1327, 2004

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.