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Strategien für den ÖPNV: Neue Technologien


Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Deutschland hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt. Die Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen sind in den westlichen Bundesländern seit 1988 um fast 20 Prozent angestiegen. Auch in den neuen Bundesländern werden seit 1993 wieder mehr Fahrgäste gezählt. Die im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) organisierten Betriebe befördern jährlich rund 8,5 Milliarden Fahrgäste und erzielen dabei einen Umsatz von fast 39 Milliarden Mark.

Um die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs weiter zu steigern, werden jährlich etwa 13 Milliarden Mark investiert. Die Verkehrsbetriebe setzen sich hohe Ziele: Kundenfreundlich, umweltbewußt, energiesparend und wirtschaftlich soll das Angebot von Bussen und Bahnen künftig sein. Neue Technologien auf den Gebieten Fahrgastinformation, Sicherungs- und Leittechnik, Fahrgelderhebung sowie Fahrzeugtechnik unterstützen diese Ziele. Einige Beispiele aus dem Bereich Fahrzeugtechnik verdeutlichen den schon erreichten Fortschritt.

Mit der Einführung von Niederflurfahrzeugen konnte eine spürbare Verbesserung der Zustiegs- und Transportqualität für alle Fahrgäste – und damit auch für mobilitätsbehinderte Menschen – eingeleitet werden. In Bussen ermöglicht eine Bodenhöhe zwischen 32 und 35 Zentimetern in Kombination mit "Kneeling”, dem einseitigen Absenken des Fahrzeugs durch Entlüftung der Luftfederbälge um etwa sieben Zentimeter, nun einen fast ebenerdigen stufenlosen Einstieg. Mittlerweile sind mehr als drei Viertel aller neuen Stadtbusse mit dieser Niederflurtechnologie ausgestattet.

Auch bei Straßenbahnen setzt sich die Niederflurbauweise immer mehr durch. Bei Straßenbahnen mit konventionellen Drehgestellen wurde lediglich der Fahrzeugbereich zwischen den Drehgestellen abgesenkt. Die Entwicklung von Kleinradlaufwerken mit Radsatzwellen – als sogenannte Losradlaufwerke mit starren oder schwenkbaren Einzelrädern realisiert – ermöglichte Fahrzeugkonzepte, bei denen bereits bis zu 75 Prozent der Fahrzeuglänge niederflurig waren. Die Entwicklung von Fahrwerken ohne Radsatzwellen ebnete schließlich den Weg zu durchgängig niederflurigen Fahrzeugen. Sogar getriebelose Radnabenantriebe gelangen dabei zur Anwendung. In Deutschland sind in den letzten Jahren rund 1000 solcher Niederflurstraßenbahnen in Betrieb genommen worden.

Ein Anliegen der Mitgliedsfirmen im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen ist es, im regionalen Schienenverkehr eine bessere Wirtschaftlichkeit und damit Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Dieses Ziel kann mit einer vereinfachten Betriebsweisen und besser an die Anforderungen angepaßten Fahrzeugkonzepten erreicht werden. Allerdings müssen auch die Herstellkosten der Fahrzeuge deutlich niedriger liegen als bei herkömmlichen Dieseltriebwagen und sich dem Preisniveau von vergleichbaren Linienbussen annähern. Die Schienenfahrzeugindustrie hat mit der Verwendung von bewährten Komponenten aus dem Bus- beziehungsweise Straßenbahnbau reagiert und mit dem Einbau von Leichtbauelementen bereits deutliche Kostensenkungen realisiert. Rund 60 dieser neuartigen Fahrzeuge sind bereits ausgeliefert. Dabei wurde die Sicherheit des Fahrbetriebs etwa durch ein erhöhtes Bremsvermögen oder den Einbau von Knautschzonen in die Fahrzeuge noch erhöht. Aber auch die Kosten des Fahrbetriebs selbst lassen sich inzwischen durch den Einmannbetrieb der Fahrzeuge oder durch einen personalarmen Streckenbetrieb deutlich reduzieren.

Die Entwicklung schadstoffarmer Busantriebe konzentriert sich auf die Optimierung des bewährten Dieselmotors. Eine verbesserte Motortechnik und bessere Kraftstoffe trugen in den letzten Jahren schon zu einer deutlichen Reduzierung des Schadstoffausstoßes bei. Je besser allerdings der thermische Wirkungsgrad des Motors wurde – je geringer also Kraftstoffverbrauch und Partikelausstoß sind – umso größer wurde die Stickoxid-Emission. Eine Abgasnachbehandlung mittels Oxidationskatalysatoren und Partikelfiltern reduziert heute alle gesetzlich limitierten Schadstoffe – mit Ausnahme der Stickoxide – bis an die versuchstechnische Nachweisgrenze. Weitere Konstruktionsverbesserungen der Motoren, Abgasrückführung und unterschiedliche Filtersysteme, die zur Zeit in der Erprobung sind, lassen bis zur Jahrtausendwende auch eine serienreife Lösung des Stickoxid-Problems erwarten.

Auf der Suche nach Alternativen zum Dieselantrieb hat der Erdgasantrieb aus heutiger Sicht den Vorteil deutlich geringerer Stickoxid-Emissionen. Dies muß aber – trotz einer derzeit auf fünf Jahre beschränkten Steuerentlastung für Erdgas – von den Verkehrsbetrieben mit höheren Investitioskosten und höheren betrieblichen Kosten erkauft werden. Die Bedeutung von Biokraftstoffen dürfte in ihrer Bedeutung begrenzt bleiben, da die zum Anbau vorhandenen Flächen etwa von Raps nur rund fünf Prozent des Bedarfs decken könnten.

Nach heutigem Wissensstand ist Wasserstoff der Kraftstoff der Zukunft. Wasserstoff kann auf zwei Arten genutzt werden: durch Verbrennung im Hubkolbenmotor oder durch Oxidation mit Sauerstoff zu Wasser in der Brennstoffzelle. Ein aussichtsreicher Brennstoffzellentyp für den Einsatz in Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs ist die Niedertemperaturbrennstoffzelle mit platinbeschichteter Polymer-Elektrolyt-Membran (PEM). Ein Fahrzeug, dessen Hubkolbenmotor Wasserstoff verbrennt, wird hingegen schon im täglichen Linieneinsatz getestet. Auch von dieselelektrischen Bussen, bei denen der Verbrennungsmotor mittels eines Generators das Fahrzeug antreibt – und vergleichsweise weniger Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen erwarten läßt – existieren bereits Prototypen, die im täglichen Einsatz getestet werden.

Um im Schienenverkehr eine umsteigefreie Anbindung der Region an die Innenstadt schaffen zu können, wurde ein Zweisystemfahrzeug entwickelt, das mit unterschiedlicher Energieversorgung fahren kann: Im Straßenbahnnetz unter einer Fahrleitung mit 750 Volt Gleichspannung, auf Strecken der Deutschen Bahn unter einer Fahrleitung mit 15 Kilovolt Wechselspannung von 16 2/3 Hertz. Die ersten Fahrzeuge dieses Typs wurden 1991 in Karlsruhe in Betrieb genommen. Mittlerweile sind 36 Zweisystemfahrzeuge im Einsatz und verbinden die Stadt mit den umliegenden Orten. Die Systemwechselstelle befindet sich bewußt außerhalb von Zwangspunkten wie Signalen, Bahnübergängen oder Haltepunkten, damit die Stadtbahn mit voller Geschwindigkeit durchrollen kann und das Fahrzeug automatisch – ohne manuelles Eingreifen durch den Triebwagenführer – in die jeweils andere Spannung überschaltet.

Durch diese Neuerung haben sich die Fahrgastzahlen sehr positiv entwickelt. Inzwischen interessieren sich auch andere Städte für diese Technologie. Noch in diesem Jahr beginnt in Saarbrücken auf einem ersten Abschnitt der Betrieb eines Zweisystem-Fahrzeugkonzepts; in Aachen und Chemnitz sind entsprechende Projekte geplant.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1997, Seite 45
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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