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Superschnelle Transistoren aus Silicium-Germanium

Die Schaltgeschwindigkeit elektronischer Bauelemente läßt sich beträchtlich erhöhen, wenn man eine Legierung aus den beiden halbleitenden Elementen Silicium und Germanium verwendet. Was von der Idee her einfach ist, erforderte in der Praxis allerdings die Entwicklung eines neuartigen Herstellungsverfahrens.

Mikrochips aus Silicium sind heutzutage nicht nur die Kernbausteine von Steuerungssystemen, Schreibtischrechnern und Notebooks, sondern auch von recht profanen Gegenständen wie klingenden Glückwunschkarten. Trotz dieser überaus vielfältigen und erfolgreichen Anwendungen behaupten manche Forscher seit Jahren, die Silicium-Technologie nähere sich ihren physikalischen Grenzen: Noch höhere Schaltgeschwindigkeiten seien bald kaum mehr zu erreichen, weil die Miniaturisierung sich nicht beliebig weit treiben lasse. Demnach wären weitere Fortschritte nur zu erzielen, wenn man zu einem anderen Halbleitermaterial überginge – was für die Chip-Hersteller mit aufwendigen und schwierigen Umstellungen ihrer Fertigungsprozesse verbunden wäre. Ist die Zukunft des Siliciums wirklich so düster?

Keineswegs. Gemeinsam mit Kollegen vom Thomas-J.-Watson-Forschungs-zentrum der Firma IBM habe ich nach neuen Verfahren gesucht, die Leistungsfähigkeit der Silicium-Technologie zu erhöhen. Die enorme Steigerung in Geschwindigkeit und Vielseitigkeit der Operationen ist bisher im wesentlichen durch immer stärkeres Verkleinern der elektronischen Schaltungen erreicht worden; hingegen haben wir die Materialzusammensetzung der Chips modifiziert, um bei gleichen Abmessungen die Driftgeschwindigkeit der Elektronen zu erhöhen. Dabei fanden wir heraus, daß sich mit einer Legierung aus den beiden halbleitenden Elementen Silicium und Germanium außergewöhnlich schnell arbeitende Transistoren herstellen lassen – das heißt diejenigen Schaltelemente, auf denen die gesamte moderne Elektronik beruht.

Zudem kann man Chips mit den neuartigen Transistoren auf bestehenden Produktionsanlagen fertigen, bei denen es sich immerhin um eine Multimilliarden-Mark-Investition handelt. Deshalb erwarte ich, daß die Silicium-Technologie weiterhin in der Elektronik dominieren wird und daß sie sogar bald wieder dort zum Einsatz kommt, wo heute andere, exotischere Materialien wie etwa Galliumarsenid verwendet werden.


Feldeffekt- und Bipolartransistoren

Gemeinsam mit der Firma Analog Devices hat IBM kürzlich die ersten kommerziellen Produkte vorgestellt, die Silicium-Germanium-Hochleistungstransistoren enthalten. Marktchancen für Funktionseinheiten aus dieser Halbleiterlegierung bestehen in vielen Bereichen, so unter anderem in der Telekommunikation, wo Signalwandler für Glasfaserübertragungsstrecken mit hohem Datendurchsatz gebraucht werden.

Die Leistung von Computern und anderen elektronischen Geräten hängt grundlegend von der Arbeitsgeschwindigkeit ihrer Komponenten ab, die wiederum um so höher ist, je kleiner die Bauteile sind. Das Basiselement ist dabei der Transistor, dessen Wirkungsweise als Ein-Aus-Schalter seine Dominanz in der Digitaltechnik erklärt. Eine genauere Betrachtung des Aufbaus von Transistoren macht deutlich, warum ihre Verkleinerung so vorteilhaft ist, aber auch, warum Miniaturisierung nur bis zu gewissen Grenzen möglich ist.

Die auf Silicium basierende Elektronik umfaßt zwei Haupttypen dieser Bauelemente: bipolare und Feldeffekt-Transistoren. In einem Feldeffekt-Transistor fließt der Strom von einer Elektrode, der Quelle (englisch source) durch den Kanal zur Senke (drain). Eine dritte, durch eine isolierende Schicht getrennte Elektrode – das Tor oder Gatter (gate) – steuert dabei den Stromfluß, indem sie ein elektrisches Feld erzeugt, das den Kanal mit Ladungsträgern anfüllt oder von solchen entleert (Bild 2 links). Je nachdem, ob Strom fließt oder nicht, ist das Bauelement ein- oder ausgeschaltet.

Der Feldeffekt-Transistor hat einen bedeutenden Vorteil: Er verbraucht sehr wenig Energie. Um ihn zu betreiben, muß man nur an das Gate eine bestimmte kritische Spannung legen; er bleibt dann ohne weiteren Strombedarf in seinem Ein- oder Aus-Zustand. Darum eignen sich Elemente dieses Typs insbesondere für solche Geräte, die auf geringe Leistungsaufnahme angewiesen sind wie beispielsweise tragbare Computer.

Im Gegensatz dazu basieren Hochleistungsrechner vorwiegend auf bipolaren Transistoren, die schneller schalten, aber auch erheblich mehr Energie benötigen. Sie sind zumeist als NPN-Typ ausgebildet, bei dem außer den negativen Elektronen auch positive Ladungsträger am Stromfluß beteiligt sind. Durch entsprechende Dotierung des Siliciums mit Fremdatomen überwiegen in den beiden äußeren Bereichen – der Emitter- und der Kollektorzone – Elektronen als Ladungsträger, in der dazwischenliegenden dünnen Basiszone die sogenannten Löcher oder Defektelektronen (Bild 2 rechts); man spricht dann von n- beziehungsweise p-leitenden Zonen.

Die Wirkungsweise eines bipolaren Transistors beruht nun auf den elektrischen Eigenschaften an den Grenzflächen zwischen den unterschiedlich dotierten Bereichen. Direkt nach Herstellung des Elements diffundieren einige Elektronen von der n-leitenden Zone in die p-leitende, wo sie mit Löchern rekombinieren; entsprechend wandern einige Löcher in umgekehrter Richtung, wo sie sich mit Elektronen vereinigen. Infolgedessen entsteht eine schmale Übergangszone, die im wesentlichen frei von beweglichen Ladungsträgern ist. Durch die zurückbleibenden positiv beziehungsweise negativ geladenen Fremdatome bildet sich jedoch im n-seitigen Grenzgebiet eine positive und im p-seitigen eine negative Raumladung, die ein weiteres Diffundieren von Ladungsträgern verhindern.

In diesem Zustand kann demnach kein Strom von der Emitter- durch die Basis- in die Kollektorzone fließen; der Transistor ist dann ausgeschaltet. Erst durch Anlegen einer entsprechenden Spannung an der Basis verringert sich die Breite der als Sperrschicht fungierenden Raumladungszone, so daß nun Elektronen durch die Basis diffundieren können und der Transistor eingeschaltet ist.

Im allgemeinen sind die unterschiedlichen Dotierungszonen in ein durchgehendes Halbleiterstück eingearbeitet; die Grenzfläche zwischen den n- und p-dotierten Bereichen nennt man dann einen Homoübergang. Schwieriger herzustellen und darum weniger eingesetzt sind Heteroübergänge, bei denen an der Grenzfläche unterschiedliche Materialien – beispielsweise Silicium und Germanium – zusammentreffen.

Die Größe eines Transistors, gleich welcher Bauart, beeinflußt grundlegend die Schaltgeschwindigkeit. Bipolare Transistoren zum Beispiel vermögen um so schneller zwischen den Zuständen zu wechseln, je dünner die Basiszone ist, weil die Elektronen dann weniger Zeit benötigen, um diese Schicht zu durchqueren. Zudem reduziert sich damit der Flächenbedarf für den gesamten Transistor, wodurch sich die Packungsdichte solcher Bauelemente auf einem Chip erhöhen läßt. Mithin verringern sich auch die Abstände, welche die elektrischen Signale zwischen den einzelnen Transistoren zurückzulegen haben, so daß die Leistung des gesamten Chips steigt. Bei Feldeffekt-Transistoren ergeben sich vergleichbare Verbesserungen, wenn man die Abmessungen reduziert.

Aus diesen Gründen hat man stets versucht, die Strukturen zu verkleinern. Wenngleich diese sogenannte Skalierung im Laufe der Jahre Geschwindigkeit und Flexibilität der Silicium-Elektronik erheblich verbessert hat, ist nun ein Ende dieses Trends abzusehen. Am Aufbau des bipolaren Transistors läßt sich der Grund dafür verdeutlichen.

Da die Skalierung Dicke und Volumen der Transistorbasis verringert, die Gesamtladung in dieser Zone aber gleich bleiben muß, ist eine höhere Dotierungsdichte erforderlich. Im wesentlichen muß man also die gleiche Zahl von Fremdatomen in ein immer kleineres Materialvolumen packen. Bei einem Homoübergang in Silicium driften jedoch unweigerlich Ladungsträger durch die Grenzfläche, so daß bei sehr hohen Dotierungskonzentrationen und geringer Dicke der Basiszone selbst dann ein Strom durch den Transistor fließt, wenn er ausgeschaltet sein sollte – ein solches Bauelement wäre nutzlos.

Die fortschreitende Skalierung der Chips hat nun allmählich diese physikalische Grenze erreicht, weshalb man eifrig nach alternativen Ansätzen sucht, die Schaltgeschwindigkeit zu erhöhen. Dieser Umstand ist es auch, der manche Ingenieure an einen Ersatz von Silicium durch Galliumarsenid oder andere Halbleiter denken läßt. Weil aber die Industrie viele Milliarden Mark in Geräte und Fabriken für die Herstellung von Silicium-Bauelementen investiert hat, wäre es sehr vorteilhaft, wenn man bei dieser Fertigungstechnik bleiben und trotzdem die Leistung steigern könnte.


Herstellung von Silicium-Germanium-Heteroübergängen

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich damit, eine solche modifizierte Silicium-Technologie zu entwickeln. Die Idee dazu ist freilich viel älter. Etliche Forscher erkannten schon Mitte der fünfziger Jahre, daß sich im Prinzip mit Heteroübergängen die Schaltgeschwindigkeit eines Transistors erhöhen ließe, und zwar nicht über die Verkleinerung des Bauelements, sondern durch Abwandeln seiner grundlegenden elektronischen Eigenschaften. Dazu bieten sich die an der Übergangsstelle zwischen beiden Materialien auftretenden elektrischen Felder an, die negative oder positive Ladungen an gegenüberliegenden Seiten der Grenzfläche zu halten vermögen. Die Ausdehnung des Feldes läßt sich vergrößern, wenn man die Materialien nicht abrupt, sondern allmählich ineinander übergehen läßt.

Herbert Kroemer, jetzt an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara tätig, schlug Ende der fünfziger Jahre vor, ein solches Feld zu nutzen, um Elektronen beschleunigt durch die Basiszone eines bipolaren Elements zu treiben. Dadurch könnten Heteroübergänge viel schneller funktionieren als Homoübergänge vergleichbarer Größe. Kroemer erdachte sogar mehrere Paarungen von Halbleitermaterialien, mit denen sich die Schaltgeschwindigkeit von Transistoren steigern ließe – als günstigste nannte er die von Silicium und Germanium. Nur war die Herstellung damals noch nicht praktikabel.

Erst die in den sechziger Jahren entwickelte Methode der Epitaxie, bei der man einzelne Lagen von Atomen auf einem kristallinen Substrat abscheidet, schien dafür geeignet. Das Substrat dient dabei als eine Art Schablone, von der die aufwachsenden Atomschichten das Kristallgitter annehmen.

Da Silicium und Germanium die gleiche Kristallstruktur haben, kann man eine Schicht des einen Materials auf das andere aufbringen, ohne die atomare Ordnung zu stören. Die jeweiligen Abstände der Atome unterscheiden sich allerdings: Die Gitterkonstante von Germanium ist um 4 Prozent größer als die von Silicium. Scheiden sich nun Germaniumatome auf einem dicken Substrat aus Silicium ab, so lagern sie sich zwar an entsprechenden Gitterplätzen an, aber es entstehen enorme elastische Spannungen, die mit jeder zusätzlich aufgebrachten Schicht zunehmen.

Defekte im aufwachsenden Germaniumkristall verschaffen zwar etwas mehr Platz. Aber ganze Reihen von Atomen werden dabei sozusagen aus dem Gitter herausgedrückt (Bild 3 links). Vier von je hundert Plätzen des vom Silicium vorgegebenen Gitters müßten auf diese Weise freibleiben, um die Struktur in einen völlig spannungsfreien Zustand zu bringen. Auf der Fläche eines einzelnen Chips wären dann einige Billionen Störstellen vorhanden – mehr als genug, um ein Funktionieren zu verhindern.

Ein Trick, die Spannungen im Kristall auf andere Weise zu verringern, ist das Abscheiden einer Silicium-Germanium-Legierung. Deren charakteristischer Atomabstand liegt zwischen den Gitterkonstanten der beiden Elemente. Eine Schicht aus einer solchen Legierung aufzubringen erfordert jedoch viel Geschick, denn selbst in ihr bilden sich Defekte, wenn sie zu dick ist oder einen zu hohen Germanium-Anteil hat.

Die Ungleichheit in den Gitterkonstanten von Silicium und Germanium zu überwinden erwies sich als außerordentlich schwierig. Anfang der achtziger Jahre setzte man bei entsprechenden Versuchen zumeist die Molekularstrahlepitaxie ein. Dafür bringt man das Siliciumsubstrat in eine Stahlkammer, die auf weniger als ein Billionstel des Atmosphärendrucks evakuiert wird, und heizt es auf 1100 Grad Celsius oder mehr auf. Bei derart hohen Temperaturen dampfen Verunreinigungen vom Silicium ab, so daß eine saubere Oberfläche entsteht, auf der dann die weiteren Atomschichten aufwachsen können.

Nach dieser Reinigungsprozedur läßt man die Oberfläche etwas abkühlen und bringt zunächst eine Pufferschicht aus reinem Silicium auf, um alle noch verbleibenden Verunreinigungen zu überdecken. Schließlich wird die Legierung abgeschieden, indem man Silicium und Germanium in Behältern am Boden der Kammer schmilzt und verdampfende Atome strahlförmig auf das Substrat richtet, wo sie sich zu kristallinen Schichten zusammenlagern.

Um die Spannungen möglichst gering zu halten, baute man im allgemeinen weniger als 30 Prozent Germanium in die Legierung ein. Auf diese Weise gelang es, einigermaßen defektfreie Heteroübergänge herzustellen; sie waren aber lediglich gut genug, um als Labormuster für Versuche zu dienen.

Einige Forscher gingen deshalb zur chemischen Abscheidung aus der Gasphase (englisch chemical vapor deposition, CVD) über. Dabei benutzt man gasförmige Moleküle, aus denen die gewünschten Atome durch Diffusion zur Oberfläche des Substrats gelangen, wo sie sich ansammeln und neue Kristallschichten bilden. Dieses seit Jahrzehnten wohlbekannte Verfahren ist in vieler Hinsicht einfacher als die Molekularstrahlepitaxie.

Der größte Nachteil des CVD-Verfahrens waren die benötigten hohen Temperaturen: 1100 Grad Celsius während der anfänglichen Reinigungsphase und 1000 Grad während des Schichtwachstums. Bei dieser Hitze bilden sich infolge der elastischen Spannungen im Festkörper rasch Gitterdefekte. Zudem kann man die Dotierungsstoffe nicht präzise plazieren. Bei Temperaturen oberhalb 800 Grad Celsius diffundieren nämlich die eingebrachten Fremdatome in Silicium oder Germanium schnell von ihren ursprünglichen Gitterplätzen weg. Auch auf diese Weise ließen sich somit keine brauchbaren Heteroübergänge zwischen Silicium und Silicium-Germanium erzeugen.

Einige Forscher, darunter ich, suchten deshalb nach einer Möglichkeit, das CVD-Verfahren bei niedrigeren Temperaturen anzuwenden. Wir konzentrierten uns auf die beiden wesentlichen Schritte, die starkes Aufheizen zu erfordern schienen: die Reinigung der Siliciumoberfläche und das Aufwachsen defektfreier Schichten.

Bei der Reinigung will man vor allem die Oxide entfernen, die sich beim Kontakt von reinem Silicium mit dem Sauerstoff aus Luft oder Feuchtigkeit bilden – bei Raumtemperatur bis zu einer Dicke von zehn Atomlagen. Weil sie keine kristalline Struktur aufweisen, würden sie das epitaktische Aufwachsen behindern. Zudem absorbieren solche Oxidschichten einen der Dotierungsstoffe für Silicium, nämlich Bor, aus der Luft und lagern ihn an der Oberfläche in verheerend hohen Konzentrationen an.

Nun wußte man schon lange, daß sich der Oxidüberzug entfernen läßt, indem man das Substrat kurz in Flußsäure taucht. Da man aber annahm, das Silicium würde dann an der Luft sofort wieder oxidieren, heizte man zur Sicherheit bei allen Epitaxie-Verfahren die chemisch gereinigten Halbleiterplättchen noch einmal bei hohen Temperaturen aus. Ich bezweifelte, daß dies nötig sei.

Als Doktorand hatte ich lange Zeit mit Siliciumscheiben hantiert und mitunter versehentlich eine fallen lassen. Beim Abspülen bemerkte ich, daß die Scheibe nicht naß wurde, sondern das Wasser abperlte. Weil aber Siliciumoxid benetzbar ist, mußte die Oberfläche rein gewesen sein – und das, obwohl mehrere Stunden seit dem Flußsäurebad vergangen waren.

Nachdem ich zu IBM gekommen war, ging ich der Sache auf den Grund. Der einschlägigen Fachliteratur zufolge war einige Jahre zuvor eine Siliciumprobe mit groben optischen Meßgeräten untersucht worden. Den dünnen Überzug, der sich nach dem Flußsäurebad gebildet hatte, hielten die Forscher für eine Oxidschicht – fälschlicherweise, denn mit modernen, chemisch selektiven Sonden ließ sich nachweisen, daß es Wasserstoff war; und der verhindert nach einer Ätzung in Flußsäure für viele Stunden eine neuerliche Oxidation.

Diese Schutzschicht macht das vorbereitende Aufheizen bei der Epitaxie überflüssig. Eine Reinigung mit Flußsäure erlaubt also nicht nur niedrigere Tempera-turen, sondern fordert sie geradezu, weil sonst der Wasserstoff abdampfen würde.


Das Ultrahochvakuum- CVD-Verfahren

Als nächstes galt es herauszufinden, wie man bei vergleichsweise geringer Hitze Schichten hoher Qualität aufwachsen lassen kann. Frühere Arbeiten über Silicium-Epitaxie wiesen darauf hin, daß die Anzahl der Defekte in den Filmen mit abnehmender Temperatur drastisch ansteigt. Verunreinigungen, die gewöhnlich während des Abscheidungsprozesses vorhanden sind – insbesondere Sauerstoff und Wasser –, werden bei niedrigen Temperaturen viel eher in das aufwachsende Gitter eingebaut als bei hohen; sie können sich zu Clustern zusammenlagern und so Defekte verursachen.

Eine offensichtliche Strategie ist, die Konzentration der Fremdatome in der CVD-Kammer zu minimieren. Laborexperimente zeigten, daß sich reine Filme bei Temperaturen unterhalb von 700 Grad Celsius nur in einem Ultrahochvakuum bilden könnten, wenngleich dafür die Anforderungen nicht so streng wären wie bei der Molekularstrahlepitaxie.

Verunreinigungen aus dem Innern der Apparatur fernzuhalten gelang uns bei IBM mit speziellen Pumpen und Dichtungen. Unsere Hauptkammer besteht aus einer preiswerten Röhre aus Quarzglas, die von einem Ofen umgeben ist (siehe Kasten Seite 85). Eine spezielle Vorrichtung erlaubt es, die evakuierte Kammer zu beladen, ohne sie zwischendurch belüften zu müssen. Diese Anordnung verhindert das Eindringen von Spurenstoffen, die sehr fest an der Innenwand der Kammer haften würden und die man nur in einem langwierigen Prozeß wieder ausheizen und abpumpen könnte.

Eine weitere Quelle für Verunreinigungen kann das einströmende Gasgemisch sein, welches das für die Abscheidung benötigte Silicium und Germanium enthält. Um die Menge eindringender Fremdstoffe zu minimieren, halten wir den Druck in der Reaktionskammer recht niedrig, typischerweise auf einem Millionstel des Atmosphärendrucks. Wir bezeichnen deshalb unsere Methode als Ultrahochvakuum-CVD-Verfahren. Damit können wir den Ofen bei Temperaturen betreiben, die deutlich geringer sind als bei konventioneller Epitaxie – 400 bis 500 Grad Celsius reichen aus, um Silicium- und Silicium-Germanium-Filme von hoher Qualität zu produzieren.

Die so hergestellten Heteroübergänge erlauben den Aufbau von Chips großer Leistung und Flexibilität. Man kann zum Beispiel die Silicium-Germanium-Schicht auf einer vorprozessierten Siliciumscheibe abscheiden, die bereits alle dotierten Zonen für die elektronischen Funktionseinheiten enthält; dann lassen sich die Transistoren und anderen Elemente außergewöhnlich dicht packen. Bei der traditionellen Epitaxie hingegen würden die hohen Temperaturen alle bereits existierenden Dotierungsmuster durch Diffusion der Atome wesentlich verändern.


Die ersten Transistoren mit Rekord-Schaltzeiten

Die anfängliche Entwicklung des Ultrahochvakuum-CVD-Verfahrens habe ich weitgehend selbst vorangetrieben. Seit 1988 halfen Spezialisten bei der sehr viel schwierigeren Aufgabe, superschnelle Bipolartransistoren herzustellen. Nach und nach kam ein engagiertes Team zusammen, das auch unvermeidliche Niederlagen zu überstehen vermochte, und schließlich jeden bestehenden Leistungsrekord in der Silicium-Technologie brach.

Wir begannen mit der verhältnismäßig einfachen Herstellung von reinen Silicium-Homoübergängen. Sie funktionierten hervorragend, was die Brauchbarkeit unserer Technik bewies. Ab 1989 fertigte dann eine Gruppe die ersten einer Serie von NPN-Bipolartransistoren, mit denen das Kroemersche Konzept eines graduellen Heteroübergangs zwischen Silicium und einer Silicium-Germanium-Legierung verwirklicht wurde. Obwohl die Legierung weniger als 4 Prozent Germanium enthielt, übertrafen diese Transistoren bereits die mutmaßlichen Grenzen der Silicium-Technologie. Das eingebaute elektrische Feld (ungefähr 30000 Volt pro Zentimeter über die Basis hinweg) beschleunigte die Elektronen so stark, daß sie die Basiszone in der Hälfte der Zeit durchquerten, die sie in konventionellen Bauelementen aus reinem Silicium benötigen würden.

Ein übliches Maß für die Leistungsfähigkeit eines Bipolartransistors ist die Abhängigkeit seiner Verstärkung von der Schaltfrequenz (die Verstärkung ist das Verhältnis des durch den Transistor geschalteten Stromes zu dem, der erforderlich ist, das Bauelement einzuschalten). Ein konventioneller Bipolartransistor für eine typische Anwendung in einem Computer hat eine Verstärkung von vielleicht 100. Je höher die Schaltgeschwindigkeit, desto kleiner ist dieser Wert. Bei einer Verstärkung von eins wäre der Transistor nutzlos, da dann der Einschaltstrom genauso groß wäre wie der Ausgangsstrom; in diesem Falle würde das Element also nur wie ein einfacher Draht wirken.

Man beurteilt die Geschwindigkeit eines Transistors danach, wie schnell er schalten kann, bevor seine Verstärkung auf den Wert eins absinkt. Die ersten graduellen Heteroübergänge, die wir 1989 herstellten, reagierten mit 75 Gigahertz (Milliarden Zyklen pro Sekunde) fast doppelt so schnell wie die besten vergleichbaren Silicium-Elemente (Bild 4 links). Die weitere Entwicklung bei IBM erhöhte die Grenzfrequenz von Heteroübergängen sogar auf 110 bis 117 Gigahertz – ein Leistungsniveau, das früher als mit Silicium unerreichbar galt. In nachfolgenden Experimenten bauten meine Kollegen und ich diese Elemente in komplette Schaltkreise ein, die dann mit Rekordgeschwindigkeiten arbeiteten. Dies war ein entscheidender Test, weil schnelle Transistoren, wenn man sie integriert, in der Praxis oft eine sehr viel niedrigere Leistung ergeben.

IBM und Analog Devices bringen nun solche Chips gemeinsam auf den Markt. Auf einem Expertentreffen in der US-Bundeshauptstadt Washington kündigte unsere Partnerfirma letztes Jahr einen Digital-Analog-Wandler an, der digitale Daten in analoge Ausgangssignale mit einer Rekordgeschwindigkeit von einer Milliarde Umsetzungen pro Sekunde transformiert; er erreicht damit die Geschwindigkeit der besten Galliumarsenid-Schaltkreise, nimmt aber nur einen Bruchteil der elektrischen Leistung auf.

Die Einführung eines kommerziell erfolgreichen integrierten Schaltkreises auf Silicium-Germanium-Basis ist ein wichtiger Schritt bei den Bemühungen, das Funktionsvermögen anders als durch Skalierung zu erhöhen. Ingenieure von Analog Devices erwägen bereits weitere Anwendungen unserer Technik, zum Beispiel in Chips für schnurlose Telephone, die einen ungewöhnlich hohen Datenfluß verarbeiten können. Digital-Analog-Wandler sind unentbehrlich für die Umsetzung digitaler Daten aus optischen Glasfasern in analoge Signale für das Telephon oder das Fernsehen. Schnellere Schaltkreise dieser Art dürften somit den Aufbau digitaler Datennetze sowohl für professionelle als auch für private Zwecke und auch die Verbreitung tragbarer Kommunikationsgeräte beschleunigen.

Die Silicium-Germanium-Technologie steht gegenwärtig noch an ihrem Anfang. Die Entwicklungsingenieure müssen viele vorhandene Schaltkreis-Designs modifizieren, um die Geschwindigkeit der neuen Bauelemente voll nutzbar zu machen. Bisher ist es nur IBM gelungen, eine beträchtliche Anzahl von Hochleistungs-Bipolartransistoren mit Heteroübergängen in Schaltkreise zu integrieren. Aber auch die Leistung von Feldeffekt-Transistoren läßt sich mit Silicium-Germanium-Legierungen erhöhen, wie meine Gruppe demonstriert hat; wir müssen daraus allerdings noch größere Schaltkreise bauen. Diese Technologie sollte es am Ende ermöglichen, viele Funktionen (beispielsweise Sender, Signalumsetzer und Empfänger) auf einem einzigen Chip zu kombinieren. Auf diese Weise könnten alle möglichen exotischen Geräte wie etwa Bildtelephone am Handgelenk, die bisher nur in der Phantasie von Science-fiction-Autoren vorkamen, Realität werden.

Die Firma Leybold hat kürzlich mit der kommerziellen Herstellung unserer Ultrahochvakuum-CVD-Apparatur begonnen (siehe Kasten). Damit stehen den Ingenieuren nun standardisierte Anlagen zur Verfügung, mit denen sie zunehmend komplexere Schaltkreise entwickeln und die Vielfalt von Bauelementen mit Silicium-Germanium-Heteroübergängen, die sich auf einem einzigen Chip integrieren lassen, erweitern können.

Ich erinnere mich noch gut an ein Poster im Büro eines Kollegen. Es zeigte ein mit durchdrehenden Reifen startendes Auto und die Zeile: "Galliumarsenid hängt Silicium ab." Unser Team hat jedoch gezeigt, daß Silicium noch voll im Rennen ist und daß man besser keine Wette gegen seinen langfristigen Erfolg als Halbleitermaterial für die Elektronik abschließen sollte.

Literaturhinweise

- Elektronische Halbleiterbauelemente. Von Reinhold Paul. Teubner, Stuttgart 1992.

– Mikroelektronik. Von Rolf Enderlein. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1993.

– Evolution of the MOS Transistor: From Conception to VLSI. Von Chih-Tang Sah in: Proceedings of the IEEE, Band 76, Heft 10, Seiten 1280 bis 1326, Oktober 1988.

– Dünnschichttechnologie. Herausgegeben von Hartmut Frey und Gerhard Kienel. VDI-Verlag, Düsseldorf 1987.

– UHV/CVD Growth of Silicon and Silicon-Germanium Alloys: Chemistry, Physics, and Device Applications. Von Bernard S. Meyerson in: Proceedings of the IEEE, Band 80, Heft 10, Seiten 1592 bis 1608, Oktober 1992.

– Chemical Vapor Deposition. The Chemistry of Metals CVD. Herausgegeben von Toiro Kodas und Mark Hampden-Smith. VCH, Weinheim 1993.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1994, Seite 80
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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