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Supraleiter stapelweise


Er wäre als Hochfrequenzstrahler ideal, ist aber leider zu leistungsschwach: der Josephson-Kontakt. Zwei Supraleiter, durch eine Oxidschicht elektrisch getrennt, leiten verlustfrei Strom bis zu einer kritischen Stärke; dann überlagert sich ein hochfrequenter Wechselstrom (Ursache ist letztlich die Oxidschicht: Sie dämpft die Kopplung der Cooper-Elektronen-Paare in den beiden Supraleitern). Über die angelegte Spannung lässt sich die Frequenz der Strahlung sehr präzise abstimmen, vom hohen Mikrowellen- (Gigahertz, Milliarden Hertz) bis in den fernen Infrarotbereich (Terahertz, Billionen Hertz), doch ihre Leistung beträgt nur wenige Pikowatt (milliardstel Watt).

Praktischen Nutzen des Effekts verheißt die Serienschaltung vieler derartiger Kontakte. Einen eleganten Weg entwickelten Wissenschaftler um Paul Seidel an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie nutzten den 1992 von Reinhold Kleiner und Paul Müller an der Universität Erlangen entdeckten „intrinsischen“ Josephson-Effekt: Verschiedene Hochtemperatursupraleiter wie Thalliumstrontiumkuprat bilden in einer Kristallrichtung die Supraleiter-Oxidschicht-Supraleiter-Struktur von atomarer Ebene zu Ebene nach. Statt also eine Dünnschicht auf der anderen abzuscheiden, wie herkömmlich bei der Herstellung solcher Kontakte, könnte ein Kristall allein den gleichen Dienst tun.

Den Forschern aus Jena gelang es, einen solchen atomaren Stapel von Josephson-Kontakten aus einer Dünnschicht von 300 bis 400 Nanometer Stärke – entsprechend etwa 4000 Atomlagen – herauszuarbeiten; eine 100 Nanometer breite Kerbe in der Stapelspitze erzeugte zwei Elektroden. Das ganze System hat auf einem fünf mal zehn Quadratmillimeter großen Chip Platz, arbeitet mit minimalem Kühlaufwand und generiert Schwingungen im Terahertz-Bereich.

Dieser Frequenzbereich eignete sich etwa für spektroskopische Untersuchungen an Gasen wie dem Ozon. Darüber hinaus lässt sich der Josephson-Effekt umkehren: Einstrahlen einer Hochfrequenz ergibt einen oszillierenden Strom, dem ein sehr genau messbarer Spannungsabfall am Kontakt entspricht. Herkömmliche Josephson-Kontakte dienen bereits für den Eichstandard der Spannungsnormale in der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig. Atomare Stapelkontakte könnten als Kalibrierstandards in der Industrie dienen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2000, Seite 89
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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