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Technologie- und Gründerzentren in der Bundesrepublik - eine Bilanz


Die Technologie- und Gründerzentren (TGZ) gehören mittlerweile in Deutschland zu den populärsten Instrumenten der Wirtschafts- und Entwicklungsförderung. Die erste Einrichtung dieser Art, das Berliner Innovations- und Gründerzentrum, wurde vor zwölf Jahren eröffnet. Die Konzeption fand rasch Anerkennung unter den politischen Entscheidungsträgern, wodurch sich die Anzahl der TGZ inzwischen auf – je nach Definition – etwa 120 erhöht hat. Alle deutschen Großstädte mit Ausnahme von Frankfurt am Main verfügen inzwischen über ein derartiges Zentrum, aber auch Gemeinden in Randlagen wie Sproitz in Sachsen und Niebüll in Schleswig-Holstein (Bild). Selbst in Hessen, wo sich Landes- und Kommunalpolitiker hartnäckig gegen dieses Förderinstrument gewehrt hatten, gibt es neuerdings welche.

Bislang wurden allein für Investitionen in die TGZ etwa 1,3 Milliarden Mark aufgewendet – hauptsächlich aus Steuermitteln. Die derzeit angespannte Haushaltssituation in Bund, Ländern und Kommunen läßt nach dem Nutzeffekt fragen. Zugleich erweist die Debatte in Wissenschaft und Politik, daß die TGZ nicht unumstritten sind. Zudem werden mehrere Einrichtungen gegenwärtig von weniger Unternehmen als früher oder generell zu wenigen in Anspruch genommen. Darum haben wir an der Universität zu Köln die Funktion, die Situation und die Perspektiven der Zentren eingehend untersucht ("Bilanz eines Booms – Wirkungsanalyse von Technologie- und Gründerzentren in Deutschland" von Rolf Sternberg, Heiko Behrendt, Heike Seeger und Christine Tamásy. Dortmunder Vertrieb für Bau- und Planungsliteratur, 1996).


Ziele und Angebote

Technologie- und Gründerzentrum ist ein schillernder Begriff. Aus Marketing-Erwägungen wird er gern für Einrichtungen unterschiedlicher Art verwendet, zum Beispiel auch für reine Industrie- und Gewerbeparks. Deshalb ist eine korrekte Definition unerläßlich: TGZ sind Standortgemeinschaften von Neugründungen und Jungunternehmen, die neue beziehungsweise wesentlich verbesserte Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen unter Anwendung aktuellen technischen Wissens erforschen, entwickeln, produzieren und am Markt einführen.

Preisgünstige Mietflächen, gemeinschaftlich nutzbare Service-Einrichtungen sowie Beratungsleistungen sozusagen unter einem Dach sind die wesentlichen Elemente des Angebots, das allerdings nur als Starthilfe gedacht ist. Förderungswürdige Unternehmen sollen hier ihre kritische Gründungs- und Anlaufphase unter günstigen Bedingungen verbringen können. Dementsprechend laufen die Mietverträge in aller Regel nur über drei bis fünf Jahre. Gerade technologie-orientierte Firmen – so die sicherlich weitgehend realistische Annahme der Politik – haben in diesem Zeitraum vor allem mit einer hohen Fixkostenbelastung und mit betriebswirtschaftlichen Defiziten bei der Unternehmensführung zu kämpfen. Um das damit verbundene Gründungsrisiko zu reduzieren und den Unternehmen den Markteintritt zu erleichtern, scheinen TGZ aufgrund ihrer spezifischen Leistungen prinzipiell geeignete Förderinstrumente zu sein.

Für unsere Studie sind 1021 Unternehmen in 108 west- und ostdeutschen TGZ untersucht worden. Die Wirkungen der Zentren haben wir daran gemessen, in welchem Umfang die selbst gesetzten Ziele erreicht wurden. Die wichtigsten sind nach Auskunft des Managements außer der Förderung von Unternehmensgründungen an sich die Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze sowie eine Intensivierung des Wissens- und Technologietransfers; auch regionalpolitische Überlegungen wie die Verringerung räumlicher Ungleichgewichte – beispielsweise zwischen den Altindustrieregionen in den neuen Bundesländern (etwa in der Lausitz) und den prosperierenden Wachstumszentren (zum Beispiel München) – spielen indirekt eine Rolle.


Wieviel wurde erreicht?

Was die Förderung von Unternehmensgründungen betrifft, haben sich die betriebswirtschaftlichen Ziele bislang nur mit Einschränkungen erfüllt. So ist es trotz der vielen Zentren noch nicht gelungen, die Anzahl innovativer Firmen in Deutschland signifikant zu erhöhen. Die Förderung erreicht nämlich vor allem solche Unternehmer, die sich auch ohne TGZ selbständig gemacht hätten. Lediglich für drei Prozent der Befragten in West und Ost war das Vorhandensein einer solchen Einrichtung ausschlaggebend für ihre Entscheidung, eine eigene Firma zu gründen.

Andererseits leisten viele TGZ offensichtlich den Jungunternehmen wertvolle Überlebens- und Wachstumshilfe – insbesondere, indem sie ihnen preiswerten und adäquaten Gewerberaum anbieten. Der Mietpreis liegt in 78 Prozent aller Zentren unter der jeweiligen ortsüblichen Vergleichsmiete. Auch ermöglicht bereits das flexible Raumangebot Kosteneinsparungen, weil die Unternehmen die Mietfläche dem jeweiligen Stand ihrer Entwicklung anpassen können. In den neuen Bundesländern ist zudem die eigentums- und planungsrechtliche Sicherheit in den Zentren ein weiterer entscheidender Standortvorteil.

Von nachrangiger Bedeutung für die Unternehmensentwicklung sind hingegen die gemeinschaftlichen Service-Einrichtungen, die gleichwohl mehrheitlich in Anspruch genommen und positiv bewertet werden. Das Angebot der TGZ ist in dieser Hinsicht quantitativ und qualitativ zufriedenstellend. Ein Sekretariat, eine Telephonzentrale, Telekommunikationsdienste wie Telefax und BTX sowie Kopiergeräte und Sitzungsräume befinden sich in nahezu allen Einrichtungen; die Kantine beziehungsweise Cafeteria nutzen die Teams der Unternehmen insbesondere auch als Treffpunkt und Kommunikationsort innerhalb des jeweiligen Zentrums.

Wenig zur Förderung der Existenzgründung beigetragen haben freilich die vom TGZ-Management angebotenen Beratungsdienste: Hier kann die offensichtlich bestehende Nachfrage der Unternehmer, beispielsweise was Probleme der Finanzierung, der Markteinführung und der Weiterbildung betrifft, bislang vielerorts nicht befriedigt werden – es mangelt an gründlicher betriebswirtschaftlicher Ausbildung der Berater selbst. Mehr als die Hälfte der Gründer bewertet angebotene Leistungen dieser Art denn auch als unwichtig für die Entwicklung ihres Unternehmens. Gleichwohl gibt es vereinzelt sehr erfolgreiche TGZ mit herausragenden Beratungsleistungen zu akzeptablen Preisen.

Insgesamt ist für die TGZ hohe Akzeptanz zu verzeichnen. Die Unternehmer bekunden, daß sie durch die Wahl eines solchen Standorts mehr Vor- als Nachteile hätten. Besonders wichtig ist ihnen die Möglichkeit des Ideen- und Informationsaustausches mit anderen Gründern im Zentrum. Wie die Untersuchung belegt, kooperieren zwei Drittel der Unternehmen untereinander, beispielsweise um gemeinsam Projekte zu bearbeiten. Die immer wieder gerühmten Synergieeffekte sind also in der Realität durchaus eingetreten. Probleme mit der Geheimhaltung und ausgeprägtes Konkurrenzverhalten treten hingegen bislang nur äußerst selten auf.

Auch das Betriebsklima in den Zentren scheint zu stimmen: Die Mehrheit der Unternehmen ist mit dem Verhältnis zu dem jeweiligen Management und zu den anderen Mietern zufrieden. Insbesondere in den neuen Bundesländern gelten TGZ überdies sozusagen als gute Adresse, wovon sich die Unternehmen vor allem Vorteile bei Banken und Kunden versprechen. Die Absicht, mit diesen Fördereinrichtungen auch günstige Imageeffekte zu erzielen, scheint sich damit zu verwirklichen.

Diesem grundsätzlich positiven Fazit hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Wirkungen von Technologie- und Gründerzentren steht eine vorwiegend ernüchternde Zwischenbilanz bei den regionalwirtschaftlichen Zielen – Verbesserung des Arbeitsmarktes und des Technologietransfers – gegenüber.

Eines ist gewiß: Quantitative Beschäftigungseffekte in nennenswertem Umfang sind mittels TGZ sicherlich nicht zu erreichen. Bei allen in den deutschen Zentren ansässigen Unternehmen waren zum Zeitpunkt unserer Untersuchung insgesamt zwar 22594 Personen tätig, aber in der Arbeitsmarktstatistik schlägt sich das kaum nieder. TGZ sind – abgesehen von sehr großen und florierenden Einrichtungen mit angegliedertem Technologiepark wie beispielsweise in Dortmund und Bremen – in keiner Kommune mehr als nur ein marginaler Bestandteil des lokalen Arbeitsmarktes. Der mit 56 Prozent recht hohe Anteil von Fach- und Hochschulabsolventen an den Beschäftigten in TGZ-Unternehmen belegt zudem, daß sich dort vor allem höher Qualifizierten neue Perspektiven bieten. Aber gerade diese Personengruppe hat auf dem Arbeitsmarkt ohnehin weniger Probleme. Gleichwohl ist es in den neuen Bundesländern auf diese Weise gelungen, einen Teil der Akademiker, deren Arbeitsplätze der Umstrukturierung der dortigen Forschungslandschaft zum Opfer fielen, zum Schritt in die Selbständigkeit zu motivieren oder ihnen in den Unternehmen eine angemessene Tätigkeit zu ermöglichen.

Die Wirkungen der TGZ auf den lokalen Technologietransfer im Sinne einer schnelleren Umsetzung von neuen Erfindungen in technologisch anspruchsvolle Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen sind unserer Studie zufolge gering. Weil die Beratungskompetenzen der meisten TGZ nicht ausreichen, sind sie als Institution nicht wettbewerbsfähig gegenüber anderen Transfereinrichtungen. Wirkungsvoller ist gewissermaßen der Transfer über Köpfe, der sich durch die Gründung der Unternehmen quasi automatisch ergibt. Die Institution TGZ hat also auch daran einen eher marginalen Anteil. Lediglich in ländlichen Gebieten sowie in weiten Bereichen der neuen Bundesländer können Technologie- und Gründungszentren eine wichtige Funktion als regionale Transfereinrichtung in den Bereichen Information und Beratung übernehmen. Wichtig für den Erfolg sind jedenfalls das richtige Konzept, die richtige Organisation und das richtige Management. Eine allgemeingültige Strategie dafür, die TGZ auf Dauer sinnvoll in ein lokales Innovationsnetzwerk zu integrieren, gibt es freilich nicht.

Auch eine weitere Hoffnung blieb unerfüllt: Technologie- und Gründungszentren eignen sich nicht als Instrument zum Abbau regionalwirtschaftlicher Disparitäten. Einrichtungen in Verdichtungsräumen sind wegen der besseren Standortvoraussetzungen eindeutig begünstigt. Vor allem bereits vorhandene Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen wie beispielsweise Universitäten als Quellen für Know-how erweisen sich als bedeutender Vorteil. Selbst wenn alle TGZ in allen Regionen Deutschlands gleichermaßen erfolgreich wären, würden die technologischen und ökonomischen Gefälle in der Bundesrepublik sich nicht verringern, sondern im günstigsten Falle unverändert bleiben.

Perspektiven für die Zukunft

Nur für wenige Standorte in Deutschland machen Überlegungen Sinn, weitere Technologie- und Gründerzentren einzurichten. In den meisten Regionen reicht das Potential an technologie-orientierten Unternehmensgründungen nicht aus, um alle Einrichtungen mittel- und langfristig zielgruppenadäquat auszulasten. Als warnendes Beispiel mag die – gemessen am Potential – zu hohe Dichte von Zentren in Nordrhein-Westfalen dienen, die durch freigiebige Vergabe von Landesmitteln verursacht wurde.

Zahlreiche TGZ haben auf den Nachfragemangel mit diversen Maßnahmen des sogenannten down-grading reagiert, um einen zeitweiligen oder sogar dauerhaften Leerstand von Flächen zu vermeiden: Sie verwässern ihr ursprüngliches Konzept, indem sie die Aufenthaltsdauer der Unternehmen im Zentrum verlängern, den technologischen Anspruch reduzieren oder in letzter Konsequenz auf jegliche Auswahlkriterien verzichten. Dennoch konnte dies einige der Zentren nicht vor der Schließung bewahren. In den bestehenden TGZ ist mittlerweile mindestens ein Drittel der Unternehmen nach den anfänglichen Kriterien als Fehlbelegung anzusehen.

Es ist deshalb gewiß an der Zeit, die Grundidee von Technologie- und Gründerzentren neu zu überdenken. Weitere Einrichtungen dieser Art verschärfen nur den Wettbewerb untereinander, weil sich kaum mehr technologie-orientierte Unternehmen zusätzlich gewinnen lassen. Hier sind die politischen Entscheidungsträger gefordert, alternative Konzeptionen zu entwickeln und neue Zielgruppen zu erschließen. Zahlreiche Ansatzpunkte bieten sich dafür an: stärkere Nachfrage- statt Angebotsorientierung, Qualitätsverbesserung bei Beratung und Management, stärkere Berücksichtigung innovativer Dienstleister als unternehmerischer Zielgruppe, die Einbindung von TGZ in eine effiziente Arbeitsteilung mit den Technologietransfer-Einrichtungen vor Ort sowie gezielte Informations- und Beratungsveranstaltungen an Hochschulen, außeruniversitären Forschungsinstituten und sonstigen Stätten, aus denen Gründer innovativer Unternehmen hervorgehen können.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1997, Seite 112
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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