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Telekommunikationssysteme des nächsten Jahrhunderts

Ein dichtes Netz von erdnahen Satelliten und Luftschiffen wird schon bald riesige Datenmengen übertragen. Zusammen mit breitbandigen Glasfaserkabeln und erdgebundenen Funkverbindungen werden sie ein weltweites mobiles Kommunikationsnetz bilden.

Schon in zwanzig Jahren werden wir überall auf der Welt mit Hilfe winziger Terminals im Handy- oder gar Westentaschenformat Informationen abrufen können. Virtuelle Realität als Unterhaltung für alle, Videos auf Abruf und umfassende Telegesundheits- und -bildungsdienste sind nur einige unter den vielen Wohltaten, die diese Datenflut mit sich bringen wird – zusammen mit einer anwachsenden Informationslawine und einer globalen Arbeitsteilung, bei der es vorkommen mag, daß die Arbeit an einem Projekt zu keinem Zeitpunkt ruht.

In fünf Jahren werden höchstwahrscheinlich 1000 – statt heute ungefähr 220 – kommerzielle Kommunikationssatelliten die Erde umkreisen, viele davon in erdnahen Umlaufbahnen (low earth orbit, LEO) mit nur wenigen hundert

Kilometern Höhe. Die herkömmlichen geostationären Satelliten, die in 36000 Kilometer Höhe genau einen Tag für einen Umlauf brauchen und deshalb stets über demselben Punkt der Erdoberfläche schweben (geosynchronous orbit, GEO), werden weiterhin eine bedeutende Rolle spielen.

Erdnahe Umlaufbahnen bieten den Vorteil kürzerer Wege. Die Signallaufzeit beträgt – hin und zurück – nur wenige Hundertstelsekunden statt einer Viertelsekunde bei einem geostationären Satelliten, was für interaktive Zugriffe auf Datennetze und Videokonferenzen einen großen Unterschied macht. Dafür braucht ein LEO-Kommunikationssystem zwanzigmal so viele Satelliten wie ein geostationäres und immer noch fünfmal so viele wie eines in mittelhohen Umlaufbahnen (medium earth orbit, MEO).

Dazu kommen – vielleicht schon in zwei Jahren – noch niedriger am Himmel hängende Relaisstationen. Unbemannte, elektrisch angetriebene Flugzeuge oder Luftschiffe (highaltitude, longendurance platforms, HALE) könnten jeweils mehrere Tage lang etwa 20 Kilometer (also oberhalb des kommerziellen Luftverkehrs) über unseren Städten kreisen oder schweben und massenhaften Daten-Nahverkehr betreiben.

Bedeutender als diese technischen Neuerungen ist die Veränderung in der Verteilungsstruktur. Information wird nicht mehr über eine kommerzielle Station wie einen Fernsehsender oder eine Telephonvermittlungsstelle geliefert, sondern direkt an den Endverbraucher. Raumfahrtunternehmen treten in direkte Konkurrenz zu den Telekommunikationsgesellschaften.

Für eine individuelle Verbindung zu einem Satelliten benötigte man noch vor wenigen Jahren eine große, unhandliche Antennenschüssel. Kanäle waren knapp; ein Gespräch mit einem Schiff auf See kostete bis zu 18 Mark pro Minute. Diese Einschränkungen werden bald der Vergangenheit angehören. Von den neuen, globalen Hochgeschwindigkeits-Datenverbindungen werden Privatnutzer und Unternehmen auf der ganzen Welt profitieren, vor allem in Entwicklungsländern wie Brasilien, Indien oder China, in denen es keine flächendeckenden Glasfasernetze gibt.

Die bedeutendste technische Neuerung zur Bewältigung der Datenflut ist die phasengesteuerte Antenne (Spektrum der Wissenschaft, April 1985, Seite 46). Dieses Gerät, das bislang hauptsächlich für militärische Zwecke eingesetzt wurde, besteht aus zahlreichen Sende- oder Empfangselementen, die in einem regelmäßigen geometrischen Muster angeordnet sind. Indem die Signale der einzelnen Elemente um unterschiedliche – winzige – Zeiten verzögert werden, ergeben sich Interferenzen mit dem Effekt, daß die Antenne gezielt in eine eng begrenzte Richtung abstrahlt beziehungsweise aus ihr empfängt: Der Öffnungswinkel des Strahls beträgt nur noch ein halbes Grad.

Das ganze Gerät paßt in den beschränkten Platz eines Satelliten, einschließlich eines schuhkartongroßen Supercomputers für die Signalverzögerung, der die Sende- oder Empfangsrichtung einem bewegten Ziel nachführt – sei es ein anderer Satellit, ein autofahrender Telephonbenutzer oder eben ein feindliches Kampfflugzeug. Das Prinzip ist dasselbe wie beim Very Large Array, einer Anordnung von Radioteleskopen in Socorro (New Mexico), die zur Untersuchung astrophysikalischer Phänomene verwendet wird (Spektrum der Wissenschaft, März 1988, Seite 58). Die technische Entwicklung, die vor etwa zehn Jahren mit modifizierten Parabolantennen begann, dauert noch an.

Die Richtungsselektivität einer phasengesteuerten Antenne hilft, die wachsende Nachfrage nach Bandbreite für den höheren Datendurchsatz zu bewältigen; denn ein und dieselbe Antenne kann mit verschiedenen Partnern – ausreichenden Winkelabstand vorausgesetzt – auf einer einzigen Frequenz völlig verschiedene Daten ohne gegenseitige Störungen austauschen. Schon bald wird ein Satellit eine Frequenz 100fach, in absehbarer Zukunft vielleicht 1000fach nutzen können.

Auch am Boden werden zunehmend phasengesteuerte Antennen zum Einsatz kommen; es ist nicht schwer, ihren Strahl einem Satelliten mit bekannter Umlaufbahn nachzuführen. Sie sind zudem in nahezu jeder gewünschten Form konstruierbar, was sie besonders für Flugzeuge und Automobile attraktiv macht. Vielleicht gibt es in fünf Jahren schon Handys mit phasengesteuerter Antenne.


Konkurrenz am Boden

Das größte wirtschaftliche Hindernis für Satellitenkommunikation in den Industrieländern wird die Konkurrenz der Glasfasersysteme sein. Ein Satellit kann mit der Übertragungsgeschwindigkeit einer simplen Glasfaser schlicht nicht mithalten. Nur haben die Kabelnetze ein Problem: Der letzte Kilometer von der Vermittlungsstelle zum Endkunden besteht in der Regel aus langsamerem Kupfer- oder Koaxialkabel; und das langsamste Glied in der Kette bestimmt die Übertragungsgeschwindigkeit.

Den Telephongesellschaften ist es zwar in den letzten Jahren gelungen, den Datendurchsatz in diesen Kabeln von einigen zehntausend auf mehrere Millionen Bits pro Sekunde zu erhöhen. Trotz großer Verbesserungen in Preis und Leistung ist dieses Verfahren (genannt xDSL) jedoch immer noch teuer und wird wohl kaum die Nachfrage nach hohem Datendurchsatz befriedigen können.

Viele Privatnutzer des World Wide Web stört der langsame Bildaufbau der Graphiken. Eine Breitband-Internet-Verbindung übermittelt Daten fünfzigmal so schnell wie eine typische Telephonverbindung mit 28,8 Kilobit pro Sekunde; hochauflösendes Fernsehen (HDTV) benötigt einen noch zwanzig- bis dreißigmal so hohen Datendurchsatz. Schon in wenigen Jahren werden viele Konsumenten Übermittlungsraten von mehreren Megabit pro Sekunde fordern. Die Satellitentechnik hat somit ungefähr zehn Jahre Zeit, sich so weit zu entwickeln, daß sie derartige Leistungen anbieten kann.

Noch vor kurzem war selbst diese Marktchance keineswegs offensichtlich. Noch 1993 sagte Nicholas Negroponte vom Massachussetts Institute of Technology in Cambridge, eine anerkannte Autorität, einen großen Rollentausch voraus: Dienste mit geringer Datenrate wie Telephon und ähnliche, die heute häufig durch Glasfaser über weite Strecken übermittelt werden, würden auf drahtlose Wege überwechseln. Zugleich würden Breitbanddienste wie das Fernsehen wegen der Kosten und des begrenzt verfügbaren Funkspektrums auf Glasfaser- und Koaxialkabel übergehen. Diese Vorhersage wurde unter dem Namen Negroponte-Flip bekannt.

In einem Artikel in der Zeitschrift „Telecommunications“ widersprach ich dieser These. Zu erwarten sei eine „reichhaltige, aber chaotische“ digitale Mischung aus Glasfaser- und Koaxialkabelnetzen sowie terrestrischen und satellitengestützten Funkdiensten, die alles von Sprache bis zu Breitband-Multimedia und Videofilmen übermitteln. Der Nutzer werde seine mobile Station ebenso für Breitbanddienste wie für schlichte Telephongespräche verwenden. Jeder der zahlreichen Übertragungswege werde beteiligt sein, und der technische Knackpunkt sei die Software (die sogenannten Protokolle) für den nahtlosen Übergang von einem Dienst zum anderen.

In Absetzung vom „Negroponte-Flip“ schuf „Telecommunications“ eine griffige Kurzbezeichnung für mein Szenario: „Pelton-Eintopf“ (Pelton merge). Es lief auf die Forderung hinaus, Satelliten mit einer Übertragungskapazität auszustatten, die mit Glasfaser- und Koaxialkabelsystemen mithalten kann – ungefähr das Tausendfache des heutigen Stands der Technik. Zugleich wären noch vor der Entwicklung neuer Geräte herstellerunabhängige Daten-Konvertierungs-Protokolle und Standards zu entwickeln, nach denen diese arbeiten müßten.

Mittlerweile hat die Zeit für mein Konzept gearbeitet. Die drahtlose Kommunikation (terrestrischer und Satellitenfunk) hat technisch und quantitativ enorme Fortschritte gemacht. Die Gestehungskosten für ein Telephongespräch über diese Wege sind auf wenige Zehntelpfennige pro Minute gesunken. Der am schnellsten wachsende Dienst ist das Fernsehen vom geostationären Satelliten direkt in die Parabolantenne des Zuschauers (direct broadcasting satellite, DBS), das an mehr als 20 Millionen Abonnenten weltweit überträgt. Eine Verdreifachung dieser Zahl bis zum Jahre 2005 wird vorausgesagt. Dagegen müßte nach dem Negroponte-Flip das Fernsehen mittels Kabel übertragen werden.


Nutzung einer begrenzten Ressource

Die Satellitentechnik hat noch immer große Hindernisse zu überwinden. Ein entscheidendes sind die überaus hohen Kosten des Aussetzens in der Umlaufbahn – mitsamt Versicherung. Es besteht dringender Bedarf nach neuen, zuverlässigeren und billigeren Transportverfahren. Von den verschiedenen in der Erprobung befindlichen Konzepten, darunter wiederverwendbare Raketen und Strahlflugzeuge, hat sich jedoch noch keines bewährt.

Ein weiteres Problem besteht darin, daß das Frequenzspektrum und damit die Datenübertragungsrate auf jeder Funkstrecke begrenzt ist. Weil alle modernen Systeme Daten in digitaler Form übertragen, ist deren Kompression ein naheliegender Ansatz. DBS zum Beispiel nutzt das neue Verfahren der Motion Picture Experts Group, MPEG2, das eine Übertragung von Videobildern hoher Qualität mit nur sechs Megabit pro Sekunde ermöglicht. Dadurch kann ein DBS-Satellit wie DirecTV mit einer Kapazität von einem Gigabit pro Sekunde mehr als 150 Fernsehkanäle und zahlreiche Audiokanäle in CD-Qualität in Privathaushalte übertragen. Einige mobile Systeme komprimieren aus denselben Gründen auch Sprachdaten.

Da die erreichbare Datenübertragungsrate mit zunehmender Frequenz anwächst, haben sich die genutzten Bereiche zu immer höheren Frequenzen verschoben: von zehn Megahertz in den fünfziger Jahren zu fast 100 Gigahertz bei den modernsten Systemen. Die Übertragung und Verarbeitung Tausender von Signalen erfordert jedoch viel elektrische Leistung, die in Satelliten knapp ist. Dies gilt insbesondere für geostationäre Satelliten, weil diese sehr viele Funkstrahlen verarbeiten und die Daten über eine Entfernung von mehr als 40000 Kilometern übertragen müssen.

Auch für mobile Dienste müssen die Satelliten mit hoher Leistung senden, da die kleinen Antennen der heutigen tragbaren Sende- und Empfangsgeräte nur einen winzigen Bruchteil der ausgesandten Strahlung einfangen. Aus diesem Grunde mußte die Energieversorgung eines typischen geostationären Satelliten in den vergangenen fünf Jahren von etwa zwei auf mehr als zehn Kilowatt erhöht werden. Erreicht wurde dies teils durch größere Anzahl an Solarzellen, teils durch Erhöhung ihres Wirkungsgrades. Mit neuen Materialien, beispielsweise einer Kombination aus Galliumarsenid und Germanium, konnte der Wirkungsgrad gegenüber dem von amorphem Silicium auf etwa 23 Prozent verdoppelt werden.

Mit Hilfe von Hohlspiegeln, die das Licht bündeln, und Bauelementen mit mehreren Sperrschichten, die außer sichtbarem Licht auch Infrarot- und Ultraviolettstrahlung in Strom verwandeln, könnte der Wirkungsgrad photovoltaischer Elemente in den kommenden fünf Jahren auf mehr als 30 Prozent anwachsen. Die Entwicklung flexibler Solarzellenanordnungen für 60 Kilowatt oder mehr, verbesserter Brennstoffzellen und Hochleistungsbatterien dürfte noch etwas länger andauern.

Hohe Datendurchsätze erfordern große Antennen, insbesondere für geostationäre Systeme. Parabol-Satellitenantennen mit 10 Meter Durchmesser sind bereits Stand der Technik; 20 oder 30 Meter sollten in naher Zukunft möglich sein. Die bislang größte phasengesteuerte Antenne für den Einsatz in Satelliten wird gegenwärtig in Japan gebaut; sie soll bei einem Durchmesser von drei Metern aus 2700 Einzelelementen bestehen. Mit zunehmender Erfahrung und den Vorteilen der Massenproduktion wird man auch Antennen mit mehreren zehntausend Zellen zu bezahlbaren Preisen herstellen können.

Zur Durchsetzung dieser Technik auf dem Massenmarkt müssen jedoch die Kosten für die private Bodenstation drastisch fallen. Das sollte durch Konstruktionsverbesserungen und Massenfertigung möglich sein. Moderne DBS-Empfangsstationen haben nur noch einen Durchmesser von 30 Zentimetern und kosten inzwischen weniger als 300 Mark. Elemente auf Galliumarsenid-Basis werden die Kosten phasengesteuerter Antennen an beiden Enden der Funkstrecke noch weiter verringern.


Nah oder fern der Erde?

Heute kreist die Mehrheit der Kommunikationssatelliten in erdfernen, geostationären Umlaufbahnen. Seit 1965 die Internationale Organisation für Telekommunikationssatelliten (Intelsat) ihren ersten Satelliten „Early Bird“ in die Umlaufbahn schickte, kommunizieren die meisten Systeme mit ortsfesten Bodenstationen. Die Internationale Organisation für Seefunk-Satelliten (International Maritime Satellite Organization, Inmarsat) bot Mitte der achtziger Jahre erstmals mobile Sprach- und Datenverbindungen für Schiffe an, und im vergangenen Jahr führten American Mobile Satellite Corporation in den USA und Telesat Mobile in Kanada ähnliche Dienste für Mobilfunknutzer auf dem Land ein. Zwar konnten diese Gesellschaften die Kosten für den Kunden durch den Bau von Satelliten mit größeren Antennen verringern; ihre Dienste litten jedoch an Übertragungsschwierigkeiten (und einer schlechten Vermarktung).

Wegen der hohen technischen Anforderungen an geostationäre Satelliten hat sich das Interesse an Satelliten in erdnahen (bis 1600 Kilometer) und mittleren Umlaufbahnen (13000 bis 16000 Kilometer) deutlich belebt. (Der Bereich zwischen diesen beiden Umlaufhöhen wird wegen des dort verlaufenden Van-Allen-Strahlungsgürtels, der die empfindliche Elektronik schädigen würde, gemieden.)

Erdnahe Satelliten kreisen schneller als geostationäre. Zum Datenaustausch mit ihnen genügen viel kleinere Sende- und Empfangsstationen als bei den bis zu 40mal so weit entfernten stationären Erdtrabanten. In den kommenden ein bis zwei Jahren wollen drei neue Betreiber mit Satelliten in erdnahen und mittleren Umlaufbahnen Telephon- und globale Funkruf-Dienste anbieten: Iridium (als erster), ICO Global Communications und Globalstar.

Die Nachteile solcher Systeme liegen darin, daß sie eben nicht stationär sind, sondern innerhalb von ein bis zwei Stunden von Horizont zu Horizont wandern. Für einen guten Empfang muß stets mindestens ein Satellit hinreichend hoch am Himmel stehen, damit Gebäude und Bäume sich nicht störend bemerkbar machen. Deshalb sind sehr viele von ihnen erforderlich – für eine weltweit gleichmäßige Versorgung mit LEOs mindestens 60 Stück. Bau und Stationierung einer so großen Anzahl verschlingen viele Milliarden Mark. Zudem muß man Vorkehrungen gegen Schäden durch außer Betrieb gegangene Satelliten und Raketenmüll in der Umlaufbahn treffen.

Breitband-Dienste – beispielsweise Multimedia-Anwendungen – für handliche Antennen zu erschwinglichen Preisen sind nur im Frequenzbereich oberhalb von 20 Gigahertz überhaupt denkbar. Selbst bei Mehrfachnutzung von Frequenzen durch phasengesteuerte Antennen beanspruchen sie damit große Teile des verfügbaren Spektrums. Mehrere Breitband-Systeme für erdnahe und mittlere Umlaufbahnen sind zur Zeit in der Entwicklung, darunter Teledesic von Bill Gates und Graig McCaw, Skybridge von Alcatel und Celestri von Motorola (ein LEO-GEO-Mischsystem). Mehrere Konsortien haben mindestens ein Dutzend andere Breitband-Multimedia-Netze angedacht, zumeist geostationäre Systeme. Um genügend Leistung auf eine kleine Bodenantenne zu bringen, müßten sie eine riesige Energieversorgung haben; es werden wohl kaum alle diese Projekte realisiert werden.

Technologien von morgen



Die hohen Kosten solcher Satelliten haben das Interesse an den HALE-Plattformen, in 20 Kilometer Höhe stationierten Flugkörpern, belebt. Diese können kostengünstig in Position gebracht und zur Wartung wieder auf die Erde beordert werden. Ihre phasengesteuerten Antennen mit bis zu 3500 verschiedenen Strahlrichtungen könnten eine Fläche mit einem Durchmesser von 500 Kilometern versorgen. Damit rücken nicht nur mobile Zweiwege-Funkkommunikation, sondern auch Videoübertragungen in den Bereich des Möglichen. Solche Systeme müßten Frequenzen bis zu 100mal verwenden und für den Fernverkehr ihrerseits mit Satelliten kommunizieren.

Vier Grundtypen von HALE-Plattformen sind zur Zeit in der Diskussion: heliumgefüllte, automatisch gesteuerte Luftschiffe mit Ionenantrieb und unbemannte Flugzeuge mit drei verschiedenen Energiequellen: Solarzellen, Brennstoffzellen und die traditionellen Propeller- oder Strahltriebwerke. Alle Systeme haben gewisse Grenzen: Bei Brennstoff- und Solarzellen wird die Energieversorgung nur mit Mühe ausreichen, und die treibstoffverbrauchenden Fluggeräte müssen alle paar Tage zum Auftanken auf den Boden.

Breitband-Dienste könnten auch in extrem hohe Frequenzen ausweichen. Dort ist noch so viel Platz, daß Mehrfachnutzung sich erübrigen würde. Nur liegen die zugehörigen Wellenlängen dann in der Größenordnung von Regentropfen. Diese wirken wie Linsen, welche die Wellen beugen und damit die Signale stören. Dem kann man zwar durch Fehlerkorrekturverfahren, durch Abstrahlung mit erhöhter Energie und durch den Einsatz von zusätzlichen, bei Bedarf zuschaltbaren Bodenstationen entgegenarbeiten. Alle diese Maßnahmen haben jedoch ihren Preis.

Wellenlängen unter einem Millimeter sind noch schwieriger zu handhaben. Infrarotstrahlen und sichtbares Licht – der logisch nächste Schritt – werden in der Atmosphäre leicht absorbiert, so daß sie in naher Zukunft wahrscheinlich nur innerhalb von Gebäuden verwendbar sind. Versuche mit einem japanischen Test-Satelliten Mitte der neunziger Jahre haben jedoch neue Hoffnungen erregt, daß eines Tages Daten per Laserstrahl von und zu Satelliten übertragen werden können. Ein solches System würde wahrscheinlich nur sehr große Datenströme befördern und mehrere Bodenstationen erfordern, um weniger anfällig gegen schlechtes Wetter zu sein.

In den kommenden zwanzig Jahren werden sich drahtlose Systeme mit einer bunten Mischung von Übertragungsverfahren durchsetzen. Universitäten, Regierungsstellen und die Industrie werden zum Fortschritt auf diesen Gebieten beitragen. Leider gibt es in den USA und anderen Industrieländern nur sehr wenige Institutionen, an denen man die einschlägigen Techniken studieren kann.

Eine wichtige Maßnahme zur Behebung dieses Mangels wäre die Errichtung eines globalen Forschungsinstituts. Gemeinsam mit mehreren anderen Wissenschaftlern untersuche ich zur Zeit Realisierungsmöglichkeiten. Aber selbst ein solches Institut wird nicht ausreichen, die Lücken in den wissenschaftlichen und technischen Grundkenntnissen zu schließen. Neue Ansätze sind erforderlich; denn alle Nationen werden von den Vorteilen einer besseren Kommunikation und Ausbildung profitieren.


Literaturhinweise

Principles of Communications Satellites. Von G. D. Gordon und W. L. Morgan. Wiley Interscience, 1993.

A European Strategy for Future Satellite Communications Systems. Von E. W. Ashford in: Space Communications, Band 14, Heft 3, Seiten 151 bis 154, 1996.

Overview of Satellite Communications. Von Joseph N. Pelton in: Encyclopedia of Telecommunications, Band 14. Marcel Dekker, 1997.

Global Satellite Communications Technology and Systems. Von Joseph N. Pelton und anderen. WTEC, Baltimore, im Druck.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1998, Seite 62
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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