Bildartikel: Thomas Edisons Laborbücher
Die umfangreichen Aufzeichnungen des wohl berühmtesten amerikanischen Erfinders zeugen in Wort und Bild von seiner Imagination und Kreativität. Auswertungen erweisen, welch entscheidende Rolle sie für die Laufbahn des Technikpioniers spielen.
Schon mit Anfang zwanzig hatte sich Thomas Alva Edison (1847 bis 1931) fest vorgenommen, seine Laufbahn umfassend zu dokumentieren. Daß er sich daran hielt, bezeugen mehr als 3500 Notizbücher in den Archiven seines Labors und seiner Werkstatt – heute eine nationale Gedenkstätte – in West Orange (New Jersey).
Diese faszinierende Schriften- und Skizzensammlung enthüllt weit mehr als die Entstehungsgeschichte der 1093 Patente, die Edison und seine Mitarbeiter für Prototypen so vertrauter Gegenstände unseres modernen Alltags wie Glühbirne, Plattenspieler und Filmkamera erhielten; denn die meisten seiner Geistesblitze wurden nie umgesetzt. Der schier unermüdliche Erfinder genoß es vielmehr geradezu, den Strom seiner Einfälle in Zeichnungen festzuhalten, und er schrieb, um seine Gedanken besser ordnen und fassen zu können.
Im 19. Jahrhundert galt Erfinden als eine Kunst. Was Edison betraf, so zeichneten sich seine Entwicklungsschritte von der Skizze zum konkreten Objekt durch außergewöhnliche Vorstellungskraft aus. Im Ausgleich für den seit seiner Kindheit fortschreitenden Gehörverlust hatte sich bei ihm das bildliche Denken – wie die hier vorgestellten Beispiele belegen – grandios entwickelt. Er verfolgte seine Ideen zügig, selbstsicher und hartnäckig. Seine Notizbücher weisen auf ein vielgestaltiges Empfindungsvermögen hin und widerlegen damit den noch immer verbreiteten Mythos vom der Sprache unfähigen Bauerntölpel (richtig ist, daß er nach drei Monaten als "zurückgeblieben" von der Schule verwiesen und lediglich von seiner Mutter, einer früheren Lehrerin, unterrichtet wurde). Erstaunt entdecken wir in ihnen den praktisch veranlagten Produzenten bei der Planung seiner Vorhaben, den genialen Verstand, der eine von Beginn an vollständig durchkonzipierte Maschine zu ersinnen vermag, die ungestümen Träume eines Visionärs wie den marktbewußten Kapitalisten. Selbst im Alter von mehr als 80 Jahren trieb es ihn angesichts neuer technischer Möglichkeiten auch dann noch vorwärts, als er kaum mehr den Kopf vom Kissen seines Krankenbetts erheben konnte.
In ihrer gleichsam allumfassenden, auch physischen Gewichtigkeit machen Edisons Laborbücher die entscheidenden Grundlagen moderner Forschung und Entwicklung bewußt – in der Denkweise eines einzigen resoluten Mannes.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1995, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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