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Editorial: Tiefer Blick ins Gehirn

Für mich als ehemaligen Neurobiologen wird es immer besonders spannend, wenn neue Methoden bisher unmögliche Einblicke in unser Denkorgan erlauben. Ein wahrer Pionier auf diesem Gebiet ist Karl Deisseroth, Professor für Biotechnologie und Psychiatrie an der kalifornischen Stanford University. Bekannt wurde er vor einigen Jahren mit seiner Entwicklung der Optogenetik, vom Fachblatt "Nature Methods" 2010 zur Methode des Jahres gekürt. Diese Technik erlaubt es, spezifische Nervenzellen im lebenden Gehirn gezielt zu aktivieren oder auszuschalten und darüber etwa Verhaltensweisen bei Labormäusen wie auf Knopfdruck auszulösen. Das sorgte über die Neuroszene hinaus für Furore – und für eine Flut an faszinierenden Forschungsergebnissen.

Andere Wissenschaftler hätten sich vielleicht für den Rest ihrer Laufbahn auf das weitere Verfeinern und Optimieren optogenetischer Ansätze beschränkt. Aber Deisseroth ruhte sich nicht auf seinen Lorbeeren aus; stattdessen setzte er eine weitere Idee in die Tat um: Nervengewebe so weit für Licht durchgängig zu machen, dass man einzelne Neurone auch in tieferen Schichten studieren kann.

Denn das Gehirn ist ein ausgesprochen undurchsichtiges Organ – im doppelten Wortsinn. Zum einen rätseln Forscher immer noch über seine genaue Funktionsweise, allen wissenschaftlichen Anstrengungen und inter­nationalen Großprojekten zum Trotz. Es herrscht also dringender Bedarf an innovativen Methoden, die einen frischen Zugang zu seiner Erforschung bieten. Zum anderen ist das Gehirn auch tatsächlich undurchsichtig, also opak. Das stellt für Hirnforscher eine nahezu unüberwindbare Hürde dar, die Abläufe in der Tiefe des lebenden Gehirns zu verfolgen – bis jetzt. Wie es Deisse­roth gelang, dieses Problem zu lösen, berichtet er ab S. 34.

Auch im Artikel ab S. 60 geht es um neue Technologien, die für einen Durchbruch sorgen sollen – hier allerdings auf dem Gebiet der Kernfusion. Das Ziel lautet, durch kontrolliertes Verschmelzen von Atomkernen, wie dies in Sternen geschieht, die Energiesorgen der Menschheit ein für allemal zu beseitigen. Da aber die bisherigen Mammutprojekte wie ITER nur äußerst zäh vorankommen, versuchen einige kommerzielle Unternehmen es jetzt mit wesentlich weniger aufwändigen Ansätzen, die vielleicht schneller zum Ziel führen werden. Die ersten Etappenerfolge klingen jedenfalls schon einmal recht viel versprechend.

Eine spannende Lektüre wünscht Ihr

Hartwig Hanser

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