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TIMSS und die Lehren

Das mittelmäßige Abschneiden deutscher Schüler in der internationalen TIMS-Studie wirft Fragen nach der Qualität des mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichts auf.


Die im Frühjahr letzten Jahres veröffentlichten Ergebnisse der Third International Mathematics and Science Study (TIMSS) zeigten: Die Kenntnisse deutscher Schüler in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern sind im internationalen Vergleich nur durchschnittlich. Verglichen mit den Leistungen der Schüler in anderen europäischen Staaten ergibt sich sogar ein noch schlechteres Bild (siehe Spektrum der Wissenschaft, April 1998, Seite 106).

Die TIMS-Studie ist die erste seit 25 Jahren, die Rechenschaft über den Erfolg des Unterrichts abgibt und die umfangreichste dieser Art überhaupt, die je durchgeführt wurde. Mehrere Tests sollten den Wissensstand der Schulabgänger in Mathematik, Physik, Chemie und Biologie erfassen sowie die Kenntnisse der Teilnehmer an Leistungskursen in diesen Fächern. Um einen internationalen Vergleich zu ermöglichen, wurden die unterschiedlichen Schulsysteme in den untersuchten Ländern berücksichtigt. Die Ergebnisse der Studie sind rein beschreibender Natur und erlauben Rückschlüsse auf die Güte der Bildungssysteme in den jeweiligen Ländern; es war indes nicht ihr Ziel, Ursachen für das unterschiedliche Abschneiden aufzuzeigen.

Nach diesen wird jetzt aber zweifellos geforscht, denn der für Deutschland ernüchternde Befund hat die Bildungspolitiker aufgeschreckt. Auch die zahlreichen Fachverbände in der Bundesrepublik haben sich auf die Suche nach den Ursachen gemacht und Lösungsansätze zur Diskussion gestellt.

So hat sich die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) im Rahmen einer Veranstaltung in Bad Honnef letzten November mit den TIMSS-Ergebnissen befaßt. Jürgen Baumert, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, der die TIMS-Studie in Deutschland mit durchgeführt und ausgewertet hat, wies auf einen überraschenden Befund hin: Die Leistungen der deutschen Schüler verbessern sich nur geringfügig, wenn die Zahl der Unterrichtsstunden erhöht wird. Folglich, so Baumert, sei der Unterricht selbst nicht wirksam genug.

Einer der Gründe dafür sei, daß naturkundliches Wissen nicht in Zusammenhängen vermittelt, sondern eher als Ansammlung von Fakten gelehrt werde. Infolgedessen hätten die Schüler auch nicht den Eindruck, am Ende eines Schuljahres Aufgaben besser lösen zu können als zu Beginn. Dies sei wenig motivierend und sollte durch eine andere Struktur des Lehrplanes behoben werden. Wolfgang Koch vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung plädierte für einen systematisch aufgebauten Unterricht, der in verschiedenen Zusammenhängen auf bereits Erlerntes wieder Bezug nimmt.

Wohl jedem ist aus eigener Erfahrung bekannt, daß das erste Unterrichtsjahr für das Interesse an einem Fach entscheidend ist. Für die naturwissenschaftlichen Fächer ist dies zumeist die siebte oder achte Klasse. In dieser so wichtigen Anfangsphase – und wegen der ohnehin etwas kritischen Altersstufe – könnte es sinnvoll sein, Jungen und Mädchen getrennt an die Inhalte dieser Fächer heranzuführen. Die TIMS-Studie hatte nämlich gezeigt, daß Mädchen in den Tests im Mittel schlechter abschnitten als Jungen und zwar unabhängig von dem jeweiligen kulturellen Hintergrund. In getrenntem Unterricht könnten die Lehrer besser auf geschlechtsspezifische Interessen eingehen; zudem ließen sich Neckereien zwischen den Schülerinnen und Schülern, die den Spaß an einem Fach schnell verderben können, vermeiden.

Auch die Persönlichkeit der Lehrer wirkt sich bekanntermaßen auf das Interesse aus, das die Schüler einem Fach entgegenbringen. Wie Irmgard Heber, Vorstandsmitglied des Deutschen Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts, auf der DPG-Veranstaltung betonte, bedürfe es gerade in der Physik ständiger Motivation durch den Lehrer, um den Zugang zu ihr zu erleichtern und die Freude an ihr zu entwickeln. Zudem müßten möglichst häufig Bezüge zum Alltag hergestellt werden.

Auf ein weiteres strukturelles Problem wurde in der Diskussionsrunde hingewiesen: Das deutsche Unterrichtssystem vermittle den Schülern nicht das physikalische Verständnis, das sie für die eigenständige Lösung von Fragestellungen brauchen, sondern trainiere sie lediglich zum Durchrechnen von Routineaufgaben. In Übereinstimmung mit vielen anwesenden Experten forderte Jürgen Schmitter, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, neue Lehrmethoden einzuführen. Schüler sollten verstärkt üben, Gelerntes in unterschiedlichen Kontexten anzuwenden.

Die Bildungspolitiker sind nun gefordert, die Anregungen in den Lehrplan und die Lehrerausbildung aufzunehmen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1999, Seite 108
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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