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Editorial: Überraschung? Bloß nicht!

Steve Ayan ist Psychologe und "Gehirn&Geist"-Redakteur.

Manchmal beginnt die Geschichte eines Gehirn&Geist- Titelthemas mit einem Song. In diesem Fall mit »Heaven« von der britischen Indie-Pop-Band The Talking Heads. Darin singt Frontmann David Byrne den Refrain: »Heaven is a place where nothing ever happens.« Im Licht der Neurowissenschaft bekommt diese Zeile eine ganz neue Bedeutung, denn sie fasst laut vielen Experten das Arbeitsprinzip des Gehirns treffend zusammen: Für unsere grauen Zellen wäre es tatsächlich das Beste, wenn nie etwas passiert. Zumindest nichts Unvorhergesehenes. Denn Unvorhersehbarkeit – sprich: Überraschung – bedeutet stets Gefahr.

»Überraschung ist der Vorhersagefehler, den das Gehirn unbedingt reduzieren muss«, meint auch Mark Solms. Der südafrikanische Neuropsychiater saß mir eines Abends beim Conference Dinner einer Tagung an der Ruhr-Universität Bochum gegenüber. Die kleine, aber feine Konferenz brachte Forscher aus aller Welt zusammen, um über die »Prognosemaschine« Gehirn zu diskutieren. Im Gespräch mit Solms fiel immer wieder der Name eines wichtigen Ideengebers: Karl Friston. »Karl ist ein Genie. Sie sollten mal über ihn schreiben«, schwärmte Solms.

Kaum war ich an den Heidelberger Schreibtisch zurückgekehrt, erreichte mich ein Vorschlag der Kognitionsforscherin Iris Proff, die Fristons Arbeit in unserem Heft vorstellen wollte. Das Porträt des Mannes, der unser Bild des Gehirns revolutionieren könnte, lesen Sie ab S. 18. Ergänzt haben wir dieses Stück durch einen Beitrag, der die dahinterstehende Idee des »Predicitive Coding« anschaulich und fundiert erklärt (S. 12).

Ob Wahrnehmung, Motorik oder höhere Denkprozesse – unser Hirn ist permanent dabei, die Zukunft zu berechnen. Und es überprüft seine Vorhersagen anhand der verfügbaren Sinnesdaten. Eine aufregende Theorie mit einer Fülle von praktischen Implikationen. Wie gut sie sich empirisch bestätigen lässt, wird die Zukunft zeigen.

Spannende Einsichten wünscht Ihr

Steve Ayan

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