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Weltraumüberwachung: Das wachsame Auge des Radarsystems TIRA

Es sieht aus wie ein zu groß geratener Golfball und befindet sich am Rand der Eifel: Das Tracking and Imaging Radar TIRA ist eines der leistungsstärksten Radarsysteme zur Weltraumbeobachtung in Europa. Mit TIRA wird der Himmel über den Wolken ins Visier genommen, um alle Arten künstlicher Satelliten zu verfolgen, abzubilden oder Schäden an ihnen zu finden. Es spürt auch kleinteiligen Weltraummüll auf.
Überwachung mit dem Weltraumradar TIRA

Im Drachenfelser Ländchen in der Eifel liegt weithin sichtbar eine der weltweit größten Antennenkuppeln (siehe »Das Weltraumradar TIRA«). Sie werden auch Radome genannt – eine Wortschöpfung aus Radar und Dom, wobei Letzteres in der Astronomie die Kuppel eines Observatoriums bezeichnet. Das golfballähnliche Radom mit 47,5 Meter Durchmesser besteht aus 1330 unterschiedlichen Dreiecken, die das empfindliche Innere vor Wind und Wetter schützen: eines der leistungsfähigsten europäischen Radarsysteme namens Tracking and Imaging Radar (TIRA). Innerhalb der Kugel versteckt sich eine 34-Meter-Parabolantenne. Die Antenne kann mit einer Winkelgeschwindigkeit von bis zu 24 Grad pro Sekunde in Azimutrichtung gedreht werden. Eine vollständige Umdrehung dauert somit nur 15 Sekunden, wobei 240 Tonnen Masse bewegt werden müssen – das ist Welt­rekord!

TIRA wurde Ende der 1960er Jahre erbaut und war zunächst als Frühwarnsystem für potenzielle Langstreckenraketen im Kalten Krieg entwickelt worden, wofür es aber nie eingesetzt wurde. Es stellte sich heraus, dass es besonders zur Beobachtung von Weltraumobjekten geeignet ist. Aus den Anforderungen an ein Frühwarnsystem resultiert die sehr hohe Dynamik des mechanischen Systems, um auch sehr schnell fliegende Langstreckenraketen sicher und nahezu lückenlos verfolgen zu können. Da bei überfliegenden Objekten – also Objekten mit einem großen Höhenwinkel, der Elevation – ein Überkippen der Antenne im Zenit nicht möglich ist, wird die Antenne mit hoher Geschwindigkeit um 180 Grad im Azimutwinkel gedreht, so dass das Objekt unmittelbar nach der Drehung wieder aufgegriffen und weiterverfolgt werden kann.

Mit Gründung des Forschungsinstituts für Hochfrequenztechnik im Jahr 1957 – des Vorläufers des Fraunhofer-Instituts fur Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR (kurz Fraunhofer FHR)nbsp;– begann die Wiederaufnahme der Radarforschung in Deutschland. Das erste große Projekt waren die Entwicklung und der Aufbau von TIRA. Im Rahmen der Verteidigungs- und Sicherheitsforschung ist das System seit den 1980er Jahren eine feste Größe für die Beobachtung des erdnahen Weltraums, so dass seitdem Satelliten, Raumstationen, Weltraumschrott sowie Flugzeuge in den Fokus des Radarsystems rückten. Es dauerte nicht lang, und es konnten mit TIRA in Europa völlig neue Formen der Weltraumüberwachung demonstriert werden. Schon bald interessierte sich daher die Europäische Weltraumbehörde ESA für das Radarsystem. Seit den 1990er Jahren ist TIRA als feste Größe für ESA-Beobachtungen nicht mehr wegzudenken. Die hohe Dynamik des Systems erlaubt es, auch Objekte, die nahe am Zenit fliegen und mit rund 7,5 Kilometer pro Sekunde oder 27000 Kilometer pro Stunde unterwegs sind, nahezu lückenlos zu verfolgen. Die Techniker entwickelten das System kontinuierlich weiter und passten TIRA an stetig wachsende Herausforderungen an. So erhöhten sie zum Beispiel fortwährend die Radarbandbreite, um Objekte besser auflösen zu können. Die Entfernungsauflösung ∆r = c /(2 B) ist dabei umgekehrt proportional zu der Bandbreite B (in Hertz) des gesendeten Signals, das sich mit der Lichtgeschwindigkeit c ausbreitet. Je höher die Bandbreite, desto besser die Entfernungsauflösung.

Weiterhin wurde der Antrieb im Jahr 2012 erneuert und eine neue Antennensteuerung implementiert. Ein Jahr später folgte der Einbau eines neuen L-Band-Senders. Nach 46 Jahren Betrieb wurde im Jahr 2014 erstmals das komplette Radom getauscht, um das Radar für die Aufgaben der Zukunft weiterhin sicher vor Wettereinflüssen schützen zu können. Dazu musste verhindert werden, dass das Radar bei diesem Facelifting mehrere Monate der Witterung ausgesetzt ist. Die Lösung: Zunächst wurde im Inneren der alten Hülle ein Gerüst bis kurz vor den Parabolspiegel errichtet. Danach konnte so die neue Hülle Schritt für Schritt aufgebaut und abschließend bei schönem Wetter mit einem Kappentausch »alt gegen neu« verschlossen werden. Die Konstrukteure entfernten das verbleibende alte Radom außerhalb der neuen Hülle Stück für Stück. Am Ende dieser aufwendigen Prozedur strahlte der »Riesengolfball« wieder in neuem Glanz. Dieses Radom besteht aus statistisch ausgerichteten Aluminiumstreben mit Kantenlängen zwischen 2,1 und 4,5 Metern. Die Streben bilden auf diese Weise Dreiecke unterschiedlicher Größe. Somit wird gewährleistet, dass durch die Streben keine störenden Über­lagerungen der Radarwellen entstehen, welche die Leistung beeinträchtigen würden. Zwischen den Streben kommt eine Membran zum Einsatz, welche die Radarwellen ungestört passieren lässt.

TIRA besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten: zum einen aus der mechanisch hochpräzisen und sehr beweglichen Para­bolantenne, zum anderen aus einem Zielverfolgungsradar zur hochgenauen Verfolgung und Bahnbestimmung von Weltraum­objekten sowie aus einem Abbildungsradar zur hochauflösenden Abbildung von Weltraumobjekten. Die Güte der Antennen­oberfläche ist so hoch, dass sogar Beobachtungen bei Radarfrequenzen bis zu rund 40 Gigahertz möglich wären.

Die lückenlose Überwachung des nahen Weltraums ist anderen Radartechnologien vorbehalten, wie beispielsweise den Phased-Array-Systemen der USA oder aber GESTRA, dem German Experimental Space Surveillance and Tracking Radar. Immer dann, wenn es darum geht, genauer hinzuschauen, um Detailinformationen zu erhalten, schlägt die Stunde von TIRA.

Ein Radar zum Verfolgen

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