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Wahrnehmung: Unser zweiter Hörsinn

Stammesgeschichtlich ist unser Gehör eine recht junge Entwicklung. Es hat ein älteres System abgelöst, das heute noch von Fischen, Fröschen oder Krokodilen benutzt wird, etwa bei Paarungsritualen. Teilweise scheint dieses jedoch auch beim Menschen noch zu funktionieren und vor allem auf tiefe Bassrhythmen anzusprechen.
sichtbarer Paarungsruf des Mississippi-Alligators

Gemeinhin heißt es, der Mensch habe fünf Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten – und wohl jeder kennt die zugehörigen Organe. Doch diese Liste ist unvollständig. Es gibt einen sechsten Sinn, den wir gewöhnlich übersehen und dessen Sitz vielen unklar ist, obwohl wir jeden Augenblick von ihm abhängig sind: den Gleichgewichtssinn. Vermittelt wird er vom so genannten Vestibularsystem, das tief versteckt im Innenohr seine Aufgabe erfüllt, ohne dass uns dies in der Regel bewusst ist. Eine Erkrankung oder Verletzung, die seine Funktion beeinträchtigt, kann jedoch verheerend sein, wie jeder bezeugen wird, der einmal an einer Innenohrentzündung gelitten hat.

Die Betroffenen sind im Extremfall völlig außer Gefecht gesetzt – unfähig, aufzustehen oder auch nur den Kopf zu heben oder die Augen still zu halten, ohne zu erbrechen. Als wäre dies nicht schon genug, treten zudem oft akute Angstzustände auf. Die breite Symptomatik bei einer Störung des Gleichgewichtssinns, die vom Sehen und Hören über Körperhaltung und Darmfunktion bis hin zum Fühlen und Denken reicht, macht deutlich, wie wichtig das Vestibularsystem für einen normalen physiologischen Zustand ist.

Bei den Säugetieren liegt der Vestibularapparat in einer Struktur des Innenohrs, die als Labyrinth bezeichnet wird. Sie befindet sich nahe der Cochlea (Schnecke), dem eigent­lichen Hörorgan. Beide Systeme sind nicht nur eng benachbart, sondern haben auch gemeinsame Merkmale. So besitzen sie übereinstimmend Haarzellen als Mechano­rezep­toren, um Töne beziehungsweise Kopfbewegungen zu registrieren und in Nervensignale umzuwandeln. Ferner sind die Sinnesnerven, die von der Cochlea und dem Vestibularapparat zum Gehirn verlaufen, zu einem Strang gebündelt. Beides zeugt von einer gemeinsamen Entwicklungsgeschichte für die Wahrnehmung von Schwingungen und Schwerkraft, die mindestens 500 Millionen Jahre zurückreicht. ...

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  • Quellen

Rosengren, S. M. et al.: Vestibular Evoked Myogenic Potentials: Past, present, and future. In: Clinical Neurophysiology 121, S. 636 – 651, 2010

Todd, N. P. M.: Evidence for a Behavioral Significance of Saccular Acoustic Sensitivity in Humans. In: Journal of the Acoustical Society of America 110, S. 380 – 480, 2001

Todd, N. P. M., Cody, F.: Vestibular Responses to Loud Dance Music: A Physiological Basis for the "Rock and Roll Threshold"? In: Journal of the Acoustical Society of America 107, S. 496 – 500, 2000

Todd, N. P. M, Lee, C. S.: The Sensory-Motor Theory of Rhythm and Beat Induction 20 Years on: A New Synthesis and Future Perspectives. In: Frontiers in Human Neuroscience 9, 2015

Todd, N. P. M. et al.: Vestibular Receptors Contribute to Cor­tical Auditory Evoked Potentials. In: Hearing Research 309, S. 63 – 74, 2014

Todd, N. P. M. et al.: Tuning and Sensitivity of the Guman Vestibular System to Low-Frequency Vibration. In: Neuroscience Letters 444, S. 36 – 41, 2008

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