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Neandertaler: Unterschätzte "Flachköpfe"

Lange hatte der Neandertaler einen schlechten Leumund als Keulen schwingender ­Primitivling. Doch neuen Erkenntnissen zufolge besaß unser Vetter aus der Eiszeit ähnlich gute Geistesgaben wie der heutige Mensch - und sogar einen Sinn für Kunst.
Helles Köpfchen?
"Mettmann, 4. Sept. Im benachbarten Neander­thal, dem sogenannten Gesteins, ist in den jüngsten Tagen ein überraschender Fund gemacht worden. Durch das Wegbrechen der Kalkfelsen, das freilich vom pittoresken Standpunkte nicht genug beklagt werden kann, gelangte man an eine Höhle, welche im Laufe der Jahrhunderte durch Thonschlamm gefüllt worden war. Bei dem Hinwegräumen dieses Thons fand man ein menschliches Gerippe, das zweifelsohne unberücksichtigt und verloren gegangen wäre, wenn nicht glücklicherweise Dr. Fuhlrott von Elberfeld den Fund gesichert und untersucht hätte.
Nach Untersuchung dieses Gerippes, namentlich des Schädels, gehörte das menschliche Wesen zu dem Geschlechte der Flachköpfe, deren noch heute im amerikanischen Westen wohnen, von denen man in den letzten Jahren auch mehrere Schädel an der oberen Donau bei Sigmaringen gefunden hat. Vielleicht trägt dieser Fund zur Erörterung der Frage bei: ob diese Gerippe einem mitteleuropäischen Urvolke oder bloß einer (mit Attila?) streifenden Horde angehört haben."


Das "Barmer Bürgerblatt" gehörte sicher nicht zu den renommiertesten Erzeugnissen des Pressewesens. Doch mit dieser kleinen, am 9. September 1856 auf der Titelseite veröffentlichten Meldung schrieb die Zeitung aus dem inzwischen zu Wuppertal gehörenden Barmen Wissenschaftsgeschichte ...

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  • Quellen
Literaturtipps

Auffermann, B., Orschiedt, J.: Die Neandertaler. Auf dem Weg zum modernen Menschen. Theiss, Stuttgart 2006.
Umfassende, aber nüchterne Darstellung

Johanson, D., Edgar, B.: Lucy und ihre Kinder. Elsevier / Spektrum Akademischer Verlag, München 2006.
Hervorragend bebilderte Beschreibung der wichtigsten Homindenfunde


Quellen

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Green, R. E. et al.: A Draft Sequence of the Neandertal Genome. In: Science 328(5979), S. 710-722, 2010.

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Hublin, J.-J. et al.: A Late Neanderthal Associated with Upper Palaeolithic Artefacts. In: Nature 381(6579), S. 224-226, 1996.

Krause, J. et al.: The Derived FOXP2 Variant of Modern Humans Was Shared with Neandertals. In: Current Biology 17(21), S. 1908-1912, 2007.

Lebel, S. et al.: Comparative Morphology and Paleobiology of Middle Pleistocene Human Remains from the Bau de l'Aubesier, Vaucluse, France. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 98(20), S. 11097-11102, 2001.

Marquet, J.-C., Lorblanchet, M.: A Neanderthal Face? The Proto-Figurine from La Roche-Cotard, Langeais (Indreet-Loire, France). In: Antiquity 77(298), S. 661-670, 2003.

Niewoehner, W. A.: Behavioral Inferences from the Skhul/Qafzeh Early Modern Human Hand Remains. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 98(6), S. 2979-2984, 2001.

Niewoehner, W. A. et al.: Digital Analysis: Manual Dexterity in Neanderthals. In: Nature 422(6930), S. 395, 2003.

Ponce de León, M. S. et al.: Neanderthal Brain Size at Birth Provides Insights into the Evolution of Human Life History. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 105(37), S. 13764-13768, 2008.

Ramirez Rozzi, F. V., Bermúdez de Castro, J. M.: Surprisingly Rapid Growth in Neanderthals. In: Nature 428(6986), S. 936-939, 2004.

Schmitt, D. et al.: Experimental Evidence Concerning Spear Use in Neandertals and Early Modern Humans. In: Journal of Archaelogical Science 30(1), S. 103-114, 2003.

Zilhão, J. et al.: Symbolic Use of Marine Shells and Mineral Pigments by Iberian Neandertals. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 107(3), S. 1023-1028, 2010.

Zollikofer, C. P. E. et al.: Evidence for Interpersonal Violence in the St. Césaire Neanderthal. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 99(9), S. 6444-6448, 2002.
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