Vakuumbedampfung biologisch abbaubarer Folien
Mit vier Millionen Tonnen pro Jahr machen Verpackungen allein schon 27 Prozent des Hausmülls aus. Insbesondere Einwegverpackungen werden oft als ökologisch bedenklich angesehen. Doch zeigen Ökobilanzen, daß wiederverwendbare Systeme, sofern sie den Erfordernissen moderner Lebensmitteltechnologie genügen, nicht immer die umweltfreundlichste Variante sind; beispielsweise erweist sich die Mehrweg-Milchflasche bei langen Transportwegen unter anderem wegen ihres relativ hohen Gewichts als von Nachteil.
Will man verderbliche Lebensmittel im industriellen Maßstab herstellen und verteilen, bietet es sich deshalb an, zum einen den Verbrauch fossiler Ressourcen und die Abfallmenge durch den stärkeren Einsatz von Folien zu minimieren und zum anderen dabei kompostierbare Werkstoffe zu verwenden. Das entspräche im Grundsatz den Vorgaben der Verpackungsverordnung, die eine Reduktion des Abfallaufkommens in der Rangfolge Vermeiden, Verringern und Verwerten erreichen soll.
Barrierefolien
Um Folien zum Verpacken von Lebensmitteln zu nutzen, sollen diese möglichst undurchlässig für Gase, Wasserdampf und Aromastoffe sein. Charakteristische Kenngrößen dafür sind Permeationswerte (von lateinisch permeare, durchwandern, ans Ziel gelangen), die angeben, welche Mengen an Substanz pro Fläche und Zeit je nach Partialdruckgefälle (der Partialdruck einer Substanz entspricht ihrem Dampfdruck) bei vorgegebener Temperatur und relativer Feuchte durch Folien definierter Dicke diffundieren (Bild 1). Typische Barrierefolien lassen pro Tag, Quadratmeter und Bar weniger als 100 Kubikzentimeter Sauerstoff und weniger als ein Gramm Wasserdampf passieren (Bild 2).
Allerdings sind selbst die besten Folien aus Biopolymeren für Wasserdampf zehnmal durchlässiger als das billige Standardmaterial Polyethylen; auch ihre Gaspermeabilität ist noch zu hoch. Doch liegt dies nicht unbedingt in der Natur der Sache, sondern läßt sich durch die noch kurze Entwicklungszeit erklären. So sind biologisch erzeugte Polymere oft sehr komplex und in ihrer Qualität derzeit noch nicht gleichbleibend. Solche Probleme werden sich aber im Laufe der Zeit lösen lassen.
Verbundfolien
Häufig kann eine Kunststoffsorte allein – unabhängig davon, ob es sich um ein Biopolymer handelt oder um eines aus petrochemischen Rohstoffen – nicht alle Anforderungen gleich gut erfüllen, etwa sowohl niedrige Wasserdampf- und Sauerstoffdurchlässigkeit als auch Verschließbarkeit durch Heißsiegeln bieten. Man verwendet dann Verbundfolien, die inzwischen aus bis zu sieben einzelnen Schichten bestehen. Dazu verklebt (kaschiert) man einzelne Folienbahnen oder trägt auf eine Folie eine zweite, die wiederum aus mehreren Lagen bestehen kann, in Schmelzform auf (Extrusions- beziehungsweise Coextrusionsbeschichten). Typische konventionelle Barrierekunststoffe sind zum Beispiel Polyamid 6 (PA 6) oder das besonders dichte Ethylenvinylalkohol-Copolymer (EVOH).
Sollen die Verbundfolien aber praktisch undurchlässig sein, reichen polymere Sperrmaterialien nicht aus und man ersetzt sie durch dünne Aluminiumfolien. Sie sind herkömmlicherweise, beispielsweise in der Flüssigkeits-Kartonverpackung (Tetra-Pack), etwa acht Mikrometer (tausendstel Millimeter) dick; doch kann man mit neuen vakuumtechnischen Verfahren um mehr als das Tausendfache dünnere Barriereschichten aus Aluminium oder Metalloxiden herstellen – allerdings gelingt dies bisher nur auf Flachfolien. Aluminiumbedampfte Folien findet man heute schon bei Süßwaren- oder Snack-Produkten. Die Schicht schützt dort vor Sauerstoff, Wasserdampf und Licht.
Bei solchem Bedampfen im Vakuum lassen sich schon mit sehr kleinen Materialmengen funktionelle Eigenschaften für unterschiedliche Verpackungsanwendungen erzeugen. Dieser geringe Materialaufwand und das natürliche Vorkommen der Ausgangsstoffe in Sand und Gesteinen lassen zudem hoffen, daß diese Art der Verpackung ökologisch unbedenklicher ist.
Meist verwendet man dazu Folien aus Polyethylenterephthalat (PETP) oder Polypropylen (BOPP) als Substrat, unter anderem weil sich diese Materialien so herstellen lassen, daß die Ketten darin entlang zweier Achsen ausgerichtet sind. Dieser fast kristalline Aufbau verringert ebenfalls die Durchlässigkeit und zudem die Dehnbarkeit der Folien. Die aufgedampften Schichten sind nur zwischen 30 und 100 Nanometer (millionstel Millimeter) dick, erreichen aber Sperreigenschaften wie Hochbarrierepolymere.
Konventionelle und neue Beschichtungsverfahren
Das Beschichten muß im Vakuum stattfinden, weil nur so die verdampfte Substanz nicht durch Luftmoleküle gestreut wird und sich gleichmäßig auf der Folie ablagert. Die sogenannten Bandbedampfungsanlagen bestehen meist aus zwei Kammern, wobei in der einen die Folie unter Zug auf- und abgewickelt wird (deshalb ist geringe Dehnbarkeit von Vorteil), während in der anderen die eigentliche Bedampfung stattfindet. Polymere enthalten nämlich viel gelöstes Gas und auch Wasser, die im Vakuum austreten – mithin muß man dort den Aufenthalt so kurz wie möglich halten. Gute Schichten lassen sich bei einem Druck von etwa 10-4 Millibar erzeugen. Die Bedampfungskammer hat dazu eigene Vakuumpumpen, um die austretenden Restgase kontinuierlich zu entfernen. In dieser Kammer befinden sich über die gesamte Folienbreite mehrere widerstandsbeheizte sogenannte Schiffchenverdampfer (keramische Komponenten in der Form eines kleinen Schiffes), die mit Aluminiumdraht versorgt werden, oder ein breiter Tiegel, in dem das Aufdampfgut mittels einer Elektronenstrahlkanone verdampft wird.
Während die Aluminiumbedampfung bereits seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt wird, fertigt man neuerdings auch Schichten aus Silicium- und Aluminiumoxid, die transparent sind.
Biologisch abbaubare Folien
Am Fraunhofer-Institut für Lebensmitteltechnologie und Verpackung (ILV) in München prüfen wir im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie geförderten Projekts, ob sich diese neuen Beschichtungstechnologien auch für biologisch abbaubare Folien eignen, um diese den Anforderungen der Lebensmittelindustrie anzupassen. Wir verwenden dazu eine Laborbandbedampfungsanlage mit einem Elektronenstrahlverdampfer. Darin läßt sich in der Dampfphase ein Plasma durch Mikrowellenanregung erzeugen (Bild 3), das Schichteigenschaften wie Struktur und chemische Zusammensetzung – mithin die Barriereeigenschaften – beeinflußt. Um den Bedampfungsprozeß grundlegend physikalisch zu charakterisieren, erfassen zusätzliche Meßvorrichtungen Energie- und Ladungszustand der verdampften Teilchen und bestimmen die Zusammensetzung des verdampften Materials. Wir untersuchen überwiegend Schichten aus Silicium-, Aluminium- und Magnesiumoxid.
Entsprechende Versuche am ILV haben auch belegt, daß dünne Siliciumoxidschichten die Kompostierung biologisch abbaubarer Folien nicht stören. Allerdings gibt es derzeit nur wenige derartige Polymere, die im industriellen Maßstab produziert werden. Zum einen sind dies aliphatische Polyester, die man entweder synthetisch oder durch Fermentation herstellt, zum anderen handelt es sich um natürliche oder modifizierte natürliche Polymere basierend auf Cellulose und Stärke, die auch thermoplastisch verarbeitet werden können.
In unserem Institut beschichten wir sowohl industriell gefertigte Biofolien als auch solche aus selbst hergestellten thermoplastischen Stärkemassen und Mischungen (Bild 2). Bis auf Folien aus den schon vor der Entwicklung petrochemischer Produkte viel verwendeten Materialien Zellglas, dem als Cellophan bekannten, technisch ausgereiften Cellulose-Produkt, und Cellulose-Acetat waren die Oberflächen mit Rauhigkeiten von einigen Mikrometern Tiefe stets zu uneben (sie sollten weniger als 0,1 Mikrometer messen), als daß sich durch Bedampfen die Barriereeigenschaften entscheidend verbessern ließen. Die Beschichtungen sind deshalb nicht durchgehend, weil es beim Bedampfen zu Abschattungen kommt, und brechen zudem leicht (Bild 4 links). Industriell gefertigte Zellglasfolie als schon weit entwickeltes Produkt hat dagegen eine sehr glatte Oberfläche; darauf bildeten sich beim Bedampfen durchgehende und damit dichte Schichten (Bild 4 rechts).
Auch andere Anforderungen der Bedampfungstechnik werden nicht uneingeschränkt erfüllt. So ist das Sortiment bioabbaubarer Folien, deren Oberfläche sauber und benetzbar genug ist, um eine gute Schichthaftung zu gewährleisten, beschränkt; gleiches gilt für die thermische Belastbarkeit. Eine zweiachsige Ausrichtung der Molekülketten in der Folie weist kein derartiges Produkt auf.
Die vakuumtechnische Beschichtung von biologisch abbaubaren Folien ist also zwar technisch durchführbar, doch besteht noch ein erhebliches Entwicklungsdefizit. Folienqualitäten, wie sie bei Polyethylenterephthalat und Polypropylen Stand der Technik sind, dürften eher langfristig zu erreichen sein. Zellglas ist eine Ausnahme, weil seine Herstellung unter den genannten Kriterien schon weitgehend optimiert ist; allerdings beinhaltet die Cellulose-Verarbeitung bislang einige umweltbelastende Prozeßschritte, so daß auch hier Entwicklungsbedarf besteht.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1995, Seite 84
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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