Verbitterungsstörung: Schwer gekränkt
Vor rund zwei Jahren musste Stefanie F. ihre Modeboutique schließen. Die Regierung hatte beschlossen, dass der Einzelhandel keine Kunden mehr empfangen durfte, um der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. Stefanie F. empfand das als eine »Riesenungerechtigkeit« – vor allem, weil im großen Supermarkt nebenan weiterhin Hunderte von Kunden ein- und ausgingen. Im kleinen Laden der 52-Jährigen war das Ansteckungsrisiko gering gewesen. Dort hatte sich selten mehr als ein Kunde aufgehalten, sie hatte stets aufs Tragen einer Maske bestanden und sogar noch einen teuren Lüftungsautomaten gekauft. Stefanie F. geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Doch sie hielt sich weiterhin an die Vorgaben der Regierung. Sogar viermal ließ sie sich impfen. Als sie trotzdem an Corona erkrankte, war von ihrem Vertrauen in Politik und Wissenschaft nichts mehr übrig. Stefanie F. beschloss, zu einer Demonstration zu gehen, um ihrem Ärger Luft zu machen. Als seien die Pleite und ihre angeschlagene Gesundheit nicht schon Strafe genug, beschimpfte ihr Bruder sie anschließend auch noch als »Querdenkerin«, was sie schwer verletzte. Die einst freundliche und lebensfrohe Stefanie F. war deprimiert und reagierte zunehmend aggressiv, und als der Gesundheitsminister an Corona erkrankte, empfand sie insgeheim Schadenfreude.
Wir alle kennen das nagende Gefühl der Verbitterung. Auslöser ist meist – wie bei Stefanie F. – eine empfundene Ungerechtigkeit, ein Vertrauensbruch oder eine Kränkung, kombiniert mit Gefühlen von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit ...
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