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Verwertung von Verbundfolien-Materialien

Getränkekartons stehen seit langem in Konkurrenz zur Mehrwegflasche aus Glas. Zu Unrecht haftet dem sogenannten Tetrapack das Odium der Umweltunverträglichkeit an – heute lassen sich diese Verbundmaterialien gut recyceln, und Ökobilanzen zeigen, daß Glas durchaus nicht durchweg besser abschneidet.

Verbundfolien aus Kunststoff, im wesentlichen Polyethylen, und Aluminium sind im Verpackungsbereich heute unersetzlich. Eingebaut zusammen mit Pappe in Stapelkartonbehälter für Fruchtsäfte, H-Milch, Wein, Ketchup, Suppen und Soßen, erfüllen sie eine wichtige Funktion: Polyethylen macht die Packung wasserdicht, Aluminium sie undurchlässig für Licht und Sauerstoff; der Karton aus hochwertiger Zellulose schließlich garantiert die erforderliche mechanische Stabilität (Bild 1).

Insgesamt verbrauchen die Bundesbürger heutzutage pro Jahr mehr als 10 Milliarden solcher Verpackungen mit einem Gesamtgewicht von annähernd 200000 Tonnen. Durch den Verbund Polyethylen-Aluminium erzielt man lange Haltbarkeiten, auch ohne Kühlung. Legt man die Kriterien Eigengewicht, Raumausnutzung, Sicherheit vor unbefugtem Öffnen und optimalen Schutz des Inhalts zugrunde, ist der Stapelkartonbehälter die beste Möglichkeit für Flüssigverpackungen. Selbst Mehrwegsysteme mit Glasflaschen schneiden in ihrer Umweltverträglichkeit nicht durchweg besser ab, wie detaillierte Ökobilanzen zeigen, die alle Aspekte vom Energiebedarf für Herstellung und Transport bis zur Entsorgung berücksichtigen.

Inzwischen werden solche Ökobilanzen weitgehend objektiv und ohne ideologische Scheuklappen durchgeführt; anders lassen sich die Probleme unserer Gesellschaft, zu deren vordringlichsten das Entsorgungsproblem gehört, nicht in den Griff bekommen.

Ein Nachteil der Stapelkartonbehälter war bis vor kurzem zweifellos, daß sich die Kunststoff-Verbundmaterialien nur schlecht wiederverwerten ließen. Den enthaltenen Zellstoff konnten zwar schon seit Jahren einige Papierfabriken zurückgewinnen, aber die Aufarbeitung des anfallenden Laminats – des engen Verbundes aus dem Kunststoff Polyethylen und Aluminium – war ein ungelöstes Problem.

Methoden

Unsere Forschungen an der Fachhochschule Aachen haben seit 1989 den Weg für ein solches Recycling freigemacht. Begonnen haben wir mit Fruchtsaftkartons; später wurden für eine Vielzahl unterschiedlicher Laminate weitergehende Recyclingverfahren entwickelt und erprobt.

Für die Verwertung von Polyethylen-Aluminium-Laminaten gibt es mehrere grundsätzlich verschiedene Methoden. Naheliegend ist, das Material nach lediglich mechanischer Zerkleinerung direkt zu Formteilen wie Aktenkoffern, Wärmedämm- und Bauplatten, Blumenkübeln, Zaunelementen und ähnlichen Konsumgütern zu verarbeiten. Da aber Billig-Kunststoffe aus dem stofflichen Recycling ebenfalls auf diese Märkte drängen, ist die Nachfrage eher begrenzt. Außerdem stört die Optik des Gemisches mit den reflektierenden Metallflittern in Bereichen, wo das Aussehen eine Rolle spielt; Aktenkoffer beispielsweise wurden von den Käufern nicht angenommen. Entsprechende Aktivitäten – mit großem Werbeaufwand der Öffentlichkeit vorgestellt – sind daher mittlerweile auch weitgehend eingeschlafen.

Soll nur das reine Aluminium aus dem zerkleinerten Materialverbund zurückgewonnen werden, ist die thermische Zersetzung des Polyethylens die Methode der Wahl, wenn das entstehende Pyrolysegas anschließend in eine Feuerungsanlage eingespeist wird; dann läßt sich

anteilig Primärenergie sparen. Die Kohlendioxid-Bilanz ist dabei ausgeglichen, und störende Emissionen wie zum Beispiel von Schwefeldioxid aus Primärenergieträgern werden vermieden; im Gegensatz zu Kohle und Öl ist der Polyethylen-Aluminium-Verbund frei von Schwefel.

Diese an sich sehr aussichtsreiche Methode konnte lange nicht weiterentwickelt werden, weil alle Überlegungen zu einer Abfallaufbereitung unter Einsatz thermischer Verfahren bis vor kurzem sowohl bei den Zulassungsbehörden als auch in weiten Kreisen der Bevölkerung aufgrund zum Teil ideologischer Verklemmungen tabuisiert waren. Nunmehr scheint sich eine Versachlichung anzubahnen. Die großen Mengen nicht verwertbarer Kunststoffe des Dualen Systems, die an vielen Stellen auch im Ausland auftauchten, leiteten eine Rückbesinnung auf wissenschaftlich-technische Möglichkeiten ein, mit denen sich die Abfallmassen bändigen ließen. Dazu gehört auch die thermolytisch-energetische Verwertung. Ihr wird künftig eine angemessene Bedeutung zukommen.

Will man sowohl Aluminium als auch Polyethylen stofflich verwerten, muß der Verbund getrennt werden. Auf einfache mechanische Art ist dies nicht möglich; man muß entweder die eine oder andere Komponente zuvor auflösen. Wird der Materialverbund mit anorganischer Säure oder Lauge behandelt, löst sich ausschließlich Aluminium unter Entwicklung von Wasserstoff auf; das Polyethylen bleibt ungelöst zurück.

Dieses Verfahren schien uns allerdings wenig aussichtsreich, weil dabei fortlaufend Chemikalien verbraucht werden, die zudem stark ätzend sind und das an sich hochwertige Aluminiummetall in minderwertige, allenfalls in der Abwasserreinigung verwertbare Aluminiumsalze umwandeln. Es gab auch verfahrenstechnische Probleme. Beispielsweise konnten Säuren und Laugen das durch den Kunststoff teilweise abgeschirmte Aluminium nur unzureichend benetzen, und das Polyethylen mußte mit Wasser davon gereinigt werden – Rückstände von Säuren und Laugen mindern die Qualität des Kunststoffs und erschweren seine weitere Verarbeitung. Diese Methode haben wir deshalb nicht weiter verfolgt.

Komplette Rückgewinnung

Außer der thermolytisch-energetischen Verwertung scheint uns ein Verfahren am aussichtsreichsten, bei dem sowohl Aluminium als auch Polyethylen in stofflich reiner Form zurückgewonnen werden. Dazu benutzt man ein organisches Lösungsmittel, das allein das Polyethylen rein physikalisch – ohne Zerstörung der stofflichen Eigenart – auflöst. Das verbliebene Aluminium wird abfiltriert oder abzentrifugiert und das Polyethylen aus der Lösung anschließend in reiner Form zurückgewonnen. Außer daß die reinen Einzelkomponenten als Produkte anfallen, besteht der besondere Vorteil dieses Verfahrens darin, daß das Lösungsmittel immer wieder in den Prozeß zurückgeführt und somit im Prinzip keinerlei Chemikalien verbraucht werden.

Entscheidend für das Gelingen ist ein geeignetes Lösungsmittel, das eine Vielzahl von Forderungen erfüllen muß:

– Es soll eine ausreichend hohe Lösekraft aufweisen und sich vom Polyethylen leicht trennen lassen;

– es darf weder Polyethylen noch Aluminium chemisch angreifen;

– es muß umweltfreundlich und gesundheitsverträglich sein (chlorierte Lösungsmittel kommen damit nicht in Betracht), und

– es muß in industriellen Mengen zu einem akzeptablen Preis erhältlich sein.

Nur wenige Stoffe entsprechen diesem Anforderungsprofil. Eingesetzt haben wir ursprünglich ein aliphatisches cyclisches Keton, eine ringförmige gesättigte Kohlenstoffverbindung mit einer Ketogruppe ( C=0). Seine Lösekraft er-wies sich günstigerweise als ausgesprochen temperaturabhängig; dies machte es möglich, das gelöste Polyethylen durch einen gesteuerten Abkühlungsprozeß als leicht filtrierbares Pulver wieder abzuscheiden.

Damit wurden in der Fachhochschule Aachen sowohl die Laboratoriums- als auch die Technikumsuntersuchungen durchgeführt – die Grundlagen für eine Weiterentwicklung im technischen Maßstab, die sich nunmehr anbahnt. Das Verfahren wurde nach einjährigem Betrieb in einer Technikumsapparatur zum Patent angemeldet; sowohl das zurückgewonnene Aluminium als auch das Polyethylen erwiesen sich als von guter Qualität.

Eines der größten deutschen Recycling- und Entsorgungsunternehmen, die RWE Entsorgung, hat unser Verfahren übernommen und in technischen Details weiterentwickelt (Bild 2). Vor dem Auflösen des zerkleinerten Verbundmaterials werden farb- und aluminiumkontaktierte Polyethylenpartikel nun in einer Trennkolonne aufgrund ihrer unterschiedlichen Dichte separiert. Dadurch ergeben sich zwei Qualitäten des Kunststoffs: eine farblose und eine grünstichige. Statt des cyclischen Ketons verwendet man eine Kohlenwasserstoff-Mischung als Lösungsmittel und zum anschließenden Abtrennen der Aluminiumflitter eine Zentrifuge, kein Sieb. Die Polyethylenlösung wird zur Abscheidung des Kunststoffs nicht mehr abgekühlt, sondern

in einen Vakuum-Extruder, eine Art Fleischwolf, geführt – wie wir es bereits als Ergebnis unserer Entwicklungsarbeiten vorgeschlagen haben. Das Lösungsmittel verdampft im Vakuum, wird durch Kondensation zurückgewonnen und in den Kreislauf wieder eingespeist. Das lösungsmittelfreie Polyethylen verläßt den Extruder noch flüssig (da nicht abgekühlt) und kann in geeigneter Weise zu Granulat, sogenannten Pellets, geformt werden. Dieses Material verwenden dann Kunststoffbetriebe direkt oder eingemischt mit Frischware zur Herstellung von Kunststoffartikeln und Verpackungsmaterialien.

Am 1. September 1993 wurde in Wesseling bei Köln eine Demonstrationsanlage mit einer Kapazität von einer Tagestonne in Betrieb genommen; damit lassen sich etwa 50 Millionen Verpackungen pro Jahr recyceln. Die Errichtung einer kommerziellen Anlage mit einer Kapazität von 20000 Tonnen ist für 1995 vorgesehen.

Thermolyse

Eine ökonomisch und ökologisch verträgliche Alternative zu unserem Verfahren ist – wie bereits angedeutet – die Thermolyse des Polyethylens. Die derzeitigen Verarbeitungskapazitäten für ein Recycling reichen allerdings bei weitem nicht aus. Außerdem nimmt die Qualität des Kunststoffs bei jedem Wiederverwertungszyklus ab, was auch als sogenanntes down-cycling bekannt ist. Zum Beispiel findet sich ein recyclierter Verpackungs-Kunststoff nicht in einer Verpackung wieder, sondern etwa im Rohmaterial für Parkbänke oder Massen-Blumentöpfe. Aber auch diese Konsumgüter müssen irgendwann wiederum entsorgt werden. Mit großer Sicherheit wird am Ende die thermische Verwertung des Kunststoffs stehen.

Ein interdisziplinäres Forschungsteam entwickelt gerade die Thermolyse von Verbundverpackungen weiter. Ziel ist, einerseits der Papierindustrie die darin enthaltene hochwertige Zellulose wieder zur Verfügung zu stellen und andererseits durch die thermische Nutzung des Polyethylens Braunkohle zu ersetzen, die für die Prozeßenergie bislang benötigt wird. Gleichzeitig fällt reines Aluminium an. Dadurch werden im Vergleich zur herkömmlichen, energie-intensiven Aluminiumgewinnung aus Bauxit erhebliche Mengen Energie gespart.

Bei diesem Verfahren wird in einer speziellen Trommel die Zellulose aus den Verpackungen gelöst und separiert. Das verbleibende Aluminium-Polyethylen-Laminat gelangt nach der Zerkleinerung und dem Trocknen in ein Silo. Von hier aus wird ein Pyrolyse-Aggregat kontinuierlich beschickt; unter Sauerstoffausschluß und in Inertgasatmosphäre zersetzt sich das Polyethylen in gasförmige Kohlenwasserstoffe der Paraffinreihe, wobei das metallische Aluminium als Feststoff übrigbleibt. Das Pyrolysegas wird in das bestehende Energieversorgungssystem der Papierfabrik eingespeist.

Geht man zum Beispiel von einer Anlage mit einem jährlichen Durchsatz von 36000 Tonnen Verbundmaterial aus, so lassen sich davon etwa 7500 Tonnen Polyethylen thermisch nutzen und damit – je nach Prozeßführung – bis etwa 38000 Tonnen Braunkohle pro Jahr einsparen. Parallel fallen etwa 1500 Tonnen Aluminium an, die bei einem Energiebedarf von 13,6 Megawattstunden je Tonne bei der Gewinnung aus Bauxit zusätzlich rund 20000 Megawattstunden Strom einsparen. Da ein Kraftwerk einen Wirkungsgrad von nur etwa 35 Prozent hat, entspricht dies nochmals einer Reduktion an Primärenergieträgern um 5,7 Millionen Liter Heizöl beziehungsweise 7000 Tonnen Steinkohle pro Jahr.

Welche Methode sich letzten Endes als am besten geeignet für die Aufbereitung von Aluminium-Polyethylen-Verbundmaterialien erweist, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich werden beide – die stoffliche Trennung oder das thermolytisch-energetische Verfahren – nebeneinander koexistieren.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1993, Seite 114
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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