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Visuelle Sensorik in der Elektronikfertigung


Elektronische Komponenten fertigt man häufig in Flachbauweise: Funktionale Elemente wie Chips oder Widerstände werden auf eine gedruckte Schaltung aufgebracht. Somit brauchen keine Leitungsdrähte durch Bohrlöcher geführt zu werden, und die Montage ist leichter zu automatisieren. Doch variieren die Abmessungen der Leiterplatten je nach Fertigungstoleranzen, und auch das Zuführen der Bauelemente hat Spiel. Deshalb müssen die Fügepartner nachpositioniert werden. Dazu vermißt man ihre Lage jeweils sehr genau, um mit den Daten ein wiederum automatisches Positioniersystem steuern zu können.

Als visuelle Sensoren sind CCD-Matrix-Videokameras mit Standardobjektiven (Brennweiten von 16 bis 75 Millimetern) geeignet (Bild 1). Bei hohen Anforderungen an die Genauigkeit verwendet man solche mit telezentrischer Optik, die in einem bestimmten Abstandsbereich Objekte nicht in perspektivischem, sondern in gleichem Maßstab abbilden. Wichtig ist eine gleichmäßige Beleuchtung von Platte und Bauelementen, damit nicht Schattenwurf die Messung verfälscht. Zur Bildverarbeitung per Computer wird das analoge Videosignal digitalisiert; dabei entsteht eine Matrix aus Bildpunkten (Pixeln), deren Helligkeit nach Grauwerten gestaffelt ist.


Automatische Bildauswertung

Zur Beurteilung der Bildinformation sind mehrere Schritte erforderlich. Zunächst korrigiert eine Vorverarbeitung Fehler der Aufnahme wie wechselnde Beleuchtung, so daß ein stabiles und reproduzierbares Grauwertbild vorliegt. Das wird dann automatisch in Gebiete unterteilt, die bei anschließender Merkmalsextraktion mit möglichst wenigen Parametern signifikant beschrieben werden sollen. Zur Segmentierung eignen sich Objektkonturen oder Schwellenwerte – die Pixelmatrix wird in Bereiche gegliedert, deren Grauwerte innerhalb solcher Grenzen liegen. Geometrische Merkmale geben Aufschluß zu Lage und Form der Objekte, Texturmerkmale Aufschluß über die Grauwertstruktur und damit über ihre Oberflächenbeschaffenheit. Die Datenmenge verringert sich so von einigen hundert Kilobyte auf wenige Dutzend Byte.

Diese Angaben dienen schließlich der eigentlichen Bewertung: Sie lassen sich Kategorien beziehungsweise Klassen zuordnen, deren Grenzen zuvor mit den Konstruktionsdaten oder – bei lernfähigen neuronalen Netzen – durch Trainieren des Systems anhand von Gut-Schlecht-Mustern festgelegt wurden.


Lageerkennung und Inspektion

Hohe Genauigkeit der Positionierung erreicht man durch Markierungen an möglichst weit voneinander entfernten Stellen auf der Leiterplatte. Ihre Lage und Orientierung werden in einem rechtwinkligen Koordinatensystem bestimmt. Algorithmen suchen nach den Markern entweder als Objekte im Grauwertbild oder interpretieren sie als Muster, das mit dem des Soll-Bildes in Deckung zu bringen ist; in dem Falle verschiebt der Rechner quasi das Referenzmuster als Maske über die Bildmatrix, und die Übereinstimmung wird statistisch als Korrelationsmaß bestimmt.

Mit der Miniaturisierung der Elektronik wachsen die Präzisionsanforderungen. Deshalb kommen für die Fertigungskontrolle prinzipiell nur mehr solche Lageerkennungsverfahren in Frage, die mittels Interpolation erlauben, eine Position genauer zu bestimmen, als es der Größe eines Pixels entspricht.

Schon vor der Montage nutzt man heutzutage visuelle Verfahren: Ergänzend zum elektrischen Prüfen einer noch unbestückten Schaltung lassen sich das Fehlen von Leiterbahnen sowie Verdickungen, Einschnürungen und andere Abweichungen von der geplanten Geometrie optisch erfassen. Somit kann man nicht nur fehlerhafte Leiterplatten aussortieren, sondern auch die spätere Zuverlässigkeit des Produkts abschätzen, während das herkömmliche Verfahren immer nur die momentane Funktionsfähigkeit kontrolliert. Die verwendeten Algorithmen vergleichen Soll- und Ist-Muster; zudem nutzen sie Entwurfsregeln.

Grundlegend für die Qualität einer Baugruppe ist selbstverständlich, daß alle elektronischen Bauelemente vorhanden sind. Dies ist – wie auch die korrekte Ausbildung der Lötverbindungen – anhand von Merkmalen bestimmbar, die sich sehr schnell aus dem Grauwert-Histogramm berechnen lassen, einer Aufstellung, wie oft welche Grauwerte in der Pixel-Matrix auftreten (Bild 2). Im dargestellten Beispiel zeichnet sich ein vorhandener Chip durch Häufung hoher Werte ab, wogegen ein Fehlplatz niedrige verstärkt. Der mittlere Grauwert als integrales Maß für die Helligkeit des Bildes eignet sich somit in diesem Falle als Indikator für die Anwesenheit eines Objekts.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1996, Seite 111
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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