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Editorial: Vom Spaß- in den Sparmodus

Carsten Könneker

Ich habe zweimal im Jahr Geburtstag. Es sei denn, der Fastnachtsdienstag liegt auf dem 15. Februar. Dann fallen beide zusammen. Als "gebürtigem Jeck" wurden mir während meiner Kindheit im Rheinland allerlei Erwartungen entgegengebracht. Sogar von Lehrern bekam ich zu hören, einem Jungen wie mir müssten Frohsinn und ­Humor ja wohl im Blut liegen. Allerdings habe ich keine nachhaltige Feierlaune für meinen "zweiten Geburtstag" entwickelt, zumal ich inzwischen längst in der karnevalistischen Diaspora wohne. Über die Jahre ist der Faschingsdienstag als besonderer Tag für mich immer mehr verblasst.

Seine traditionsreiche Bedeutung erhielt er in der Spätantike. Seit fast eineinhalb Jahr­tausenden markiert der Tag den Übergang zur Fastenzeit, die mit Aschermittwoch einsetzt und bis Ostern andauert. Dem wichtigsten christlichen Fest sollten 40 Tage Verzicht auf Speise vorausgehen, so wie Christus selbst nach Überlieferung des Neuen Testaments 40 Tage in der Wüste gefastet hat.

In vielen Religionen geht die Enthaltsamkeit mit innerlicher Reinigung, Buße und Gebet einher. Nichts zu essen soll uns stärken, so der zunächst paradox anmutende Gedanke. Doch längst weiß die moderne Medizin, dass Fasten tatsächlich allerlei positive Effekte hat. Rheumatiker und Bluthochdruckpatienten etwa können so ihre Symptome lindern. Darüber hinaus berichten etliche Fastende von mehr Konzentrationsfähigkeit und einer gehobenen Grundstimmung bis hin zu Glücksgefühlen, wenn sie den Stoffwechsel für einige Tage in den Sparmodus bringen. Es müssen ja nicht gleich 40 sein. Für viele Ärzte steht außer Frage: Das kontrollierte Hungern wirkt positiv auf Gehirn und Gemüt – aber über welche Mechanismen? Und wie sollten wir fasten? Unsere Autorin Ulrike Gebhardt trug zusammen, was wir über die physiologischen Zusammenhänge von Nahrungsverzicht, Hirnstoffwechsel und Psyche wissen. Am Ende ihres Artikels ab S. 12 steht für mich die Erkenntnis: Fasten kann sich ähnlich positiv auf Körper und Geist auswirken wie Sport.

In vielen Ländern trägt mein "zweiter Geburtstag" die Bezeichnung "fetter Dienstag", der Tag, an dem man noch einmal so richtig zulangt, bevor es ans bewusste Darben geht. Wenn ich ihn mir schon nicht als Tag für ausschweifende Feste zu eigen machte – vielleicht nehme ich diese Titelgeschichte zum Anlass, ihn als Auftakt zum Fasten neu zu entdecken!

Herzlich grüßt Sie Ihr

Carsten Könneker

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