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Wissenschaftsgeschichte: Zwischen den Systemen ​

Sowohl unter dem NS-Regime als auch in der DDR gehörte der Physikochemiker Peter Adolf Thiessen (1899–1990) zu den einflussreichen Wissenschafts­strategen. Wie konnte er sich so erfolgreich an die wechselnden Verhältnisse anpassen?
Auch nach seiner Emeri­tierung blieb Thiessen weiter an seinem Institut in Berlin-­Adlershof tätig (hier ein Bild von 1968).

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mussten sich zahlreiche deutsche Forscher, die unter der Nazidiktatur gearbeitet hatten, den neuen Systemen anpassen. Einem gelang das besonders erfolgreich: dem Physikochemiker Peter Adolf Thiessen (1899–1990). Er war von 1937 bis 1945 Leiter der Fachsparte Chemie im Reichsforschungsrat des »Dritten Reichs« sowie von 1957 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1965 Vorsitzender des Forschungsrats der DDR. Die Kombination so einflussreicher Positionen in ein und demselben Lebenslauf erscheint paradox, basierte doch das historische Selbstverständnis der DDR auf entschiedener Gegnerschaft zum NS-Regime. Wie war Thiessens Karriere möglich?

Wissenschaftler benötigen dazu eine »Währung«, die bei den Exponenten der jeweiligen Systeme etwas gilt. Die solideste sind Fachkompetenz und Präsenz an der Forschungsfront, verbunden mit Organisationstalent und politischer Anpassungsfähigkeit. Diese Ausstattung verliert bei politischen Wechseln nicht ihren Wert – zumal in einer Epoche, in der Wirtschaft, Rüstung und damit Macht zunehmend von der Wissenschaft abhängen.

Das konnte Thiessen bieten. Er blieb zeitlebens ein produktiver Forscher. Das ergab sich bei ihm nicht einfach unter dem Zwang der Verhältnisse, sondern war wohl eine Grundhaltung. Selbst wenn er wissenschaftspolitische Spitzenpositionen einnahm und sich ganz auf die Administration hätte zurückziehen können, legte er Wert darauf, gleichzeitig auch Forschungseinheiten zu leiten und in diesen selbst tätig zu sein. Andere, deren einziger Karriere­treibstoff politische Bekenntnisse waren, standen mit leeren Händen da, sobald das System, dem sie gedient hatten, am Ende war …

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  • Quellen

Eibl, C.: Der Physikochemiker Peter Adolf Thiessen als Wissenschaftsorganisator (1899–1990). Eine biographische Skizze. phil. Diss. Universität Stuttgart, 1999

Hoffmann, D., Laitko, H.: Peter Adolf Thiessen (1899–1990). Diener vieler Herren. In: Wandlungen und Brüche. Wissenschaftsgeschichte als politische Geschichte. Festschrift für M.G. Ash., V&R unipress, 2018

Laitko, H.: Strategen, Organisatoren, Kritiker, Dissidenten – Verhaltensmuster prominenter Naturwissenschaftler der DDR in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Preprint Nr. 367, MPI für Wissenschaftsgeschichte Berlin, 2009

Schmaltz, F.: Peter Adolf Thiessen und Richard Kuhn und die Chemiewaffen-Forschung im NS-Regime. In: Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer. Die Organisation kriegsrelevanter Forschung und die KWG im NS-System. Wallstein-Verlag, 2007

Steinhauser, T. et al.: Hundert Jahre an der Schnittstelle von Chemie und Physik. Das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck- Gesellschaft zwischen 1911 und 2011. De Gruyter, 2011

Thiessen, P. A.: Erinnerungen (unpubliziert und im Besitz der Familie; Publikation geplant)

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